ChatGPT hat es als erste Künstliche Intelligenz (KI) geschafft, Technik-, Wirtschafts- und Feuilletonredaktionen über Wochen zu beschäftigen. Was mir zu denken gibt, sind die Reaktionen auf den Chatbot. Die einen lassen sich begeistern von seiner "Magie". Bei anderen löst er einen Realitätsschock und Existenzängste aus: "So weit ist Künstliche Intelligenz schon! Wird sie bald meinen Job übernehmen?" Wir sollten die Entwicklung besser nüchtern und sachlich einordnen, anstatt in Schwärmerei, Panik oder Hysterie zu verfallen. Was also steckt hinter der KI ChatGPT? Welche Bedeutung hat sie für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft?
1. Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben
ChatGPT kam nicht wie ein Deus ex Machina auf uns, sondern ist eine fortschrittliche KI, die in jahrelanger Arbeit vom US-amerikanischen Unternehmen Open AI entwickelt wurde, bevor sie unter Verzicht auf jegliche Magie mit Texten und Informationen gefüttert wurde. Sie ist keine Bedrohung für die Menschheit, sondern ein Werkzeug. "Als Künstliche Intelligenz wurde ich programmiert, um menschenähnliche Konversationen zu führen und Fragen zu beantworten", antwortet ChatGPT auf die Frage nach ihrem Zweck. Mit der KI kann man schlüssige Dialoge führen, sie merkt sich den Konversationsverlauf. Wie gut das funktioniert und wie ChatGPT Hilfe leistet, kann jeder kostenlos ausprobieren.
Wenn solche technologischen Neuerungen auftauchen, spielt sich oft ein Muster ab: Anfangs sind Erwartungen und Euphorie groß, doch mit zunehmendem Gebrauch verblasst die Faszination. In den Vordergrund tritt der langfristige Nutzen. So ist das Fitnessarmband am Ende keine smarte Spielerei mehr, sondern dazu da, Trainingseffekte zu kontrollieren. Nicht anders bei ChatGPT. Was sich da auf der simplen Oberfläche tut, wenn man eine Frage eingibt, erscheint zunächst frappierend, bis man ausgetestet hat, was die KI wirklich für einen tun kann. Was funktioniert, nutzt man wieder. Nicht umsonst wird ChatGPT immer wieder zur Erledigung von Hausaufgaben herangezogen, zum Leidwesen von Lehrerinnen, Lehrern und Eltern.
Was ist Künstliche Intelligenz? Der englische Begriff "Artificial Intelligence" (AI) wurde bereits Mitte der 1950er Jahren von einer Gruppe Informatiker um John McCarthy geprägt. Er steht für die maschinelle Simulation von Lernen und anderen Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz, wie Sprachverständnis und Sprachgeneration, Abstraktion oder Kreativität. Damit Künstliche Intelligenz zum Beispiel komplexe Entscheidungen treffen oder Probleme lösen kann, wird sie mit umfangreichem Datenmaterial trainiert. Steigende Rechenleistungen und maschinelles Lernen haben große Fortschritte in die Entwicklung gebracht, menschliche Leistungen werden schon in vielen Bereichen übertroffen. Ein Beispiel dafür ist das Schachprogramm AlphaZero von DeepMind. Das künstliche neuronale Netzwerk wurde weder mit Strategien noch mit Partien gefüttert, noch kannte es den Wert von Spielfiguren oder Stellungen, sondern im Prinzip nur die Regeln. AlphaZero lernte durch eigene Erfahrung: Es brachte sich das Königsspiel durch intensives Spielen gegen sich selbst bei. |
2. KI kann Schmerzpunkte wie den Fachkräftemangel lindern
Angesichts des Fachkräftemangels und der zunehmenden Komplexität der Anforderungen und gesetzlichen Vorgaben – Stichwort ESG – ist KI für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft ein Segen. Wir bei der Haufe Group verfolgen die Entwicklung, um herauszufinden, welche konkreten Chancen sie unseren Kund:innen eröffnet. Wo lässt sich die Technologie sinnvoll und professionell einsetzen? Wo erzeugt sie echte Mehrwerte?
