Stimmrecht in der Eigentümerversammlung bei Allein- und Miteigentum
Hintergrund
In einer aus drei Einheiten bestehenden Wohnungseigentumsanlage gehört die Einheit Nr. 1 den Eigentümern A und B gemeinschaftlich und die Einheit Nr. 2 den Eigentümern C und D je zur Hälfte; die Einheit Nr. 3 gehört allein C.
Die Eigentümer C und D luden zu einer Eigentümerversammlung. In der Versammlung, in der nur C und D anwesend waren, wurden die Bestellung eines Verwalters sowie der Abschluss eines Verwaltervertrages beschlossen.
A und B haben gegen beide Beschlüsse Anfechtungsklage erhoben. Zur Begründung führten sie an, die anderen Eigentümer hätten nicht eigenmächtig zur Versammlung laden dürfen. Außerdem sei die erforderliche Mehrheit für die Beschlüsse nicht erreicht gewesen, weil C und D gemeinsam nur eine Stimme zustehe.
Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.
Die Beschlüsse haben die erforderliche Mehrheit unabhängig davon gefunden, ob C und D eine oder zwei Stimmen zustehen. Denn die für die Bestellung des Verwalters und den Abschluss des Vertrags mit ihm erforderliche Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Da nur C und D an der Versammlung teilgenommen haben, war die Mehrheit auch dann erreicht, wenn diese insgesamt nur eine Stimme hätten.
Auch daraus, dass C und D nicht eigenmächtig zu der Versammlung hätten einladen dürfen, ergibt sich kein Anfechtungsgrund, denn dieser Beschlussmangel hat sich nicht auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Gemeinschaft wäre die Abstimmung nicht anders ausgefallen, wenn C und D eine gerichtliche Ermächtigung zur Einladung oder eine Verurteilung von A und B, einer Einladung zuzustimmen oder an ihr mitzuwirken, erwirkt hätten. Denn C und D haben zwei Stimmen, während A und B gemeinschaftlich nur eine Stimme haben.
Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme (Kopfprinzip), es sei denn, die Teilungserklärung sieht etwas anders vor. Das gilt auch, wenn ihm nicht nur eine, sondern mehrere Wohnungen gehören.
Wohnungseigentümer und damit Träger des Stimmrechts ist derjenige, der im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Deshalb bestehen mehrere Stimmrechte, wenn mehrere Wohnungen nur teilweise identischen Miteigentümern gehören oder wenn wie hier der Miteigentümer einer Wohnung zugleich Alleineigentümer einer anderen Wohnung ist. Wohnungseigentümern, denen ein Wohnungseigentum gemeinschaftlich gehört, steht hierfür gemeinsam ein Stimmrecht zu, das sie nur einheitlich ausüben können.
(BGH, Urteil v. 20.11.2020, V ZR 64/20)
Praxis-Beispiele zum Stimmrecht in der Eigentümerversammlung
Beispiel 1 (in Anlehnung an obigen Fall)
A und B sind Miteigentümer von Wohnung 1
C und D sind Miteigentümer von Wohnung 2
C ist Alleineigentümer von Wohnung 3Sie haben bei Geltung des Kopfprinzips folgende Stimmrechte:
A und B – 1 gemeinschaftliche Stimme als Miteigentümer
C und D – 1 gemeinschaftliche Stimme als Miteigentümer
C – 1 Stimme (als Alleineigentümer)Beispiel 2
Wie Beispiel 1, zusätzlich gibt es eine vierte Wohnung, deren Miteigentümer C, D und E sind. Dann haben diese zusätzlich zu den in Beispiel 1 genannten Stimmen eine gemeinschaftliche Stimme als Miteigentümer.
Beispiel 3
A ist Alleineigentümer von Wohnung 1
B ist Alleineigentümer der Wohnungen 2, 3 und 4
A und B sind Miteigentümer von Wohnung 5Sie haben bei Geltung des Kopfprinzips folgende Stimmrechte:
A – 1 Stimme (als Alleineigentümer)
B – 1 Stimme (als Alleineigentümer, unabhängig von der Zahl seiner Wohnungen)
A und B – 1 gemeinschaftliche Stimme als Miteigentümer
Lesen Sie zum Stimmrecht auch:
BGH: Stimmverbot in der WEG bei Geschäften mit einer Gesellschaft
BGH: Zum Ausschluss vom Stimmrecht in der Eigentümerversammlung
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