Globale Mindestbesteuerung von der EU verschoben auf 2024
Nachdem sich die EU-Finanzminister (ECOFIN) auch in der aktuellen Sitzung nicht einstimmig über den Richtlinienentwurf zur globalen Mindestbesteuerung (sog. Säule 2) einigen konnten, ist die angestrebte Anwendung bereits zum 1.1.2023 ausgeschlossen und es ist von einer Anwendung erst in 2024 auszugehen.
Deutscher Sonderweg mit einigen EU-Staaten schon 2023?
Allerdings soll es Überlegungen der Bundesregierung geben, doch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Anwendung in 2023 zu realisieren, ggf. im Verbund mit einigen wenigen anderen EU-Staaten. Jedoch erscheint es sehr herausfordernd, dies zu realisieren, wenn bislang keine Einigung über die konkrete Ausgestaltung in der EU getroffen wurde. Jedes Vorpreschen bedeutet dann später eine notwendige Anpassung.
Globale Mindestbesteuerung i. H. v. 15 % geplant
Die Säule 2 des BEPS (= Base Erosion and Profit Shifting, „Kampf gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“) der OECD sieht eine globale Mindestbesteuerung (GloBE) von 15 % der erzielten Gewinne vor. Sollte ein Unternehmen in einem Staat eine geringere Steuerquote aufweisen, so kann ein anderes Land die Differenz zwischen der tatsächlichen Besteuerung und dem vereinbarten Mindeststeuersatz nachveranlagen. Allerdings: wenn sich auf einen Steuersatz geeinigt worden ist, dann müsste es doch auch eine einheitliche Bemessungsgrundlage (den erzielten Gewinn) geben. Doch genau darauf konnte sich nicht geeinigt werden.
Bemessungsgrundlage für Mindestbesteuerung: Konzernrechnungslegung maßgeblich
Als Ausweg aus dem Dilemma stand dann ein fauler Kompromiss: Zur Berechnung der Steuerquote wird im Nenner das (aufwendig, aber letztlich doch nur ansatzweise bereinigte) Handelsbilanz II-vor-Steuer-Ergebnis verwendet. Als Zähler soll, der (um bestimmte latente Steuern bereinigte) Steueraufwand dienen. Die Konzernrechnungslegung wird somit maßgeblich für die GloBE.
Globale Mindestbesteuerung für große (multi)nationale Unternehmensgruppen
Verpflichtet werden sollen dabei zunächst multinationale Unternehmensgruppen oder große inländische Gruppen, die in 2 der vergangenen 4 Geschäftsjahren mindestens 750 Mio. EUR Umsatzerlöse erzielt haben. Konzernmütter haben im ersten Schritt dann für alle (d.h. die Einbeziehungswahlrechte gelten nicht) Tochterunternehmen und Betriebsstätten die Besteuerung nach dem weltweit gültigen Mindestniveau von 15 % nachzuweisen. Gelingt dies nicht, kann mit einer Ergänzungssteuer nachversteuert werden. Als Auffanglösung, falls diese Ertragseinbeziehungsregelung nicht von dem Land des Sitzes der Konzernmutter vorgenommen wird, sieht der Entwurf der EU-Richtlinie COM/2021/823 (EU-RL-E) auch die umgekehrte Ertragseinbeziehungsregelung vor, um die vereinbarte effektive Mindestbesteuerung nicht nur bei ausländischen Tochtergesellschaften, sondern auch bei allen ansässigen Geschäftseinheiten und Betriebsstätten von multinationalen Unternehmensgruppen sicherzustellen.
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Scharfe Kritik an Einigung
Als anerkannte Rechnungslegungsstandards dürfen neben den IFRS als Ausgangsbasis die Rechnungslegungsgrundsätze Australiens, Brasiliens, der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums, Hongkongs, Japans, Kanadas, Mexikos, Neuseelands, Indiens, Koreas, Russlands, Singapurs, der Schweiz, des Vereinigten Königreichs, der USA und der Volksrepublik China angewendet werden (Art. 3 Nr. 22 EU-RL-E). Um eine vergleichbare Basis zu schaffen und somit der Basisanforderungen einer objektivierten Besteuerung zu entsprechen, müssten alle Unterschiede dieser Systeme untereinander (und auch alle Wahlrechte innerhalb der Systeme) bereinigt werden. In der externen Rechnungslegung wurde unter anderem dafür der Cashflow als überbetrieblich vergleichbare Größe ohne großen Einfluss von Ansatz- und Bewertungsregelungen entwickelt. Allerdings ist die Aussage bzgl. des Erfolgs auch eher beschränkt, da der Substanzverzehr und die Risiken nicht adäquat berücksichtigt sind.
Die an den regelnden Papieren beteiligten Personen nehmen aber statt dieser Bereinigung eher ausgewählte Aspekte in den Blick, die unterschiedliche Besteuerungsregime betreffen, wie etwa Abschreibungsdauern. Dabei ist das genaue Vorgehen allerdings kaum nachvollziehbar, einerseits, weil die ausgewählten Aspekte ökonomisch wenig sinnvoll und äußerst lückenhaft erscheinen, andererseits es aber auch schlicht an einer ordentlichen Verwendung von Begriffen mangelt. So werden steuerliche- und rechnungslegungsbezogene Begriffe vermengt, unklar und letztlich auch teilweise schlicht falsch verwendet. Hier wäre also in der finalen EU-Richtlinie und der nationalen gesetzlichen Umsetzung noch erheblich nachzusteuern.
Der Aufwand und die zu befürchtenden Kollateralschäden scheinen enorm für die letztlich doch gar nicht mehr so großen Steuererwartungen. So sollen die Unternehmen nicht nur für die konsolidierten Unternehmen des Konzerns die komplizierten Bereinigungsrechnungen vornehmen, sondern es müsste auch für die relevanten nicht konsolidierten Tochterunternehmen eine Handelsbilanz II erstellt werden und für die relevanten Betriebsstätten überhaupt GloBE-konforme Buchhaltung implementiert werden. Die Steuerbehörden müssen ihrerseits die ganzen Erklärungen, die mit erheblicher Strafandrohung bei Unrichtigkeit versehen sind, auch prüfen. Dies ist eine enorme Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, für die es in dem ohnehin gerade durch anstehende weitere Regulierung der Rechnungslegung (Stichwort: Nachhaltigkeitsberichterstattung) kaum noch Potenzial an Fachkräften gibt.
Aus theoretischer Sicht schmerzt besonders, dass ein bislang einzig für die Informationsvermittlung eingesetztes Instrument – der Konzernabschluss – nun für die Besteuerung maßgeblich werden soll.
Weitere Informationen sind beim Bundesfinanzministerium abrufbar, wobei hier kein Datum mehr für die Erstanwendung genannt wird.
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