Berliner Mietendeckel: "Stufe zwei" tritt in Kraft
Nachtrag: Mit einem am 15.4.2021 veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Regelungen sind daher nicht anwendbar.
Das Berliner Mietendeckel-Gesetz (MietenWoG) gilt seit dem 23.2.2020. Seitdem sind in der Stadt die Mieten für rund eineinhalb Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Die zweite Stufe des MietenWoG tritt zum 23. November in Kraft. Dann müssen Vermieter ihre Mieten senken, soweit diese mehr als 20 Prozent über den vom Senat festgelegten Obergrenzen liegen.
Berlins Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Die Linke) geht davon aus, dass etwa 340.000 Wohnungen überhöhte Mieten aufweisen, die gesenkt werden müssen. "Wird der Vermietende nicht von alleine tätig, setzt die Verwaltung den Anspruch der Mieterinnen und Mieter durch", so Scheel. Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten, müssen mit Bußgeldern zwischen 1.000 und 2.000 Euro pro Wohnung rechnen.
Bußgelder drohen auch Verwaltern, "wenn die Mieten auf dem Verwalterkonto eingehen", warnt Rechtsanwalt Dr. Michael Schultz, Partner der Kanzlei Müller Radack Schultz. Er rät Vermietern, den Mietern zeitnah die reduzierte Miethöhe mitzuteilen und gleichzeitig klar zu stellen, dass die bisher zulässige Miete weiter die vereinbarte Miete bleibt, sie aber nur wegen des MietenWoG vorerst nicht gefordert wird. Ob zu viel Miete verlangt wird oder nicht, können Vermieter über einen sogenannten Mietendeckel-Rechner herausfinden, den die Senatsverwaltung online gestellt hat.
Ob das Mietendeckel-Gesetz Bestand haben wird, muss letztlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hauptverfahren entscheiden. Kippt das Gericht das MietenWoG, können Vermieter den gesenkten Betrag nachträglich verlangen.
Endgültiges BVerfG-Mietendeckel-Urteil 2021 erwartet
Ein Berliner Vermieter – Gesellschaft bürgerlichen Rechts – wollte Ende Oktober noch per Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht erreichen, dass die zweite Stufe nach dem Mietendeckelgesetz ausgesetzt wird. Den Eilantrag lehnten die Karlsruher Richter jedoch ab. Ein schwerer Nachteil von besonderem Gewicht sei in dem Eilantrag nicht dargelegt, teilte das BVerfG am 29. Oktober (Az. 1 BvR 972/20) mit – auch nicht für die betroffenen Vermieter insgesamt.
Das Bundesverfassungsgericht will laut einer Mitteilung des Berliner Verfassungsgerichtshofs bis zum Sommer 2021 endgültig über den Mietendeckel entscheiden. Bundestagsabgeordnete von FDP und CDU wollen das Mietendeckel-Gesetz komplett stoppen und hatten eine Normenkontrollklage beim BVerfG eingereicht: In Karlsruhe geht es dann um die Frage, ob das Land Berlin überhaupt solche Gesetze erlassen darf oder ob dies ausschließlich Sache des Bundes ist.
Nachtrag: Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig und nichtig erklärt.
Parallel hatten die Berliner Fraktionen von CDU und FDP sowie Marcel Luthe (fraktionslos) am 25. Mai Klage beim Verfassungsgerichtshof auf Landesebene eingereicht: Sie kritisieren vor allem den Eingriff in die Grundrechte der Eigentümer. Das Berliner Verfahren wurde mittlerweile ausgesetzt, bis das BVerfG endgültig entscheidet. Die Anwälte des Senats hatten zuvor angeregt, auf eine Grundsatzentscheidung aus Karlsruhe zu warten.
Mietendeckel-Entscheidungen von unteren Instanzen
Entscheidungen gefällt haben in Streitfragen rund um den Mietendeckel bislang nur Berliner Amtsgerichte und verschiedene Kammern des Landgerichts (LG) Berlin mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen: Von "der Mietendeckel ist verfassungsgemäß" (LG Berlin Urteil vom 31.07.2020 - 66 S 95/20) bis "das Gesetz zur Mietenbegrenzung ist kompetenzrechtswidrig" (LG Berlin Beschluss vom 06.08.2020 - 67 S 109/20).
