Entziehung des Wohnungseigentums bei Bruchteilseigentum
Hintergrund: Ein Bruchteilseigentümer stört den Hausfrieden
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft fiel ein Eigentümer wiederholt durch massive Beschimpfungen anderer Eigentümer und Körperverletzungen auf. Er ist zur Hälfte Miteigentümer einer Wohnung. Die andere Hälfte steht im Eigentum seiner Ehefrau.
Nachdem Abmahnungen erfolglos geblieben waren, wurde in einer Eigentümerversammlung beschlossen, gegen beide Miteigentümer der Wohnung ein gerichtliches Eigentumsentziehungsverfahren nach § 18 WEG einzuleiten und sie aufzufordern, ihr Wohnungseigentum zu veräußern.
Auch nach diesem Beschluss änderte der Miteigentümer sein auffälliges Verhalten nicht. Das Amtsgericht verurteilte schließlich beide Miteigentümer der Wohnung zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums. Bezüglich des störenden Miteigentümers ist das Urteil rechtskräftig. Der BGH hatte noch darüber zu entscheiden, ob auch die zur Hälfte an der Wohnung beteiligte Ehefrau, die sich selbst keine Störungen hat zuschulden kommen lassen, zu Veräußerung ihres Miteigentumsanteils an der Wohnung verpflichtet ist.
Entscheidung: Alle Bruchteilseigentümer müssen veräußern
Auch die Ehefrau des störenden Eigentümers ist zur Veräußerung ihres Miteigentumsanteils verpflichtet, obwohl sie selbst keinen Entziehungstatbestand verwirklicht hat.
Wenn ein Wohnungseigentum mehreren Personen – anders als hier – zur gesamten Hand zusteht, reicht das Fehlverhalten eines Eigentümers nach einhelliger Auffassung aus, um alle Eigentümer zur Veräußerung zu verpflichten.
Aber auch Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum – wie im vorliegenden Fall – kann insgesamt entzogen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WEG verwirklicht. Der nicht störende Miteigentümer ist aber berechtigt, die Wirkungen des Entziehungsurteils bis zur Erteilung des Zuschlags dadurch abzuwenden, dass er den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwirbt und den störenden Miteigentümer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage entfernt. Außerdem muss der der Eigentümergemeinschaft alle Kosten ersetzen, die dieser durch die Führung des Entziehungsprozesses und die Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zur Durchsetzung des Entziehungsanspruchs entstanden sind.
Die Entziehungsklage nach §§ 18 und 19 WEG soll den Wohnungseigentümern eine effektive Möglichkeit geben, den Gemeinschaftsfrieden wiederherzustellen, wenn er durch das Verhalten eines Wohnungseigentümers nachhaltig gestört ist. Die Eigentümer sollen in der Lage sein, einen "Störenfried" aus der Gemeinschaft zu entfernen.
Dieser Zweck lässt sich nicht effizient erreichen, wenn der Anspruch auf Entziehung des Wohnungseigentums auf den Miteigentumsanteil des Störers beschränkt ist. Die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils wird nur selten gelingen, weil das Interesse von Bietern nur an einem Anteil an einer Wohnung regelmäßig sehr gering wäre. Und wenn es Gebote auf einen Miteigentumsanteil gäbe, wäre zu erwarten, dass diese oft durch die Aussicht motiviert sind, nach der Ersteigerung des Miteigentumsanteils die Teilungsversteigerung der gesamten Wohnung betreiben zu können. In diesem Fall würde eine mit einer Beschränkung des Entziehungsanspruchs auf den Miteigentumsanteil des Störers beabsichtigte Schonung des nicht störenden Miteigentümers im Ergebnis nicht erreicht, weil das Wohnungseigentum am Ende doch insgesamt versteigert würde. Es würde lediglich die Durchsetzung des Entziehungsanspruchs deutlich verzögert und hierdurch dessen eigentlicher Zweck, nämlich die rasche Entfernung des Störers und damit die rasche Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens, erheblich gefährdet.
Auch denn der Ersteher des Miteigentumsanteils keine Teilungsversteigerung beabsichtigte, ergäbe sich nichts anderes. Dann wäre der Störer zwar nicht mehr Miteigentümer der Wohnung. Der Entziehungsanspruch zielt jedoch nicht darauf ab, die Eigentumsverhältnisse formal zu ändern, sondern darauf, den Störer aus der Anlage zu entfernen. Wenn der Entziehungsanspruch auf den Miteigentumsanteil des Störers beschränkt bliebe, wäre dieses Ziel mit der Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils noch nicht erreicht. Dazu käme es erst, wenn der Ersteher und der verbliebene Miteigentümer den Störer dauerhaft und ohne Einschränkung aus der Wohnung entfernen. Der Ersteher müsste dies nach der Rechtsprechung des BGH zwar durchsetzen, der Gemeinschaftsfrieden soll nach dem Willen des Gesetzgebers aber schon unmittelbar mit der Durchsetzung des Entziehungsanspruchs wiederhergestellt werden. Dies wäre nicht möglich, wenn der Entziehungsanspruch auf einen Miteigentumsanteil beschränkt wäre. Vielmehr muss das Wohnungseigentum insgesamt entzogen werden können, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand verwirklicht.
Dem schützenswerten Interesse des nicht störenden Miteigentümers am Erhalt seines Miteigentumsanteils kann dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm die Befugnis eingeräumt wird, die Wirkung des auch gegen ihn ergehenden Entziehungsurteils in entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 2 WEG abzuwenden. Hierfür muss er den Grund für die Entziehung vollständig beseitigen, indem er den Miteigentumsanteil des Störers erwirbt und den Störer dauerhaft aus der Anlage entfernt. Dies erfordert ein uneingeschränktes Hausverbot gegen den Störer sowie die Gewähr, dass dieses durchgesetzt wird. Ferner muss er der Gemeinschaft alle Kosten ersetzen, die durch den Entziehungsprozess und ein anschließendes Zwangsversteigerungsverfahren entstanden sind.
(BGH, Urteil v. 14.9.2018, V ZR 138/17)
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