Lernanlässe früher und heute


Lernanlässe früher und heute

Die Entwicklung auf allen technischen Gebieten beschleunigt sich zunehmend und Begriffe wie Digitalisierung und Industrie 4.0 sind die Trendthemen unserer Zeit.  Einen sinnvollen Betrieb unter Pandemie-Bedingungen aufrechtzuerhalten, ist als weitere Herausforderung für quasi alle Organisationen dazugekommen. Was passiert in unserer Welt, die es für uns nötig macht, sich mitzubewegen?

#1: Digitalisierung

Über Digitalisierung ist quasi schon alles – und gleichzeitig wenig Allgemeingültiges – gesagt worden. Es hat sich inzwischen schon herumgesprochen, dass Digitalisierung nicht bedeutet, dass jetzt alles per E-Mail verschickt wird oder jedes Dokument eingescannt wird. Junge (digitale) Start Ups machen uns vor, wie man aus digitalen Ressourcen schöpfen und aus der Verwendung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten einen Mehrwert generieren kann, der außer der technischen Infrastruktur kaum dingliche Voraussetzungen hat.

#2: Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die Digitalisierung hat es mit sich gebracht, dass Wege kürzer geworden sind und immer mehr Themen und Projekte an Schnittstellen zwischen zwei Disziplinen stattfinden. Es ist zunehmend wichtiger, die „Nachbardisziplinen“ mit zudenken und in Projekten darauf zu achten, wie sich das eigene Handeln auf andere Prozessbeteiligte auswirkt. Dabei kann ein Grundverständnis der anderen Bereiche, ihrer Zuständigkeiten, Ziele, Ressourcen und sogar ihrer Sprache, hilfreich sein, um Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsame Ziele und Übergabepunkte zu schärfen.

#3: Demografische Entwicklung

Der große „Demografie-Aufschrei“ ist schon einige Jahre her und derzeit scheinen sich andere Probleme in den Vordergrund zu schieben. Dennoch ist die drohende Verrentung der so genannten Babyboomer-Generation insofern eine akute Gefahr, als mit dieser zahlenmäßig enorm großen Gruppe sehr viel wertvolles Erfahrungswissen unsere Arbeitsumgebungen verlassen wird. Hier gilt es, rechtzeitig über Formate von Wissenstransfer und z. B. generationengemischte Tandems nachzudenken – denn der wertvolle Erfahrungsschatz eines Arbeitslebens ist nicht schnell in zwei Stunden an den/die nächste/n Stelleninhaber/in übergeben.

#4: Dauer-Change

Der Spruch, dass nichts so beständig sei wie der Wandel, ist mittlerweile quasi überall zu finden. Und so einfach es klingt, so anspruchsvoll ist es gleichzeitig, in Phasen ständiger Veränderung auch Stabilität zu erzeugen. In einer Begeisterung für die Auflösung von Strukturen wird oft übersehen, dass eine Veränderung und immer kurzfristigere Gültigkeitsphasen von Regeln zu Handlungsunfähigkeit führen – und so entsteht ein Ergebnis, das man ja mit dem Anstoßen der Veränderung auf jeden Fall nicht erreichen wollte. Das Abwägen zwischen Dingen, die unbedingt verändert werden müssen und dem Beibehalten stabiler und zuverlässiger Absprachen und Regeln ist hier die Königsdisziplin.

Die vierte Dimension des Lernens

Ziemlich drastisch haben die nun nicht-mehr-ganz-so-neuen Medien unsere Gewohnheiten, Informationen aufzunehmen, verändert. Damit ergibt sich automatisch auch, dass Lernsettings sich verändern. Was ist schon da, was kommt vielleicht? Ein kurzer Blick in die Glaskugel.

#1: Digitale Assistenten

Woran die erste E-Learning-Welle um die 2000er Jahre gescheitert ist (mangelnde Interaktivität und Adaptivität), ist inzwischen in greifbare Nähe gerückt und ein digitaler Assistent, der uns mit brauchbaren Informationen „füttert“, ist nur noch eine Frage der Zeit. Was könnte dieser „digital trainer“ für uns machen?