Die 66. Kammer des Berliner Landgerichts stufte das Mietendeckel-Gesetz in seinem Urteil vom 31. Juli zwar als verfassungsgemäß ein, hält aber die sogenannte Stichtagsregelung für unwirksam, die Mieterhöhungen rückwirkend zum 18.6.2019 verbietet.
Der im Gesetz enthaltene Stichtag stelle zwar einen materiell maßgeblichen Bezugspunkt für die Ermittlung der absolut zulässigen Miethöhe dar, begründete das Gericht. Die Mietobergrenzen gelten somit erst seit Inkrafttreten des Gesetzes am 23.2.2020. Mieterhöhungen über die Obergrenzen hinaus sind nach Auffassung des Gerichts erst nach diesem Zeitpunkt verboten.
Die Mietendeckel-Regeln im Überblick
Das Berliner Mietendeckel-Gesetz, wie es also erst einmal weiterhin gilt, ist auf fünf Jahre befristet. Betroffen sein werden die Mieten für zirka eineinhalb Millionen nicht preisgebundene Wohnungen. Die meisten Mieten wurden auf dem Niveau vom 18.6.2019 eingefroren – also an dem Tag, an dem der Senat erste Eckpunkte beschlossen hatte.
Bei Wiedervermietung müssen sich Vermieter grundsätzlich an neue Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Die Obergrenzen orientieren sich am Berliner Mietspiegel von 2013 plus Inflationsausgleich von 13,4 Prozent. Das entspricht nach Angaben der Koalition den gestiegenen Einkommen in Berlin seit 2013. Damals galt der Wohnungsmarkt laut Senatsverwaltung noch als gesund. Der Mietspiegel 2019 gilt mit Einführung des Mietendeckels nicht mehr.
Das ist die Berliner Mietentabelle: Obergrenzen (ohne Zu- und Abschläge)
Erstmalige Bezugsfertigkeit und Ausstattung | Mietpreis pro Quadratmeter |
bis 1918 Sammelheizung und Bad | 6,45 Euro |
bis 1918 Sammelheizung oder Bad | 5,00 Euro |
bis 1918 ohne Sammelheizung / Bad | 3,92 Euro |
1919 bis 1949 Sammelheizung und Bad | 6,27 Euro |
1919 bis 1949 Sammelheizung oder Bad | 5,22 Euro |
1919 bis 1949 ohne Sammelheizung / Bad | 4,59 Euro |
1950 bis 1964 Sammelheizung und Bad | 6,08 Euro |
1950 bis 1964 Sammelheizung oder Bad | 5,62 Euro |
1965 bis 1972 Sammelheizung und Bad | 5,95 Euro |
1973 bis 1990 Sammelheizung und Bad | 6,04 Euro |
1991 bis 2002 Sammelheizung und Bad | 8,13 Euro |
2003 bis 2013 Sammelheizung und Bad | 9,80 Euro |
Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Berlin
Konkret sind Mietobergrenzen (je nach Ausstattung und Alter der Wohnung) zwischen 5,65 und 9,80 Euro pro Quadratmeter für alle Wohnungen vorgesehen. Kompliziert wird es, weil auf die Mietobergrenzen noch Zu- oder Abschläge etwa auf Basis der Lage möglich sind: Für einfache Lagen sind das minus 28 Cent pro Quadratmeter, für mittlere Lagen minus neun Cent und für gute Lagen plus 74 Cent pro Quadratmeter. In Gebäuden mit maximal zwei Wohnungen erhöht sich die Obergrenze um einen Zuschlag von zehn Prozent und für Wohnraum mit moderner Ausstattung um einen Euro pro Quadratmeter.
