Zinsschranke: Gesellschafter-Fremdfinanzierung

Damit festgestellt werden kann, ob eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt, muss die sogenannte 10%-Grenze geprüft werden. Hierzu urteilten die Richter des BFH entgegen dem BMF: Vergütungen für Fremdkapital der einzelnen qualifiziert beteiligten Gesellschafter sind nicht zusammenzurechnen.

Hintergrund: Zinsaufwendungen wegen Zinsschranke einkommenserhöhend?

Zu entscheiden war die Frage: Sind Zinsaufwendungen wegen der Zinsschranke einkommenserhöhend anzusetzen, weil die Vergütungen für Fremdkapital an qualifiziert beteiligte Gesellschafter zusammenzurechnen sind?

Die B-GmbH hatte in 2008 Vergütungen für Fremdkapital i.H.v. rund 3.7 Mio. EUR geleistet. In diesem Betrag waren Zinsen an zwei zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligte Gesellschafter enthalten (398.000 EUR/353.000 EUR). Unter Ansatz der Fremdkapitalvergütungen erklärte B einen Jahresfehlbetrag von rund 140.000 EUR.

Durch Eigenkapitalvergleich Befreiung von der Zinsschranke möglich?

  • Aus einem zum 31.12.2007 erstellten Teilkonzernabschluss für den Organkreis ergab sich eine Eigenkapitalquote von 10,5 % (Bilanzsumme 61 Mio. EUR/Eigenkapital 6,4 Mio. EUR).
  • Der Konzernabschluss wies eine Eigenkapitalquote von 7,53 % aus (Bilanzsumme 59 Mio. EUR/Eigenkapital 4.4 Mio. EUR).

Daraus folgerte die B, die Zinsschranke sei wegen § 4h Abs. 2 Buchst. c EStG nicht anzuwenden (Eigenkapitalvergleich - Befreiung von der Zinsschranke für konzerngebundene Betriebe, wenn die Eigenkapitalquote gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns). Die Rückausnahme des § 8a Abs. 3 KStG sei nicht erfüllt (Verschärfung der Möglichkeit des Eigenkapital-Escapes für bestimmte Gesellschafter-Fremdfinanzierungen). Die 10 %-Unschädlichkeitsgrenze für den Gesamtzinssaldo der Organschaft (4.04 Mio. EUR) sei nicht überschritten. Denn die Grenze werde auf den (höchsten) Zinsanteil aller wesentlich Beteiligten (hier eine Fondsgesellschaft - 398.000 EUR). Eine Zusammenrechnung der Zinsaufwendungen an mehrere Beteiligte (neben dem Fonds eine KG - 353.000 EUR) sei im Gesetz nicht vorgesehen. 

Finanzamt und Finanzgericht haben Eigenkapitalvergleich nicht zugelassen

Das FA verneinte die Anwendung des Eigenkapitalvergleichs (§ 4h Abs. 2 Buchst. c EStG) aufgrund der Rückausnahme (§ 8a Abs. 3 KStG) und berücksichtigte bei der KSt-Festsetzung und der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nicht abziehbare Zinsen von 2.6 Mio. EUR. Dem folgte das FG und wies die Klage im Wesentlichen ab. Es geht davon aus, die an den schädlichen Personenkreis geleisteten Zinsen seien nach Art einer Gesamtbetrachtung zu addieren. 

Entscheidung des BFH: Zinsschranke nicht anwendbar

Die Zinsschranke ist - entgegen der Auffassung des FG - nicht anwendbar. Die Voraussetzungen des Eigenkapital- und Konzernvergleichs (Eigenkapital-Escape nach § 4h Abs. 2 Buchst. c EStG) sind im Streitfall erfüllt. Die Anwendung ist nicht durch die Rückausnahme nach § 8a Abs. 3 KStG ausgeschlossen. Denn die Vergütungen für Fremdkapital an die im Streitjahr wesentlich Beteiligten (Fonds und KG) stellen zwar Gesellschafterfremdfinanzierungen dar. Die Zinsaufwendungen im Rahmen dieser Gesellschafterfremdfinanzierungen überstiegen jedoch mit jeweils 398.000 EUR bzw. 353.000 EUR nicht die Grenze von 10 % des negativen Zinssaldos (404.000 EUR). Damit ist die Rückausnahme nicht erfüllt.

