Yardi ist auf einer Plattform tätig: Ist das Thema Start-ups trotzdem wichtig?
Gerritsen: Es ist ein Thema. Denn viele PropTechs haben eine kluge App oder ein Stück Funktionalität, das die Prozesse ein bisschen optimiert. Das ist gut. Doch das bisschen Verbesserung führt oft zu vielen Schnittstellen. Das wird schnell sehr komplex. Deshalb ist unsere Philosophie auf Projekt- wie auf Portfolioebene: Alles muss auf die Yardi-Plattform. Aber natürlich suchen wir uns auch Partner, wenn es um kluge Technologie geht.
Haben Sie in der letzten Zeit Unternehmen aufgekauft?
Gerritsen: Ja, denn in Amerika liegt ein starker Fokus auf Energy Management.
Dabei ist auch hier noch viel zu tun.
Gerritsen: Stimmt. In Amerika ist das normal, dass jeden Monat direkt verbrauchsabhängig bezahlt wird. Das ist sehr zu begrüßen. Wenn ich zu viel verbrauche, dann kann ich sofort etwas tun und nicht erst 18 Monate später. Mit einem bisschen Technologie kann man sehr viel erreichen.
Die beste Schnittstelle ist keine Schnittstelle
Herr Schulmann, mit welchen Start-ups arbeiten Sie zusammen? Oder sehen Sie sich selber noch als Start-up?
Schulmann: In der Wohnungswirtschaft ist die Zeit, in der man noch Start-up genannt wird, leider länger als in anderen Branchen. Insofern sind wir in der Tat eine Mischung von beidem. Aber wir machen auch beides. Ich pflichte Herrn Gerritsen bei: Die beste Schnittstelle ist gar keine Schnittstelle. Das ist aber leider nicht die Realität eines ERP-Herstellers. Als wir 20 Mitarbeiter waren, dachten wir, wenn wir mal 100 Leute sind, dann haben wir genügend Leute für alles. Heute glaube ich, dass mit den Kapazitäten auch die Anforderungen wachsen.
Warum?
Schulmann: Weil halt einfach auch die Aufgaben mit dem Personal wachsen. Es wird immer wieder kleine Schnellboote geben in Richtung process excellence, die sich nun mal leichter bewegen als ein Riesenschiff, das mit Anforderungskatalogen befrachtet ist. In einer Hybridstrategie entwickeln wir somit die Kernbereiche selber weiter, sind aber auch offen für Partnerlösungen, gerade in diesem relativ schnell wuchernden Bereich der PropTechs.
Wie zufrieden sind Sie mit ihnen?
Schulmann: Von ihnen sind nur 10 Prozent High Potentials, das stimmt. Viele laufen nur zwei Jahre mit Geld aus dem angelsächsischen Raum und verschwinden schnell wieder vom Markt. Da sind wir im ERP-Bereich noch stabile Eichen des Systems. Wenn wir keine Fehler in der Geschäftsstrategie machen, wird es unser Geschäft noch lange geben. ERP-Systeme sind vielleicht langweilig, aber sie sind die Pflicht. PropTechs sind spannend, am Ende jedoch meist nur die Kür der Prozesse.
Dr. Westphal, wie sieht Ihre Konzernhaltung dazu aus?
Dr. Westphal: Wir sind grundsätzlich open, also offen, das ist Teil unserer Unternehmens-DNA und gilt gleichermaßen für alle Unternehmen der Nemetschek Group. Insofern schauen wir uns diese Unternehmen regelmäßig an und prüfen die Zusammenarbeit. Wir finden es klasse, wenn es Menschen gibt, die tolle Ideen haben, wie die Branche besser arbeiten kann und diese auch umsetzen. Überlegen Sie einmal: Wenn etwa die Immobilienbewertung über eine App zu 99 Prozent genau ist, warum sollte man dann noch teure Gutachten schreiben lassen.
Angst vor Disruption?
Haben Sie keine Angst, disruptiert zu werden?
Dr. Westphal: Warum sollte die Disruption ausgerechnet um die Immobilienbranche einen großen Bogen machen? Mir fällt kein einziger Grund ein. Insofern sind wir natürlich auf der Hut, auch wenn es uns schwer fällt, die Ansätze der heutigen PropTechs, die in erster Linie ergänzend zu dem klassischen ERP-System zu sehen sind, als echte Gefahr anzusehen. Das bedeutet aber nicht, dass irgendwann ein bis dato unbekanntes Unternehmen aus dem Gebüsch gesprungen kommt und uns disruptiert. Viel besser gefällt mir aber der Gedanke, dass wir uns selber disruptieren, also an der radikalen Änderung unseres Geschäftsmodells selbst aktiv mitarbeiten.