Mieter können gegen "überhöhte Mieten" klagen – das ist der Fall, wenn die in der Tabelle festgelegten Obergrenzen um mehr als 20 Prozent überschritten werden. Zu viel gezahltes Geld kann zurückgefordert werden. Dieser Teil des Gesetzes tritt am 23.11.2020 in Kraft. Bei Verstößen gegen den Mietendeckel werden Bußgelder in Höhe von bis zu 500.000 Euro fällig.
Ab dem Jahr 2022 dürfen die Mieten zum Inflationsausgleich um bis zu 1,3 Prozent pro Jahr steigen, soweit hierdurch die Tabellenwerte nicht überschritten werden. Vermieter, die sehr niedrige Mieten verlangen, können bei Wiedervermietung unter bestimmten Voraussetzungen um einen Euro pro Monat auf bis zu 5,02 Euro je Quadratmeter erhöhen. Erlaubt sind Mieterhöhungen oberhalb der gesetzlichen Grenzen dann, wenn sonst "dauerhafte Verluste" oder eine Substanzgefährdung der "maßgeblichen Wirtschaftseinheit" drohen ("Härtefall"-Regelung).
Ausgenommen vom Mietendeckel sind Wohnungen, die ab dem 1.1.2014 bezugsfertig wurden, auch öffentlich geförderte Wohnungen und Wohnungen, die mit staatlichen Fördermitteln modernisiert oder saniert wurden – oder "sonst dauerhaft unbewohnbarer und unbewohnter ehemaliger Wohnraum, der mit einem dem Neubau entsprechenden Aufwand wiederhergestellt wird".
Mietendeckel: Rechtsgutachten liegen "en masse" vor
Zahlreiche juristische Gutachten wurden in Auftrag gegeben:
- Das Gutachten "Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels?" hat der GdW im September 2019 beim ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Hans-Jürgen Papier, in Auftrag gegeben.
- Papier ergänzte in einem zweiten Gutachten, dass der geplante Mietendeckel nicht nur formell, sondern auch materiell verfassungswidrig sei.
- Es fehle "eindeutig" an der Gesetzgebungskompetenz der Länder, kommentierte die Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft in der Abhandlung "Der geplante Mietendeckel in Berlin ist nichtig!" das Berliner Gesetz, das so bislang einmalig in der Bundesrepublik ist.
- Ein im Auftrag der Berliner SPD-Fraktion erarbeitetes Expertengutachten sieht die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern.
- Ebenso hat ein Rechtsgutachten im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung keine Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietendeckels.
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Zwar ist die Miete vom Stichtag maßgeblich..(bis hierhin klar..)
".. wird aber eine Wohnung nach dem Stichtag erstmalig oder wieder vermietet, ist die dann vereinbarte Miethöhe maßgeblich."
Ich kann keine Stelle im Gesetz finden, die enthält, dass "die dann vereinbarte Miethöhe maßgeblich" ist und nicht die Stichtagsmiete.
Vielleicht können Sie hier die Fundstelle bzw. die Quelle zu dieser Auffassung veröffentlichen, bzw. worauf dies beruht.
Eine Quelle hierfür wäre überaus hilfreich, da der Sachverhalt beim der Wiederver-/ oder Anmietung von Wohnungen von großer Bedeutung ist.
vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir haben einen Link zum Gesetz eingefügt. Sie finden ihn unter der Tabelle zu den Obergrenzen. Die Information, nach der Sie suchen, steht in § 3 Abs. 2 des Gesetzes.
Beste Grüße
Ihre Haufe Onlineredaktion
Den Inflationsausgleich von 13,5% kann ich im Gesetzestext leider nicht finden.
vielen Dank für Ihren Hinweis! Die für den Berliner Mietendeckel festgelegten Obergrenzen für Mietpreise (siehe Tabelle) ergeben sich aus dem Berliner Mietspiegel 2013 plus Inflationsausgleich in Höhe von 13,4%. Die 13,4% entsprechen der Reallohnentwicklung zwischen 2012 und 2019. Sie finden sie Angabe in der Gesetzesbegründung ab Seite 29: http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-2347.pdf
Wir haben den entsprechenden Abschnitt der News überarbeitet.
Beste Grüße
Ihre Haufe Onlineredaktion