Videoüberwachung in WEG unter strengen Voraussetzungen erlaubt
Hintergrund
Eine Wohnungseigentümerin wendet sich dagegen, dass der Eingangsbereich mit einer Videokamera überwacht wird.
Im März 2008 wurde der frisch renovierte Eingangsbereich des Gebäudes durch einen Farbanschlag verunreinigt. Die Eigentümer beschlossen auf einer Eigentümerversammlung am 24.5.2008 mehrheitlich, im Eingangsbereich eine Videoüberwachungsanlage zu installieren. Die Eigentümerin, die nun klagt, stimmte ebenfalls zu.
In dem unangefochten gebliebenen Beschluss ist bestimmt, dass die Videodaten durch ein zertifiziertes Unternehmen ausgelesen werden, „wenn drei Eigentümer für ein und denselben Vorgang mit Schadensfolge oder mit kriminellen Handlungen bei der Verwaltung oder direkt bei einem zugelassenen Unternehmen gemeldet werden." Im Protokoll der Eigentümerversammlung ist der Wunsch festgehalten, die Überwachungsanlage als temporäre Lösung anzusehen.
Mit Hilfe der Aufzeichnungen der Anlage, die in einem abgeschlossenen Raum untergebracht ist, konnte ein Fahrraddiebstahl aufgeklärt werden. Zur Aufklärung eines weiteren Fahrraddiebstahls wurden der Polizei Aufzeichnungen übergeben.
Auf der Eigentümerversammlung am 28.5.2010 wurde der Antrag der Eigentümerin, die Anlage abzubauen, mehrheitlich abgelehnt. Dabei wurde nach dem Protokoll ein Vorteil der Anlage darin gesehen, „einen Überblick wegen Prostitution und bordellartigem Betrieb zu haben“.
Diesen Beschluss hat die Eigentümerin angefochten. Zugleich verlangt sie von den anderen Eigentümern, der Entfernung der Anlage zuzustimmen.
Entscheidung
Die Anlage muss nicht entfernt, aber sofort stillgelegt werden.
1. Kein Anspruch auf Entfernung
Die Entfernung der Anlage kann die Eigentümerin nur verlangen, wenn sich das an sich bestehende Ermessen der Gemeinschaft hierauf reduziert, mithin nur diese Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Die Entfernung der Überwachungsanlage ist nur dann die einzige Möglichkeit, das Gemeinschaftseigentum ordnungsmäßig zu verwalten, wenn eine solche Anlage in einer Eigentumswohnungsanlage überhaupt nicht installiert werden dürfte oder wenn die Voraussetzungen für ihren ordnungsmäßigen Betrieb in der Wohnanlage nicht hergestellt werden könnten. Beides ist nicht der Fall.
Der Einbau einer Videoanlage zur Überwachung von Teilen des Gemeinschaftseigentums ist grundsätzlich zulässig, wenn die Überwachung durch die Gemeinschaft erfolgt und die Voraussetzungen des § 6b BDSG eingehalten sind.
Die Überwachung muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Zudem muss die technische Anlage als bauliche Maßnahme die Anforderungen des § 22 Abs. 1 WEG erfüllen. Hat die Anlage keine optischen oder andere baulichen Nachteile zur Folge, die eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich machten, kommt es allein darauf an, ob die angestrebte Überwachung selbst den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann.
Ordnungsmäßig kann eine Verwaltung des Gemeinschaftseigentums nur sein, wenn sie die für eine Überwachung bestehenden gesetzlichen Vorgaben einhält und dem Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und betroffener Dritter am Schutz ihrer Privatsphäre Rechnung trägt.
Bei der Abwägung der Interessen sind die Wertungen von § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu beachten. In Anlehnung an § 6b BDSG ist die Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft mit einer Aufzeichnung des Geschehens zulässig, wenn ein berechtigtes - konkret und verbindlich festzulegendes - Gemeinschaftsinteresse das Interesse des Einzelnen überwiegt. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Gemeinschaft Straftaten gegen das Gemeinschaftseigentum und gegen die Bewohner abwehren möchte.
Der Umfang der Überwachung muss aber auf das Notwendige beschränkt werden. Entsprechendes gilt für den Umfang der Aufzeichnungen, die Dauer ihrer Aufbewahrung und den Zugriff hierauf. Schließlich müssen die Regeln für den Betrieb der Überwachung durch Beschluss der Wohnungseigentümer verbindlich festgelegt werden, damit der Umfang der Überwachung und ihre Bedingungen für jeden transparent und jederzeit verifizierbar sind.
Da die Erfüllung dieser Voraussetzungen nicht ausgeschlossen ist, hat die Eigentümerin keinen Anspruch darauf, dass die Anlage entfernt wird.
2. Anlage muss stillgelegt werden
Die Anlage muss zwar nicht entfernt, aber sofort stillgelegt werden, denn die Ausgestaltung des Betriebs der Überwachungsanlage wird den dargestellten Anforderungen in keiner Hinsicht gerecht.
Die Zwecke der Überwachung sind schon nicht hinreichend eindeutig festgelegt. Dem Beschluss über die Einrichtung der Anlage lässt sich entnehmen, dass die Überwachung „Schadensfälle und kriminelle Handlungen“ verhindern soll. Ob sich der Zweck der Überwachung darin erschöpft, ist aber nicht gesichert, zumal die Mehrheit der Eigentümer davon ausgeht, dass die Aufzeichnungen auch zu anderen Zwecken eingesetzt werden können, etwa dazu festzustellen, ob in einzelnen Wohnungen Prostitution ausgeübt wird. Die Zwecke müssen aber vorher und verbindlich festgelegt werden.
Unzureichend ist auch die Regelung über den Zugriff auf die Aufzeichnungen. Wem genau und mit welchen Verwendungsbefugnissen die Daten zur Verfügung gestellt werden sollen, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen. Nicht festgelegt ist ferner, wie die Einhaltung von Zugangsvoraussetzungen und Verwendungsbeschränkungen effektiv kontrolliert werden soll.
Auch die übrigen für einen ordnungsmäßigen Betrieb der Anlage erforderlichen Festlegungen lässt der Beschluss vermissen. Das sind Festlegungen zu einem möglichst begrenzten Umfang der angestrebten Überwachung sowie dazu, für welche Zwecke die Aufzeichnungen von wem verwendet werden dürfen, dass sie in einer festzulegenden kurzen Frist zu löschen sind und wie die Einhaltung dieser Vorgaben sichergestellt werden soll.
Ohne solche Regelungen lässt sich eine Beeinträchtigung des geschützten Interesses des einzelnen Wohnungseigentümers an der Wahrung seiner Privatsphäre nicht verhindern. Der Betrieb einer Überwachungsanlage ist unter diesen Umständen mit den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht zu vereinbaren. Er muss eingestellt werden und darf erst wieder aufgenommen werden, wenn die erforderlichen Betriebsregelungen durch Beschluss der Wohnungseigentümer festgelegt sind.
(BGH, Urteil v. 24.5.2013, V ZR 220/12)
§ 6b BDSG Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.
(3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, ist diese über eine Verarbeitung oder Nutzung entsprechend den §§ 19a und 33 zu benachrichtigen.
(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.
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