Geringere Verkehrssicherungspflicht auf Abkürzung

Für einen Privatweg, den Passanten mit Kenntnis des Eigentümers unbefugt als Abkürzung nutzen, gilt nicht dieselbe Verkehrssicherungspflicht wie für einen öffentlichen Weg.

Hintergrund: Auf Abkürzung gestürzt

Der Kläger verlangt von einer Wohnungseigentümergemeinschaft Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er behauptet, bei Schnee und Eis auf einem Garagenvorplatz der WEG gestürzt zu sein und sich hierbei erhebliche Verletzungen zugezogen zu haben. Der Garagenvorplatz schließt unmittelbar an eine öffentliche Straße an. Fußgänger, die mit den Garagen und der WEG nichts zu tun haben, nutzen den Vorplatz regelmäßig als Abkürzung.

Am Tag des Sturzes waren weder der Garagenvorplatz noch der angrenzende Gehweg von Schnee und Eis geräumt.

Der Kläger meint, die WEG habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und müsse daher für die Folgen des Sturzes aufkommen.

Entscheidung: Keine Räum- und Streupflicht auf Schleichweg

Die Klage hat keinen Erfolg. Der WEG ist keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen.

Zwar kann eine tatsächliche Duldung der Nutzung eines Privatgrundstücks durch Unbefugte genügen, um Sicherungspflichten auch auf Benutzer eines Grundstücks zu erstrecken, die dieses zwar im Grundsatz unbefugt nutzen, aber geduldet werden. Der Grundsatz, dass Verkehrssicherungspflichten nicht gegenüber Personen gelten, die sich unbefugt auf einem Grundstück aufhalten, gilt dann nicht, wenn der Verkehrssicherungspflichtige erkennen kann, dass die Beschränkungen der Verkehrswidmung nicht beachtet werden. Damit ist aber noch nichts über den Umfang der hierdurch grundsätzlich ausgelösten Verkehrssicherungspflichten gesagt.

An den Inhalt der Sicherungspflichten dürfen bei bloßer Duldung privaten Verkehrs keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Die Anforderungen, die an die konkreten Sicherungsmaßnahmen auf einem dem allgemeinen (Fußgänger-)Verkehr gewidmeten öffentlichen Gehweg gestellt werden, können hierauf nicht übertragen werden. Vielmehr muss der unbefugte Nutzer die private Verkehrsfläche grundsätzlich so hinnehmen, wie er sie vorfindet. Daher besteht in der Regel keine Räum- und Streupflicht für private Wege, die rein der Abkürzung oder Bequemlichkeit dienen.

Eine Verletzung der Räum- und Streupflicht kann der WEG auch nicht deshalb vorgeworfen werden, weil der angrenzende öffentliche Gehweg nicht geräumt war. Dies würde nämlich bedeuten, dass die Verkehrssicherungspflicht, die für die öffentlichen Flächen gilt, auf private Grundstückseigentümer übertragen würde.

(OLG Hamm, Urteil v. 16.5.2013, 6 U 178/12)
 

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