Gesellschaft muss nach Wohnungskauf mit Eigenbedarf warten
Hintergrund: Gesellschaft kauft Wohnung und kündigt Mietvertrag
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verlangt vom Mieter einer Wohnung in Frankfurt am Main sowie dessen Familie die Räumung.
Das Mietverhältnis besteht seit 1981. Die Gesellschaft hat das Eigentum an dem Gebäude im Januar 2015 erworben und ist als Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten. Im Mai 2015 kündigte die Gesellschaft das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter. Der Mieter widersprach der Kündigung.
Entscheidung: Erwerber muss Kündigungssperrfrist einhalten
Die Räumungsklage hat keinen Erfolg, denn die Kündigung war unwirksam.
Zwar wäre es der neuen Vermieterin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts an sich möglich, sich nach ihrem Eintritt in den Mietvertrag in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf einen Eigenbedarf ihres Gesellschafters zu berufen.
Die Kündigungsbeschränkung erfordert in diesem Fall nicht, dass der Erwerber beabsichtigt, den vermieteten Wohnraum in Wohnungseigentum umzuwandeln. Mit der Einführung von § 577a Abs. 1a BGB war zwar insbesondere beabsichtigt, die faktische Umgehung des in § 577a Abs. 1 BGB vorgesehenen Kündigungsschutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach dem sogenannten „Münchener Modell“ zu unterbinden. Bei diesem verzichtet eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Erwerb des mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Begründung von Wohnungseigentum und den anschließenden Verkauf von Eigentumswohnungen an Interessenten. Stattdessen kündigt sie den betreffenden Mietwohnraum wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter oder der Miteigentümer und umgeht so die Kündigungssperre des § 577a Abs. 1 BGB. Mit der eingefügten Neuregelung des § 577a Abs. 1a BGB wollte der Gesetzgeber jedoch nicht allein Umgehungen der Sperrfrist nach dem „Münchener Modell“ entgegenwirken, sondern ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehungstatbeständen vorbeugen. Deshalb hat er für ein Eingreifen der Sperrfrist jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder an mehrere Erwerber ausreichen lassen, da sich nach seiner Einschätzung bereits hierdurch das Verdrängungsrisiko für den Mieter erhöht und dieser insoweit eines Schutzes bedarf.
Es verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG, dass nur der Erwerb durch eine Personengesellschaft oder -mehrheit, nicht aber durch eine Einzelperson die Sperrfrist auslöst. Wenn auf Erwerberseite mehrere Personen stehen, erhöht sich für den Mieter das Risiko, wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen zu werden.
(BGH, Urteil v. 21.3.2018, VIII ZR 104/17)
Praxis-Hinweis: Kündigung kann bis zu zehn Jahre ausgeschlossen sein
Die Bundesländer können Gebiete ausweisen, in denen die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum gefährdet ist und die Kündigungssperrfrist dort auf bis zu zehn Jahre verlängern.
§ 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung
(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
(…) .
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.
(…)
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BGH: Eigenbedarf auch für Neu-Gesellschafter möglich
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