BGH: Wohnungseigentümer können gegen Mieter vorgehen

Nutzt der Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit diese entgegen der Zweckbestimmung, können die Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch direkt gegen den Mieter geltend machen.

Hintergrund: Mieter betreibt Eisdiele in „Laden“

Im Erdgeschoss einer Wohnungseigentumsanlage befindet sich eine Teileigentumseinheit, die in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichnet ist. Die Einheit ist vermietet. Der Mieter betreibt in der Einheit eine Eisdiele. Sowohl in den Räumen als auch auf der davor gelegenen Außenfläche stehen Tische und Stühle für die Gäste.

Im November 2016 beschlossen die Wohnungseigentümer, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, gegen den Mieter mit dem Ziel vorzugehen, die Nutzung der Teileigentumseinheit als Eisdiele zu beenden.

Entscheidung: Unterlassungsanspruch gegen den Mieter

Die Unterlassungsklage gegen den Mieter hat Erfolg. 

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Unterlassungsansprüche der Eigentümer per Mehrheitsbeschluss an sich gezogen und ist damit für deren Geltendmachung zuständig.

Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der von ihm gemieteten Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb.

BGH klärt umstrittene Frage

Bisher war umstritten, ob die Wohnungseigentümer bei einer zweckwidrigen Nutzung einer Sonder- oder Teileigentumseinheit durch einen Mieter direkt gegen den Mieter vorgehen können. Die überwiegende Auffassung bejaht diese Möglichkeit jedenfalls dann, wenn eine vereinbarte Zweckbestimmung im Grundbuch eingetragen ist. Teilweise wird ein Vorgehen gegen einen Mieter auch dann für möglich gehalten, wenn die Nutzung einer mehrheitlich beschlossenen Gebrauchsregelung widerspricht. Demnach könne ein Eigentümer als Vermieter dem Mieter keine weitergehenden Rechte übertragen, als er selbst habe.

Eine andere Auffassung hält ein direktes Vorgehen gegen einen Mieter nicht für möglich. Demnach sollen Vereinbarungen (und erst recht Beschlüsse) nur die Wohnungseigentümer binden, nicht aber Dritte.

Der BGH schließt sich nun der ersten Auffassung an und bejaht einen Unterlassungsanspruch der Wohnungseigentümer aus § 1004 BGB gegen den Mieter eines Sonder- oder Teileigentümers, wenn dieser die Einheit der Zweckbestimmung widersprechend nutzt.

Durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in der Teilungserklärung, z.B. als Laden, wird die zulässige Nutzung dieser Einheit beschränkt, wenn es sich – wie hier – um eine Regelung im Sinne einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handelt. Solche Vereinbarungen wirken zwar zunächst nur zwischen den Wohnungseigentümern, können aber durch Eintragung im Grundbuch zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden. Wenn eine Teilungsvereinbarung wie vom Gesetz vorgesehen im Grundbuch eingetragen wird und eine Zweckbestimmung enthält, wird hierdurch der Inhalt des Sondereigentums ausgestaltet. Dies enthält zwar nicht den Charakter eines absoluten Rechts mit dinglicher Wirkung gegenüber jedermann. Eine der Zweckbestimmung widersprechende Nutzung beeinträchtigt aber das Eigentum der übrigen Wohnungseigentümer; dies nicht nur, wenn der Sondereigentümer seine Einheit zweckwidrig nutzt, sondern auch bei einer zweckwidrigen Nutzung durch einen Mieter.

Nach all dem hat jeder Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch gegen einen Mieter, wenn dieser Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum zweckwidrig nutzt.

Eisdiele stört mehr als Laden

Auch in der Sache ist das Ansinnen, eine Nutzung der als „Laden“ ausgewiesenen Teileigentumseinheit als Eiscafé zu unterlassen, berechtigt. Unter einem Ladenraum werden Geschäftsräume verstanden, in denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten werden, bei denen aber der Charakter einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund steht. Den Betrieb einer Gaststätte umfasst dies regelmäßig nicht.

Bei typisierender Betrachtung stört eine Nutzung als Eisdiele jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Laden, wenn auch Außenflächen in Anspruch genommen werden. Wenn vor der Tür Tische und Stühle stehen, werden die Kunden zum Verweilen und zum Verzehr der angebotenen Waren vor Ort eingeladen. Durch das Rücken von Stühlen und Tischen, dem Klappern mit Geschirr und der Kommunikation der Gäste untereinander entsteht ein höherer Geräuschpegel als bei einem reinen Ladengeschäft.

(BGH, Urteil v. 25.10.2019, V ZR 271/18)

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