Zunächst einmal wäre seine Hauptaufgabe, zu verstehen, was wir schon alles wissen. Aus der Lernforschung wissen wir, dass das vorhandene Vorwissen einer Person einer der wichtigsten Einflussfaktoren für nachfolgende Lernprozesse ist. Wenn der persönliche „digital Trainer“ nun ein relativ genaues Abbild unseres Vorwissens und auch unserer Lücken und blinden Flecken hat, dürfte es ihm relativ leicht fallen, uns angepasste Wissenshäppchen zu servieren.

Dies geschieht zu einem Zeitpunkt und auf eine Darstellungsart unserer Wahl – und unermüdlich und beliebig oft, geduldig und mit der Möglichkeit, nachzufragen, wo uns das geboten erscheint. Unser Digitaler Assistent wird uns Merkhilfen und Eselsbrücken genauso zur Verfügung stellen wie vielleicht kleine Tests und Übungen, die uns ein Feedback über unseren eigenen Lernstatus geben.

Die Kehrseite dieses Assistenten könnte jedoch die sein, dass wir aufhören zu lernen – einfach weil das Wissen immer verfügbar ist. Warum soll man sich noch Dinge merken? Hier stellt sich die Frage, wie viel Weltwissen man als Anwender eines digitalen Lernassistenten überhaupt haben muss, um die Inhalte, die mir geliefert werden, verstehen und einordnen zu können. Macht eine Unterstützung beim Lernen das Lernen überflüssig?

#2: Allwissen vs. Manipulation

Die nächste Frage, die sich zügig stellt, ist die folgende: Wer bestimmt eigentlich, welche Information „richtig“ ist? Im Austausch mit anderen Menschen und in sozialen Settings haben wir immer wieder die Gelegenheit, unserer Weltsichten mit denen anderer Personen abzugleichen. Wir kommen dabei zu verschiedenen Schlüssen, z. B., dass etwas eine „Mehrheitsmeinung“ ist – oder dass wir mit unserer Ansicht eher alleine dastehen und wir können uns dann überzeugen lassen (oder eben auch nicht). Dies würde sich reduzieren, wenn wir einen digitalen „Zuflüsterer“ haben und wir sind mehr denn je darauf angewiesen, dass das, was er uns sagt, richtig ist. Hier sind der Manipulation bereits heute Tür und Tor geöffnet und wir treten schnell in den philosophischen Diskurs ein, wie im digitalen Raum Vertrauen entstehen und gerechtfertigt werden könnte.

Stellen wir uns nur vor, jemand mit Macht fragt seinen digitalen Assistenten nach der Entstehung des Nahost-Konflikts. Je nachdem, wen man fragt, wird diese Antwort komplett verschieden ausfallen. Und jede Antwort ist vermutlich auf ihre Art und Weise richtig. Was ist also die Wahrheit?

#3: Gaming and Immersion

Lernen ist schon immer ein Prozess gewesen, der zu Unrecht dem Kopf zugeschrieben wurde. Viele andere Aspekte spielen bei Lern- und Entwicklungsprozessen eine Rolle und sie kann unfassbar viel größer sein, als die Rolle des Gehirns als reiner „Speicherplatz“ für neue Informationen. Nicht umsonst gibt es schon länger die Formel „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“. Dinge im dinglichen Leben zu erfahren, macht Neues eindrücklich, verständlich und verbessert den Transfer eines Themas vom reinen Lernen auf die Benutzung des Wissens.

Durch technische Lösungen ist es uns mittlerweile möglich, Dinge zu erfahren (…lernen?), die vor etlichen Jahren niemand für möglich gehalten hätte: Wir können mit einer VR-Brille auf dem Mond herumlaufen oder am Rand eines Vulkankraters spazieren gehen und hineinschauen. Es ist eine Frage eher kürzerer denn längerer Zeit, bis wir es schaffen werden, technisch möglichst viele Sinneseindrücke perfekt übereinanderzulegen, um ein Erlebnis so immersiv – das heißt „eintauchend“ -wie möglich zu gestalten. Und je mehr Sinne angesprochen werden, umso faszinierender, mitreißender und nachdrücklicher wird das Erlebnis sein.