Mieterhöhung nach Modernisierung: Neue Hürden für Vermieter
Zwar spiele es eine Rolle, ob die Wohnungsgröße angemessen sei, so der VIII. Zivilsenat des BGH. Bei der Abwägung der Interessen zwischen den Interessen der Mietvertragsparteien müssten aber alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, wenn sich der Mieter auf das Vorliegen einer unzumutbaren Härte (§ 559 Abs. 4 Satz 1 BGB) beruft. Dabei komme es auch auf die Verwurzelung des Mieters in der Wohnung oder seine gesundheitliche Verfassung an.
Die obersten Zivilrichter in Karlsruhe haben außerdem die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Härteeinwand des Mieters (§ 559 Abs. 4 Satz 2 BGB) ausgeschlossen ist. Die Härtefallregelung greift nämlich ausnahmsweise nicht, wenn der Vermieter das Haus nur in einen "allgemein üblichen" Zustand gebracht hat oder zur Modernisierung gezwungen war, etwa aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung. Der BGH ist der Auffassung, dass dies von der Vorinstanz nicht korrekt geprüft wurde. Das Berliner Landgericht, das die Mieterhöhung von 240 Euro auf 4,16 Euro gekürzt hatte, muss den Fall noch einmal prüfen.
Sachverhalt: Hartz-IV-Empfänger seit seiner Kindheit in der Wohnung
Der Kläger ist Mieter einer knapp 86 Quadratmeter großen Wohnung der Beklagten in einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929 in Berlin, in der er seit dem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen alleine nutzt. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich Hartz IV) und erhält 463,10 Euro pro Monat für die Miete. Seit Juni 2016 liegt die monatliche Kaltmiete für die Wohnung bei 574,34 Euro. Dazu kommt ein Heizkostenvorschuss in Höhe von 90 Euro.
Die Vermieterin ließ Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchführen, ersetzte die bisherigen Balkone durch größere und nahm einen stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb. Ende März 2016 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1.1.2017 um 240 Euro monatlich. Hiergegen wandte der Kläger ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte. Er erhob Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung verpflichtet sei.
Prozessverlauf: Vermieterin hält Wohnfläche von 50 Quadratmetern für angemessen
Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg in erster Instanz war der Auffassung, dass der Mieter nur zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 Euro für die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls nicht verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die Feststellungsklage des Mieters abgewiesen.
Anders das Landgericht Berlin: Sinn und Zweck der Härtefallregelung sei gerade, dass Wohnungen nach der Modernisierung auch für Mieter mit geringem Einkommen finanzierbar blieben. Die Richter änderten das erstinstanzliche Urteil ab und stellten fest, dass der Mieter aufgrund seines Härteeinwands ab dem 1.1.2017 nur 4,16 Euro pro Monat für die Dämmung der obersten Geschossdecke zahlen muss. Die Mieterhöhungen für den Balkonanbau und die Dämmung der Außenfassade seien unwirksam, weil sie für den Mieter jeweils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin nicht zu rechtfertigen sei. Hiergegen zog diese vor den Bundesgerichtshof.
Im Revisionsverfahren hat die Vermieterin geltend gemacht, dass für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnfläche von 50 Quadratmetern angemessen sei. Die Wohnung des – Arbeitslosengeld II beziehenden – Mieters mit knapp 86 Quadratmetern übersteige diese Grenze erheblich. Die Entscheidung des Landgerichts laufe darauf hinaus, dass der Vermieter den "Luxus" des Mieters zu finanzieren habe.
Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof lässt diesen Einwand der Vermieterin nicht gelten: Der Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutzt, muss in der Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Mieters einbezogen werden, es gelte aber auch abzuwägen, ob der Mieter trotz des Refinanzierungsinteresses des Vermieters seinen bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf. Den Einwand der Vermieterin, der Mieter sei gehalten gewesen, einen Teil der Wohnung unterzuvermieten und sich dadurch finanzielle Mittel zu verschaffen, wurde nicht berücksichtigt.
Weiter sei zu beachten, dass nicht nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Die Härtefallregelung sehe vor, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und berücksichtigen. Die einer Berufung auf einen Härtefall entgegenstehende Unangemessenheit einer Wohnung könne nicht isoliert nach der Wohnungsgröße bestimmt werden. Ob die vom Mieter genutzte Wohnung für seine Bedürfnisse deutlich zu groß ist, muss nach Auffassung des BGH unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – etwa der Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seiner gesundheitlichen Verfassung – geprüft werden.
Der BGH hat damit das Vorliegen einer unzumutbaren Härte gebilligt, hob aber das Berufungsurteil auf und verwies den Fall an das Landgericht Berlin zurück, damit – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, ob Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB vorliegen, die den Härteeinwand des Mieters gesetzlich ausschließen.
(BGH, Urteil vom 9.10.2019, Az. VIII ZR 21/19)
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil v. 16.8.2017, Az. 234 C 257/16)
LG Berlin (Urteil v. 14.11.2018, Az. 64 S 197/17)
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