Verjährungsfrist: Ablaufhemmung durch Beginn einer Außenprüfung

In seiner Entscheidung urteilte der BFH, dass die Aufnahme von qualifizierten Prüfungshandlungen für ein Veranlagungsjahr den Ablauf der Verjährungsfrist für den gesamten Prüfungszeitraum hemmt.

Praxis-Tipp: Hinweis, dass mit der Prüfung vor Jahresende noch nicht ernsthaft begonnen wurde, weiterhin möglich

Die Entscheidung vom 26.4.2017 (I R 76/15) mag für Steuerpflichtige im Einzelfall misslich sein, sie ist gleichwohl als zutreffend anzusehen, zumindest hinsichtlich der Rechtsfrage, ob der Beginn qualifizierter Prüfungshandlungen den Ablauf der Festsetzungsverjährung für den gesamten Prüfungszeitraum hemmt. Ob die Feststellungen hinsichtlich des Umfangs der Prüfungshandlungen sowie der Unterbrechung zutreffend sind, kann nicht abschließend beurteilt werden, da es hierbei um Sachverhaltsfragen handelt. Kurz zum rechtlichen Hintergrund. Nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO läuft die Verjährungsfrist nicht ab, wenn vor Ablauf der Frist mit einer Außenprüfung begonnen worden ist. Dies war hier nach den Feststellungen des Gerichts der Fall. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO normiert hiervon eine Ausnahme, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für mehr als sechs Monate unterbrochen worden ist und das Finanzamt dies zu vertreten hat. Aufgrund der qualifizierten Prüfungshandlungen konnte man, so die Feststellungen zum Sachverhalt, nicht mehr von einem Beginn der Prüfung sprechen. Die interessante Frage, die bislang so nicht vom BFH entschieden war, war, ob die Prüfungshandlungen für ein Jahr die Hemmung für den gesamten Prüfungszeitraum auslösen. Da im Gesetz von der Außenprüfung die Rede ist, wird man dies so annehmen müssen. Allerdings ist stets zu prüfen, auf welche Steuern und Jahre sich die Außenprüfung erstreckt hat, dies ist aus der Prüfungsanordnung ersichtlich. Steuerpflichtige haben sich zukünftig auf die Rechtsprechung einzustellen. Weiterhin möglich bleibt jedoch insbesondere der Hinweis darauf, dass mit der Prüfung vor Jahresende noch gar nicht ernsthaft begonnen wurde. Dieser Einwand kann im Einzelfall durchaus erfolgsversprechend sein.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine AG, die zu einer Unternehmensgruppe gehörte. Innerhalb der Gruppe kam es zu verschiedenen steuerrelevanten Vorgängen. So kam es 2001 zur Anwachsung von zwei KGs auf die Klägerin, 2002 schrieb die Klägerin eine Forderung gegen ein verbundenes Unternehmen ab. Das Finanzamt folgte zunächst den eingereichten Steuererklärungen. Im November 2006 erging dann eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 und 2002. Ende November 2006 erhielt die Prüferin einen ausgefüllten Fragebogen vor der Prüfung, am 13.12.2006 erschien sie bei der Klägerin und nahm die Buchführungsdaten auf einem Datenträger an sich. Ausweislich einer Notiz beschäftigte sich die Prüferin im Januar 2007 mit der Anwachsung, ein weiterer Ausdruck erfolgte im April 2008, dann erst wieder im November 2009. Aus internen Aufzeichnungen (Beschäftigungstagebuch) ergab sich, dass die Prüferin von Oktober 2006 bis Januar 2007 insgesamt elf Tage mit dem Fall befasst war. Mit Schreiben vom Dezember 2009 kündigte das Finanzamt an, es wolle die Prüfung wieder aufnehmen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Hinweis, die Jahre seien festsetzungsverjährt. Das Finanzamt führte die Prüfung gleichwohl durch. Gegen die geänderten Steuerbescheide legte die Klägerin Einspruch, der keinen Erfolg hatte. Das Finanzgericht gab ihr dann jedoch Recht und nahm eine Festsetzungsverjährung an. Gegen dieses Urteil des FG Berlin-Brandenburg wandte sich das Finanzamt im Wege der Revision.

Begründung der Entscheidung

Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Entscheidung des FG auf. Er entschied, dass entgegen der Auffassung des FG keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, so dass eine Änderung der Steuerfestsetzungen in Betracht gekommen sei. Die Festsetzungsfrist sei deshalb nicht abgelaufen, da sie durch den Beginn der Außenprüfung gehemmt sei. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei hier auch bereits mit qualifizierten Prüfungshandlungen begonnen worden. Die spätere Unterbrechung lasse die Ablaufhemmung unberührt, da nicht davon gesprochen werden könne, dass die Prüfung unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden sei. Insbesondere habe sich die Prüferin bereits eingehend mit der Anwachsung auseinander gesetzt. Die das Jahr 2001 betreffenden qualifizierten Prüfungshandlungen seien dabei ausreichend, um auch eine Ablaufhemmung für die übrigen Prüfungszeiträume herbei zu führen.