Absenden der Ladung zur Eigentümerversammlung kann reichen

Die Gemeinschaftsordnung kann vorsehen, dass das Absenden der Ladung zur Eigentümerversammlung an die jeweils letzte bekannte Adresse für eine ordnungsgemäße Einberufung ausreicht. Dies verstößt nicht gegen AGB-Klauselverbote, denn die Gemeinschaftsordnung unterliegt grundsätzlich nicht der AGB-Kontrolle.

Hintergrund: Gemeinschaftsordnung lässt Absenden der Ladung ausreichen

Die Gemeinschaftsordnung (GO) einer großen Wohnungseigentümergemeinschaft sieht in Ziff. 13.3 zur Einberufung von Eigentümerversammlungen vor:

„Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist.“ 

Mit Schreiben vom 4.9.2015 lud die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung am 25.9.2015 ein. Auf der Versammlung beschlossen die Wohnungseigentümer die Wiederbestellung der Verwalterin.

Gegen diesen Beschluss haben Wohnungseigentümer Anfechtungsklage erhoben mit der Begründung, die Einladung habe mehrere Eigentümer nicht oder nicht rechtzeitig erreicht. Dies stelle einen Einberufungsmangel dar. Die beklagten Wohnungseigentümer meinen hingegen, wegen der Regelung in der Gemeinschaftsordnung komme es für eine ordnungsgemäße Ladung allein auf die rechtzeitige Absendung an.

Vor Amts- und Landgericht hatte die Anfechtungsklage Erfolg. Die Klausel in der Teilungserklärung gelte nur für die Ladung von Wohnungseigentümern, deren Adresse sich geändert habe, im übrigen sei der Zugang der Ladungen maßgeblich.

Entscheidung: Klausel ist wirksam

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Die Regelung in der Gemeinschaftsordnung ist wirksam und gilt für die Ladung aller Eigentümer, sodass die rechtzeitige Absendung der Ladungen an alle Eigentümer ausreicht.

Grundsatz: Auf den Zugang der Ladung kommt es an

Grundsätzlich ist für eine fristwahrende Ladung nicht die Absendung, sondern der Zugang bei den jeweiligen Wohnungseigentümern maßgeblich. Wenn die Ladung einzelnen Wohnungseigentümern infolge von Postversehen nicht zugegangen ist, lässt sich eine Anfechtung hierauf aber nur stützen, wenn sich dies auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben kann. Teilt ein Eigentümer seine Anschrift nicht oder nicht rechtzeitig mit, führt diese Obliegenheitsverletzung dazu, dass die Anfechtung von vornherein nicht auf die fehlende Ladung gestützt werden kann.

Abweichende Regelung: Absenden der Ladung kann ausreichen

Die hier verwendete Klausel trifft eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung. Sie ist so zu verstehen, dass allgemein die rechtzeitige Absendung der Ladungen für eine ordnungsgemäße Einberufung ausreicht. Eine Einschränkung dahingehend, dass dies nur für die Ladung von Wohnungseigentümern gelten soll, die eine Adressänderung nicht angezeigt haben, ist der Klausel nicht zu entnehmen. Sie ist nach ihrem klaren Wortlaut ohne Weiteres auch dann einschlägig, wenn die zuletzt mitgeteilte Adresse (nach wie vor) die richtige ist. 

Die so verstandene Vereinbarung in Ziff. 13.3 GO ist auch wirksam.

Gemeinschaftsordnung unterliegt nicht der AGB-Kontrolle

Insbesondere ist die Klausel nicht wegen Verstoßes gegen AGB-Vorschriften, namentlich § 308 Nr. 6 BGB, unwirksam, denn eine einseitig vorgegebene Gemeinschaftsordnung unterliegt nicht der AGB-Kontrolle gemäß § 307 ff. BGB. Damit folgt der BGH der überwiegenden Ansicht der auf das Wohnungseigentumsrecht bezogenen Rechtsprechung und Literatur. Der im Schrifttum zum AGB-Recht vertretenen Auffassung, die eine analoge Anwendung der §§ 307 ff. BGB auf eine von dem Bauträger vorformulierte Gemeinschaftsordnung für richtig erachtet, erteilt der BGH eine Absage.

Nur in – hier nicht gegebenen – Ausnahmefällen unterliegen Regelungen aus der Gemeinschaftsordnung der AGB-Kontrolle; so, wenn die Gemeinschaftsordnung vorschreibt, dass die Wohnungseigentümer als Verbraucher bestimmte Verträge mit Dritten abschließen müssen oder wenn der Inhalt des Verwaltervertrags zum Bestandteil der Gemeinschaftsordnung gemacht worden ist.

Inhaltskontrolle nach Treu und Glauben

Allerdings unterliegen vom teilenden Eigentümer vorgegebene Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stehen, einer Inhaltskontrolle im Hinblick auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht. Diese Inhaltskontrolle richtet sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB aus.

Nach diesem Prüfungsmaßstab ist die Klausel in der Gemeinschaftsordnung nicht zu beanstanden. Es besteht kein spezifischer Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung, sondern es handelt sich um eine gebräuchliche Klausel, die das Zusammenleben der Wohnungseigentümer regelt.

Gesamtinteresse an einfacher Ladung überwiegt

Die Klausel greift auch nicht in schwerwiegender Weise in das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht als unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht ein. Die Rechte von Eigentümern, deren Ladung trotz rechtzeitiger Absendung auf dem Postweg verloren geht, sind durch die Möglichkeit einer Beschlussanfechtung hinreichend geschützt. Auf der anderen Seite hat die Gesamtheit der Wohnungseigentümer ein gewichtiges Interesse daran, die Ladung zu Eigentümerversammlungen durch eine solche Regelung zu vereinfachen. Da sich der Zugang der Ladungen beim normalen Postversand nicht beweisen lässt, müsste der Verwalter die Ladungen eigentlich per Einschreiben oder per Boten versenden. Der damit verbundene erhebliche Verwaltungs- und Kostenaufwand widerspricht dem Gesamtinteresse der Wohnungseigentümer, zumal damit der Beweis für den Inhalt der Sendungen noch nicht erbracht wäre. Die Fassung rechtssicherer Beschlüsse, an der die Wohnungseigentümergemeinschaft ein elementares Interesse hat, wird daher im Vergleich zur gesetzlichen Regelung erheblich erleichtert.

Das Landgericht muss nun prüfen, ob ein rechtzeitiges Absenden der Ladungen nachweisbar ist.

(BGH, Urteil v. 20.11.2020, V ZR 196/19)


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