Ein Thema bestimmt im Moment die Diskussion in sehr vielen Unternehmen, auch in sehr vielen Unternehmen der Wohnungswirtschaft. Ich meine die zukünftige Gestaltung der Arbeit. Die Frage der Präsenzpflicht und Mobilarbeit. Die Frage, wie Mitarbeiterführung dann funktioniert und wie wir die Herausforderungen der Zukunft lösen. Zum Wohl der Kunden, des Unternehmens, der Mitarbeitenden und der Umwelt.
Wir leben seit rund eineinhalb Jahren ein großes Experiment: Was passiert mit Organisationen, wenn ein Großteil der Beschäftigten nicht mehr im Büro, sondern am heimischen Schreibtisch oder am Küchentisch arbeitet? Wie gestaltet sich die Arbeit in den Teams? Was passiert mit dem Zusammenhalt, der Identifikation mit der Firma?
Erfolgreiches Experiment
Glaubt man den unzähligen Umfragen, dann ist dieses Experiment in Summe sehr gut gelaufen. Aus Sicht der meisten Arbeitnehmenden besteht kein Grund, zur Präsenzkultur der Vor-Corona-Zeit zurückzukehren. Viele haben die Flexibilität bei der Wahl von Arbeitsort und oft auch Arbeitszeit zu schätzen gelernt. In der weltweit angelegten Studie “2021 Work Trend Index” von Microsoft erklärten 73 Prozent von mehr als 30.000 Befragten, dass sie auch nach dem Ende der Pandemie die Möglichkeit zur mobilen Arbeit haben wollen. Gleichzeitig betonen allerdings zwei Drittel der Teilnehmenden, wie groß ihre Sehnsucht nach dem persönlichen Austausch sei. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Studien auch zeigen: Ende des Büros ist nicht in Sicht.
Unternehmen der Wohnungswirtschaft stellen sich darauf ein, dass in Zukunft Mischmodelle die Arbeitswelt bestimmen werden. Egal, ob vom Unternehmen für alle Mitarbeitende verbindlich Arbeitstage im Büro vorgegeben werden oder ob die Entscheidung an Bereiche, Abteilungen oder Teams delegiert wird: Wir werden uns auf Hybridarbeit einstellen müssen.
Wissensgesellschaft und digitale Transformation
Die Entwicklung zeigt eine tiefergreifende Veränderung, die aufgrund von Corona manifest geworden ist – Wissenschaftler sprechen vom Übergang von der Industrie- in die Wissensgesellschaft. Was für die Immobilienwirtschaft bedeutet: Routinearbeiten werden durch die digitale Transformation in großem Maße wegrationalisiert werden.
Gerade in der Wohnungswirtschaft geht es zunehmend darum, Lösungen für Probleme zu finden, die sich schnell ändern können. Gefragt ist "Lösungskapazität, die im Denken liegt", wie der Autor Wolf Lotter im Haufe-Interview sagt. Für diese Lösungskapazität aber helfen “die ganzen gewohnten Gehhilfen wie festgelegte Arbeitszeiten, Präsenz im Büro, Arbeitszeiterfassung” nicht weiter, sagt er. Corona hat uns allen gezeigt, dass Unternehmen produktiv und innovativ neue Wege gehen, ohne dass alle Mitarbeitenden am selben Ort versammelt arbeiten.
Megathemen der Zukunft: Mit Routine nicht gestaltbar
Klimaneutrales Bauen, bezahlbares Wohnen, zukunftsfeste Stadtentwicklung, Mobilitätswende: Die Wohnungswirtschaft steht vor enormen Aufgaben, will sie ihrer gesellschaftlichen Bedeutung gerecht werden. Sie muss die Frage danach, wie wir wohnen werden, beantworten. Dafür muss sie die Fähigkeiten und Potenziale ihrer Mitarbeitenden wirksam werden lassen, in einer Arbeitswelt, in der Selbstbestimmtheit, Selbstverantwortung und Selbstverpflichtung der Menschen den entscheidenden Unterschied machen.
Das verlangt Unternehmen einiges ab, vor allem den Führungskräften. Die neue Arbeitswelt muss innerhalb gesetzter Rahmen Freiräume bieten, in denen Mitarbeitende ihre eigenen Lösungswege suchen, finden und mutig beschreiten. Grundlage dafür ist Vertrauen in die Kompetenzen der Mitarbeitenden und Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Führung in der neuen Arbeitswelt heißt vornehmlich Kommunikation. Die Mitarbeitenden brauchen von ihren Führungskräften mehr denn je Richtung und Orientierung.
Führen heißt ermöglichen
Die Führungskraft wird in Zukunft stärker als früher zum Coach, zum Ermöglicher. Neben effizienten Prozessen und dem Fokus auf den Output, dreht sich Führung in Zukunft stärker um die Mitarbeitenden und deren Entwicklung. Das kann erleichtert werden, indem disziplinarische Verantwortung für die Mitarbeitenden und fachliche Führungsverantwortung getrennt werden. In einem Bereich der Haufe Group, den ich verantworte, sind wir diesen Weg gegangen. Dort gibt es die Rolle "People Lead", die sich ausschließlich um die Belange der Mitarbeitenden kümmert, vom Recruiting bis zur Entwicklung, und einen "Fach Lead", der für alle fachlichen Fragen rund um Produkte und Produktentwicklung verantwortlich ist. Beide arbeiten eng zusammen.
Um die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu bewältigen, müssen wir die Potenziale der Menschen in unseren Unternehmen fördern. Dafür werden wir neue Wege in der Arbeitsorganisation und Führung gehen müssen. Ein Zurück zum Status quo ante wird es nicht geben. Weil die Menschen es nicht wollen. Und weil die Herausforderungen, vor denen die Wohnungsunternehmen stehen, es nicht zulassen.