Verwalter muss Hausgeldansprüche bei Zwangsversteigerung anmelden
Hintergrund: WEG geht bei Versteigerung mangels Anmeldung leer aus
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von der ehemaligen Verwalterin Schadensersatz.
Ein Eigentümer zweier Wohnungen zahlte in den Jahren 2001 bis 2007 Hausgelder von knapp 8.000 Euro nicht. Auf Antrag eines Dritten wurde die Zwangsversteigerung der Wohnungen angeordnet. Im November 2007 wurden die Wohnungen im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens beschlagnahmt.
In einer Eigentümerversammlung im Mai 2008 informierte die Verwalterin über den Stand der Zwangsversteigerung und wies darauf hin, dass die Eigentümergemeinschaft ihre Ansprüche im Zwangsversteigerungsverfahren anmelden muss.
Im August 2008 wurden die Wohnungen versteigert. Eine Anmeldung der offenen Hausgeldforderungen war nicht erfolgt, so dass die gemäß § 10 Abs. 1. Nr. 2 ZVG bevorrechtigten Hausgeldansprüche bei der Verteilung des Versteigerungserlöses nicht berücksichtigt wurden und die WEG leer ausging.
Die WEG nimmt die seinerzeitige Verwalterin wegen des Unterlassens der Anmeldung ihrer Ansprüche auf Schadensersatz in Anspruch.
Entscheidung: Verwalter muss Ansprüche anmelden
Die Verwalterin hätte die bevorrechtigen Hausgeldansprüche der WEG im Zwangsversteigerungsverfahren anmelden müssen, auch ohne Beschlussfassung der Wohnungseigentümer. Das Unterlassen der Anmeldung ist eine Pflichtverletzung, die einen Schadensersatzanspruch begründen kann.
Die Pflicht zur Anmeldung der Ansprüche der Gemeinschaft im Zwangsversteigerungsverfahren ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG, wonach der Verwalter unter anderem berechtigt und verpflichtet ist, Lasten- und Kostenbeiträge anzufordern. Das erfasst auch die Verpflichtung, für eine Anmeldung bevorrechtigter Hausgeldansprüche zu sorgen, wenn von Dritten die Zwangsversteigerung in das Wohnungseigentum des Schuldners betrieben wird.
Die Anmeldung bevorrechtigter Ansprüche ist in § 45 ZVG bewusst einfach ausgestaltet worden, um Wohnungseigentümergemeinschaften die Rechtsverfolgung zu vereinfachen. Eines Titels bedarf es nicht zwingend. Die Ansprüche können auch durch Versammlungsprotokolle, aus denen sich die Beschlussfassungen über Wirtschaftspläne, Jahresabrechnungen oder Sonderumlagen ergeben, oder in sonst geeigneter Weise glaubhaft gemacht werden; nur müssen sich aus dem Vorbringen die Zahlungspflicht, die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit ergeben.
Mit wirtschaftlichen Risiken ist die Anmeldung nicht verbunden. Weder fallen Gebühren an noch müssen Vorschüsse geleistet werden. Weil die bevorrechtigten Ansprüche den Rechten der nachfolgenden Rangklassen - insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten - vorgehen, wird der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Regel eine effektive Rechtsdurchsetzung ermöglicht.
Die Anmeldung der bevorrechtigen Ansprüche durch den Verwalter ist auch wegen des zeitlichen Ablaufs der Zwangsversteigerung geboten. Werden die Ansprüche nicht spätestens im Versteigerungstermin angemeldet, tritt ein Rangverlust ein. Müsste der Verwalter zuvor zwecks Beschlussfassung über die Anmeldung eine (außerordentliche) Eigentümerversammlung einberufen, wäre die rechtzeitige Anmeldung gefährdet. Außerdem stünden die Kosten einer Versammlung außer Verhältnis zum geringen Aufwand der Anmeldung.
Dagegen darf der Verwalter auf die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens (§ 15 ZVG) oder einen Beitritt (§ 27 ZVG) bezogene Anträge schon wegen der entstehenden Gerichtsgebühren und gegebenenfalls anfallenden Sachverständigenkosten nicht eigenmächtig stellen. Kommt in Betracht, dass die in § 10 Abs. 3 ZVG geregelten, zusätzlichen Voraussetzungen für einen eigenen Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegen, ist der Verwalter jedoch regelmäßig verpflichtet, die Wohnungseigentümer über diese Möglichkeit zu informieren und eine Beschlussfassung über das weitere Vorgehen beziehungsweise über das Einholen von Rechtsrat herbeizuführen.
(BGH, Urteil v. 8.12.2017, V ZR 82/17)
BGH-Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht
Bevorrechtigte Ansprüche der Eigentümergemeinschaft
Folgende Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft sind bei der Zwangsversteigerung eines Wohnungseigentums vorrangig gegenüber den Ansprüchen anderer Gläubiger:
- Nachforderungsbeträge aus der beschlossenen Jahresabrechnung
- zu zahlende Hausgeldvorschüsse aufgrund eines beschlossenen Wirtschaftsplans
- Beiträge zur Instandhaltungsrücklage
- fällige Beiträge zu einer beschlossenen Sonderumlage
Der Vorrang ist auf die laufenden sowie die rückständigen Beiträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten beiden Kalenderjahren begrenzt sowie der Höhe nach auf maximal 5 Prozent des für die Zwangsversteigerung festgesetzten Verkehrswerts des betroffenen Wohnung- oder Teileigentums.
Gesetzliche Grundlagen
§ 10 ZVG
(1) Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück gewähren nach folgender Rangordnung, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
...
2. bei Vollstreckung in ein Wohnungseigentum die daraus fälligen Ansprüche auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums, die nach § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2 und 5 des Wohnungseigentumsgesetzes geschuldet werden, einschließlich der Vorschüsse und Rückstellungen sowie der Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer. Das Vorrecht erfasst die laufenden und die rückständigen Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Jahren. Das Vorrecht einschließlich aller Nebenleistungen ist begrenzt auf Beträge in Höhe von nicht mehr als 5 vom Hundert des nach § 74a Abs. 5 festgesetzten Wertes. Die Anmeldung erfolgt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer werden von diesen angemeldet;
...
(3) Zur Vollstreckung mit dem Range nach Absatz 1 Nr. 2 müssen die dort genannten Beträge die Höhe des Verzugsbetrages nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes übersteigen; ... . Für die Vollstreckung genügt ein Titel, aus dem die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung, die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit zu erkennen sind. Soweit die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit nicht aus dem Titel zu erkennen sind, sind sie in sonst geeigneter Weise glaubhaft zu machen.
§ 45 ZVG
(1) Ein Recht ist bei der Feststellung des geringsten Gebots insoweit, als es zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerks aus dem Grundbuch ersichtlich war, nach dem Inhalt des Grundbuchs, im übrigen nur dann zu berücksichtigen, wenn es rechtzeitig angemeldet und, falls der Gläubiger widerspricht, glaubhaft gemacht wird.
...
(3) Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 sind bei der Anmeldung durch einen entsprechenden Titel oder durch die Niederschrift der Beschlüsse der Wohnungseigentümer einschließlich ihrer Anlagen oder in sonst geeigneter Weise glaubhaft zu machen. Aus dem Vorbringen müssen sich die Zahlungspflicht, die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit ergeben.
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