Zinssaldo-Grenze auf jeden Gesellschafter getrennt anzuwenden

Die Entlastung durch § 4h Abs. 2 Buchst. c EStG steht nach § 8a Abs. 3 KStG nur für Kapitalgesellschaften offen, die nachweisen, dass ihre Fremdkapitalvergütungen zu mindestens 90 % des negativen Zinssaldos an nicht qualifiziert beteiligte Gesellschafter fließen. Insoweit unterstellt der Gesetzgeber den qualifiziert beteiligten Gesellschaftern aufgrund des Umfangs der kapitalmäßigen Beteiligung an der Körperschaft einen maßgeblichen Einfluss auf die Finanzierungsverhältnisse des Unternehmens. Nach der wohl überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung lässt sich aus dem Gesetzeswortlaut des Satzes 1 des § 8a Abs. 3 KStG ("... an einen ... Gesellschafter ...") ableiten, dass jeder qualifiziert Beteiligte isoliert zu betrachten ist, d.h. die Zinssaldo-Grenze auf jeden Gesellschafter getrennt anzuwenden ist. Nach anderer Meinung, der auch die Verwaltungspraxis folgt, findet dagegen eine Addition der geleisteten Fremdkapitalvergütungen nach Art einer Gesamtbetrachtung statt (BMF v. 4.7.2008, BStBl I 2008, 718, Rz. 82 Satz 2).

BFH hob auf der Gesamtbetrachtung beruhendess FG-Urteil auf

Der BFH folgt der ersten Auslegung (individuell-separierende Betrachtung). Dafür spricht der eindeutige Gesetzeswortlaut ("an einen Gesellschafter"). Die vom BMF befürwortete Gesamtbetrachtung mehrerer Gesellschafter ist im Wortlaut nicht angelegt. Für die individuelle Betrachtung sprechen auch die weitreichenden Belastungseffekte der Regelung, die auf der Grundlage weitgehend pauschalierender Annahmen zur "angemessenen Fremdfinanzierung" das Grundprinzip des Betriebsausgabenabzugs beeinträchtigt. Solche Eingriffsvoraussetzungen sind aber klar und eindeutig zu formulieren. Trotz eines möglicherweise entgegenstehenden Gesetzeszwecks verbietet das eine vorrangig am Gesetzeszweck orientierte ausdehnende Auslegung.  

Der BFH hob daher das auf der Gesamtbetrachtung beruhende FG-Urteil auf und gab der Klage statt.

 

Hinweis: Klarer Gesetzeswortlaut

Der BFH folgt damit zutreffend nicht der Verwaltungsauffassung. Der Regelungszweck, Finanzierungsgestaltungen zwischen einer Körperschaft und ihrem Anteilseigner einzuschränken, rechtfertigt es nicht, gegen den klaren Gesetzeswortlaut zu entscheiden, auch wenn durch Aufteilung der Fremdfinanzierung auf mehrere Gesellschafter die 10 %-Grenze umgangen werden kann.

 

Der BFH sieht das durch die Zinsschranke ausgelöste Abzugsverbot für Zinsaufwendungen als gleichheitswidrig an. Es verstößt gegen die systematische Grundentscheidung der Nettobesteuerung. Auf den Vorlagebeschluss des BFH v. 14.10.2015, I R 20/15 (DStR 2016, 301) liegt die Problematik dem BVerfG vor (Az. beim BVerfG: 2 BvL 1/16). Im Streitfall stellte sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke nicht, da der BFH - insbesondere im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut - bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Zinsschranke verneinte.   

 

BFH, Urteil v. 11.11.2015, I R 57/13, veröffentlicht am 2.3.2016

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