Mit KI lassen sich auch anspruchsvolle und nicht unbedingt lineare Prozesse automatisieren. Chatbots im Kundenservice könnten eines Tages komplexere Anfragen lösen. Auswertung und Steuerung von Energiedaten, Planung und Risikobewertung von Bauprojekten, Formulierung vertraglicher Regelungen – viele Anwendungsfälle sind denkbar. Daher stehen einige Unternehmen der Technologie auch offen gegenüber. Sinnvollerweise werden die Mitarbeitenden von Aufgaben entlastet, um sie flexibler und vor allem dort einzusetzen, wo sie ihre individuellen Fähigkeiten ausspielen können: Kreativität, Verhandlungsgeschick oder Beratungskompetenz.
3. Auch eine KI stößt an Grenzen
Und was kann die KI nicht? Füttert man zum Beispiel ChatGPT mit den notwendigen Fakten, erstellt sie professionelle Bewerbungsschreiben. Was fehlt ist die persönliche Note. Dort, wo es auf individuelle Erfahrungen, Meinungsstärke oder Emotionen ankommt, bleibt die Maschine hinter den menschlichen Fähigkeiten zurück. Eine KI hat keine Persönlichkeit. Sie handelt nicht so intuitiv und flexibel wie wir. Daher muss auch niemand Angst haben, von einer KI "geklont" zu werden. Daher wird sie nie das persönliche Gespräch komplett ersetzen.
Die einer Technologie eingeschriebenen Grenzen zu erkennen, ist gerade wichtig, wenn eine KI so perfekt formuliert und plausibel argumentiert wie ChatGPT. Denn dann ist man schnell geneigt, ihr alles abzunehmen.
4. Vertrauen wird zur wichtigen Währung
Denn als Informationsmedium ist ChatGPT – derzeit noch – eine Black Box. Woher die Informationen stammen, kann der User im Detail nicht nachvollziehen, auf Nachfragen nennt sie eher vage oder mehrere Quellen gleichzeitig. Sie gibt auch unsinnige Antworten aus. Dazu kommt das schnell veraltete Wissen, das nur bis ins Jahr 2021 reicht. Um die Qualität der Antworten zu beurteilen – erscheinen sie plausibel und korrekt, oder sind sie womöglich irreführend, verkürzt oder gar falsch – braucht der User Medien- und inhaltliche Kompetenz.
Nachträgliche Kontrollen und Recherchen sind dann nicht mehr notwendig, wenn sich eine KI ausschließlich auf verlässliche Inhalte stützen kann, wie sie etwa unsere wohnungs- und immobilienwirtschaftlichen Fachdatenbanken vereinen. Ihr umfassender Content wurde von Expertinnen und Experten erstellt und ist sorgfältig geprüft. Womit sich ein weiterer konkreter Anwendungsfall aufdrängt: Ein individuelles Informationsbedürfnis wird in wenigen Sekunden durch eine KI befriedigt, die die Recherche in der Datenbank übernimmt und bedarfsgerechte, exakte und verständliche Antworten oder Zusammenfassungen liefert.
5. Eine kluge Aufgabenverteilung muss sein
Mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung schwinden die Einwirkungsmöglichkeiten durch den Menschen. Aber darf man Entscheidungen an den Algorithmus übertragen? Welche Rolle spielt dann noch der Mensch? Die sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen Nutzer und Maschine ist etwas, worüber wir als Dienstleister immer nachdenken. Es spricht zum Beispiel nichts dagegen, fehlerhafte Rechnungen oder Dubletten, die im Rechnungseingang automatisch erkannt wurden, durch einen freundlichen Bot ablehnen zu lassen. Aber die Freigabe aller Rechnungen an die Maschine delegieren? Das ist nicht nur rechtlich bedenklich.
KI kann sehr viel Zuarbeit leisten und uns sehr vieles ganz abnehmen. Doch wo es wirklich auf den Menschen ankommt, lässt man sie besser weg.