Zuordnungsentscheidung EU-konform?
Der BFH bezweifelt, ob es dem Europarecht entspricht, dass die Zuordnungsentscheidung zur Ausübung des Vorsteuerabzugs nach deutschem Recht innerhalb einer bestimmten Frist auszuüben ist. Er hat deshalb diese Rechtsfrage dem EuGH mit zwei Beschlüssen (BFH Beschluss vom 18.09.2019 - XI R 3/19 und XI R 7/19) zur Entscheidung vorgelegt.
Praxis-Hinweis: Entscheidet EuGH, dass deutsches Recht nicht europarechtskonform – Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung erleichtert
Europarecht wird oftmals kritisiert – vielfach zu Recht. Die Gesetze sind teils fast konfus strukturiert und formuliert, so dass sie an der Praxis der Rechtsanwendung vorbei gehen. Die Entscheidungen des EuGH erscheinen oftmals nahezu wirr und so schwer verständlich, so dass der weitergehende Sinn einer Entscheidung sich kaum erschließt. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich das Europarecht zugunsten eines Steuerpflichtigen auswirkt.
Das deutsche Recht ist eindeutig. Die Entscheidung, ob ein Gegenstand dem Unternehmensvermögen zugeordnet wird, ist bis zum gesetzlichen Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuererklärung zu treffen. Dies war in den Streitjahren der 31.5. des Folgejahres, jetzt ist es der 31.7. des Folgejahres. Ist zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung nicht getroffen, kann die Zuordnungsentscheidung aufgrund von Verfristung nicht mehr getroffen werden. Ein Vorsteuerabzug kommt nicht mehr in Betracht.
Wie der BFH festgestellt hat, sind diese Rechtsfolgen aber nicht in den europarechtlichen Grundlagen des deutschen Umsatzsteuerrechts normiert. Insofern ist sehr fraglich, ob das deutsche Recht den europarechtlichen Ansprüchen genügt. Sollte der EuGH entscheiden, dass das deutsche Recht nicht europarechtskonform ist, würde dies die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs bei unternehmerischer Tätigkeit und insbesondere bei einer gemischten Nutzung erheblich erleichtern. Entsprechende Fälle sind deshalb in jedem Fall durch Einspruch offen zu halten, wenn das Finanzamt den Vorsteuerabzug aufgrund von Verfristung versagt.
Kläger versäumten die Frist für die Zuordnungsentscheidung – Vorsteuerabzug abgelehnt
Der Kläger des Sachverhalts, der dem ersten Beschluss (BFH Beschluss vom 18.09.2019 - XI R 3/19) zugrunde lag, betreibt ein Gerüstbauunternehmen. Er errichtete ein Einfamilienhaus, in dem auch ein Arbeitszimmer vorhanden war. Auf dieses entfielen ca. 17 m2 bei einer Gesamtwohnfläche von rund 150 m2. Die Fertigstellung des Hauses erfolgte im Jahr 2015. Der Kläger machte den anteiligen Vorsteuerabzug erst in der Umsatzsteuerjahreserklärung geltend, die er im September 2016 einreichte, nicht bereits in der Umsatzsteuervoranmeldung. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da die Zuordnung des Arbeitszimmers zum Betriebsvermögen nicht rechtzeitig, nämlich bis zum 31. Mai des Folgejahres erfolgt sei.
Im Sachverhalt, der dem zweiten Beschluss zugrunde lag (BFH Beschluss vom 18.09.2019 - XI R 7/19), versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Fotovoltaikanlage, auch hier im Hinblick auf die Verfristung. Einspruchs- und Klageverfahren hatten keinen Erfolg.
BFH zweifelt daran, dass deutsches Recht im Einklang mit Europarecht steht
Der im Wege der Revision angerufene BFH vertrat die Ansicht, dass nach nationalem Recht die Entscheidungen der Vorinstanz zutreffend sind. Auf der Grundlage der zur rechtzeitigen Ausübung der Zuordnungsentscheidung zum Betriebsvermögen entwickelten Kriterien haben die Kläger zu spät gehandelt. Allerdings hat der BFH erhebliche Zweifel, ob die gesetzliche Grundlage des deutschen Rechts im Einklang mit Europarecht steht. Zweifelhaft ist nämlich, ob ein Mitgliedsstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen darf. Zwar sieht die maßgebliche Richtlinie vor, dass eine Zuordnung von Gegenständen erfolgt. Weitergehende Regelungen gibt es aber nicht. Der EuGH ist zur Klärung der Rechtslage aufgerufen.
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