EuGH-Generalanwalt billigt Einschränkung der Zeitarbeit
Viele Fragen beschäftigen Personaldienstleister, Gewerkschaften und Entleiher, seitdem der Gesetzgeber das Wort "vorübergehend" im Dezember 2011 in § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) eingefügt hat: Wie lange ist eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung? Worauf bezieht sich der Begriff? Ist der Arbeitsplatz beim Entleiher vorübergehend zu besetzen oder ist der einzelne Zeitarbeitnehmer gemeint, der lediglich begrenzt beim Entleiher eingesetzt werden darf? Welche Konsequenz hat eine dauerhafte Überlassung?
Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung: "Vorübergehend" konkretisieren
Mit der eingefügten Formulierung musste Deutschland der Pflicht nachkommen, die EU-Leiharbeitsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das BAG arbeitete bereits ein paar Fragen zu diesem Komplex ab, etwa jene nach den Konsequenzen einer dauerhaften Überlassung. Auch die Bundesregierung hat sich das Thema vorgenommen und plant ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2015, um das Wörtchen "vorübergehend" zu konkretisieren.
Nun könnte ihr jedoch der EuGH einen Stein in den Weg legen und ein neues Gesetz erschweren. Er hat derzeit über die Vorlage eines finnischen Arbeitsgerichts zu entscheiden (Rechtssache C-533/13). Vergangene Woche gab der Generalanwalt seine Schlussanträge bekannt – häufig ein Fingerzeig für die endgültige Entscheidung des EuGH.
Verhindert der EuGH eine Obergrenze der Überlassung?
Im konkreten Fall hat sich der EuGH nicht direkt zur vorübergehenden Überlassung zu äußern. Die Richter haben vielmehr allgemein zu klären, inwieweit die Arbeitnehmerüberlassung im Licht der EU-Zeitarbeitsrichtlinie eingeschränkt werden kann. Die konkrete Frage des finnischen Gerichts an den EuGH: Steht ein nationales Gesetz der EU-Richtlinie entgegen, wonach Leiharbeit nur in eigens aufgeführten Fällen zulässig ist? Im konkreten Fall geht es um den Ausgleich von Arbeitsspitzen oder bei Arbeiten, die nicht durch eigene Mitarbeiter eines Unternehmens erledigt werden können.
"Sollte der EuGH hierin einen Verstoß gegen europäisches Recht sehen, dürfte auch eine Beschränkung der Arbeitnehmerüberlassung auf vorübergehende Einsätze kritisch zu bewerten sein", schreibt daher Dr. Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle, im Personalmagazin (Ausgabe 11/2014, Beitrag: "Vorübergehender Einsatz"). Ein entsprechendes Urteil könnte also auch die Pläne der Bundesregierung ins Wanken bringen, deren grobe Linie laut Koalitionsvertrag fix zu sein scheint: 18 Monate Höchstüberlassung und Equal Pay nach neun Monaten.
Kein Verstoß gegen EU-Richtlinie zur Zeitarbeit
Der für das Verfahren zuständige Generalanwalt am EuGH, Maciej Szpunar, sah nun in seinen Schlussanträgen keinen Widerspruch zwischen EU-Richtlinie und den konkreten Einschränkungen durch die entsprechenden nationalen finnischen Regeln. Konkrete Zeiträume für eine vorübergehende Überlassung, die ja nicht direkt zu prüfen waren, nannte er natürlich nicht. Allerdings seien Einschränkungen (in Form von nationalen Vorschriften) des Einsatzes der Leiharbeit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Als Beispiele für eine solche Rechtfertigung nennt Art.4 Abs.1 der EU-Richtlinie den Schutz der Leiharbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarkts zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten.
Bezogen auf den vorübergehenden Charakter der Arbeitsverhältnisse folgert der Generalanwalt, "dass diese Arbeitsform nicht für alle Verhältnisse passend ist, insbesondere nicht bei dauerhaftem Bedarf an Arbeitskräften". Letztlich billige der Unionsgesetzgeber den Mitgliedsstaaten einen erheblichen Wertungsspielraum bei den Situationen zu, die den Einsatz von Leiharbeit rechtfertigen, erklärte der Generalanwalt. Daher könne ein Mitgliedstaat vorsehen, dass der Einsatz von Leiharbeit unter Umständen zulässig ist, die der zeitlich beschränkten Natur dieser Arbeitsform entsprechen, vorausgesetzt, dass sie sich nicht nachteilig auf die Direktbeschäftigung auswirkt.
Gespannter Blick nach Luxemburg
Schließt sich der EuGH dieser Einschätzung an, wäre dies für die Bundesregierung zumindest kein Hindernis, ihre Pläne (Überlassung auf 18 Monate beschränkt) umzusetzen. Es dürfte aber auch klar sein, dass mit der zu erwartenden EuGH-Entscheidung und wohl auch mit einer neuen Gesetzesinitiative auch künftig noch einige Fragen offen bleiben werden.
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