Kein Arbeitnehmer-Pauschbetrag fürs Elterngeld
Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist oberster Grundsatz des deutschen Einkommensteuerrechts mit seinem progressiv steigenden Tarif. Um aber zu verhindern, dass der progressive Tarif bei bestimmten nicht regelmäßigen Einkünften zu sehr die Steuerbelastung erhöht, hat der Gesetzgeber den sogenannten Progressionsvorbehalt eingeführt. Dieser Vorbehalt gilt beispielsweise bei Abfindungen, aber auch beim Elterngeld. Im Klartext bedeutet der Vorbehalt, dass das zusätzliche Einkommen zwar zu einer höheren Steuerzahlung führt, aber nicht in dem Umfang, wie es der Tarifverlauf eigentlich vorsieht.
Die Berechnung der Steuerlast erfolgt dabei in zwei Schritten: Zunächst werden die regelmäßigen Einkünfte sowie die Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, addiert. Daraus errechnet das Finanzamt anhand der Grundtabelle die anfallende Steuerzahlung und die durchschnittliche prozentuale Belastung. Dieser durchschnittliche Steuersatz wird dann alleine auf die regelmäßigen Einkünfte angewendet und die endgültige Steuerschuld ermittelt. Sie liegt meist deutlich unter der Belastung der summierten Einkünfte.
Streit um Werbungskostenabzug beim Elterngeld
In dem aktuellen Streitfall stand die Berechnung des Progressionsvorbehalts beim Elterngeld auf der Tagesordnung. Die zusammen veranlagten Eheleute bezogen beide Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Hinzu kam für den Ehemann 1.359 Euro und für die Ehefrau 761 Euro Elterngeld. Bei der Veranlagung zog das Finanzamt die erklärten 1.142 Euro Werbungskosten von den Einnahmen des Ehemannes aus nichtselbstständiger Arbeit ab, bei den Einnahmen der Ehefrau aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigte es statt der erklärten Werbungskosten von 329 Euro den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 Euro.
Für die Ermittlung des besonderen Steuersatzes erfasste das Finanzamt anschließend das Elterngeld beider Ehegatten jeweils in voller Höhe. Damit waren die Eheleute nicht einverstanden. Sie machten vielmehr geltend, dass das Elterngeld des Mannes bei der Berechnung des Progressionsvorbehalts um 920 Euro zu mindern sei, weil dessen Arbeitnehmer-Pauschbetrag noch nicht verbraucht sei. In erster Instanz gab das Finanzgericht der Klage der Eheleute sogar Recht.
Bundesfinanzhof blockt ab
In der anschließenden Revision machte der Bundesfinanzhof aber nicht mit und hob das FG-Urteil auf (III R 61/12). Begründung: Das Elterngeld darf nicht um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemindert werden, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte Werbungskosten abgezogen wurden, die den Pauschbetrag überstiegen.
Zwar spreche der Gesetzeswortlaut des § 32b Abs. 2 Satz1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes weder für noch gegen die Auffassung des Finanzgerichts. Die Auslegung der Vorinstanz würde jedoch den Zweck der Regelung verfehlen. Denn der Gesetzgeber habe dort zwar die Minderung des Elterngeldes um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag vorgesehen, weil das Elterngeld typischerweise Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit ersetze. Wenn ein Arbeitnehmer aber aus zwei Arbeitsverhältnissen Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit erhalte, könne er nicht bei einem die tatsächlich entstandenen Werbungskosten und beim anderen den Pauschbetrag abziehen.
Alleine das schon spricht nach Auffassung des BFH dagegen, einem Arbeitnehmer den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und gleichzeitig den Abzug des Pauschbetrags vom Elterngeld zu gewähren. Darüber hinaus würden – wie der Streitfall zeigt – Arbeitnehmer mit Werbungskosten oberhalb des Pauschbetrags gegenüber Arbeitnehmern mit Werbungskosten unterhalb des Pauschbetrags begünstigt, wenn man bei Ersteren die Minderung des Elterngeldes um die Pauschale zuließe. Das widerspräche dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 des Grundgesetzes und dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Praxistipp
Der BFH hat damit eine in der Steuerrechtsliteratur mehrheitlich vertretene Einschätzung bestätigt. Aber auch hier gilt: Es gibt eine Ausnahme von der Regel. Denn Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb und daneben Elterngeld beziehen, können sowohl ihren gesamten Erwerbsaufwand als auch den vollen Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes abziehen. Anders als im reinen Arbeitnehmerfall sieht der BFH hier indes keine unzulässige Ungleichbehandlung.
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