Ausschlussfrist verpasst: Kein Schadensersatz für Arbeitgeber
In vielen Arbeitsverträgen sind Ausschlussklauseln aufgenommen, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von den Parteien innerhalb einer bestimmten Frist und zumeist schriftlich geltend gemacht werden müssen. Wird diese Ausschlussfrist nicht gewahrt, verfallen die Ansprüche. Auch im aktuellen Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) enthielt der Arbeitsvertrag eine solche Ausschlussfrist.
Die Frage, ob der Autoverkäufer durch die Herausgabe eines Fahrzeugs an den Kunden seine Vertragspflichten verletzt hat, beantwortete das BAG in seinem Urteil erst gar nicht, da etwaige Schadensersatzansprüche aufgrund der Ausschlussklausel jedenfalls verfallen seien.
Der Fall: Fristbeginn einer Ausschlussklausel bei Arbeitnehmerhaftung
Ein Arbeitnehmer war in einem Autohaus als Verkäufer beschäftigt. In dieser Funktion gab er im September 2014 ein Fahrzeug an einen Kunden heraus. Dieser war zur Abholung des von ihm bestellten Neuwagens erschienen, leistete auf den Kaufpreis eine Anzahlung und drängte auf Überlassung des Fahrzeugs für das darauffolgende Wochenende – mit der Zusage, den PKW am Montag zurückzubringen.
Tatsächlich erschien der "Kunde" mit dem Neuwagen nicht wieder. Der Arbeitgeber versuchte in der Folge, den Wagen zurückzubekommen: Nach einer vom Arbeitgeber erstatteten Strafanzeige wurde der Kunde in Italien festgenommen und das Fahrzeug beschlagnahmt. Nach der Aufhebung des Haftbefehls sowie der Beschlagnahme gaben die italienischen Behörden das Fahrzeug jedoch wieder an den Kunden heraus. Letztlich ohne Erfolg verhandelte der Arbeitgeber mit dem Kunden über die Zahlung des Restkaufpreises. Auch die Beauftragung einer Detektei brachte nichts ein.
Daraufhin reichte der Arbeitgeber am 20. August 2015 beim Landgericht Freiburg Klage gegen den Kunden ein, deren Zustellung scheiterte.
Schadensersatz wegen Missachtung betrieblicher Anweisung
Weil alle Versuche scheiterten, an den Kaufpreis oder das Auto über den Kunden zu gelangen, hielt sich der Arbeitgeber an den Mitarbeiter. Mit Schreiben vom 20. November 2015 forderte er den Verkäufer erfolglos auf, seine Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben.
Daraufhin verklagte der Arbeitgeber den Mitarbeiter und verlangte knapp 30.000 Euro Schadensersatz. Die Begründung: Der Mitarbeiter habe gegen eine betriebliche Anweisung des Arbeitgebers verstoßen. Diese sah vor, dass ein Neufahrzeug nicht an einen Käufer herausgegeben werden darf, wenn es entweder nicht vollständig bezahlt ist oder für das keine gesicherte Finanzierung vorliegt – es sei denn, die Geschäftsleitung habe eingewilligt. Auch die Anwalts- und Gerichtskosten für das Verfahren gegen den Kunden wollte der Arbeitgeber ersetzt haben.
Schadensersatzansprüche aufgrund Ausschlussfrist verfallen?
Letztlich hat das BAG in seinem Urteil jedoch offengelassen, ob der Arbeitnehmer durch die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden seine Vertragspflichten verletzt hat. Denn etwaige Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers seien aufgrund einer vertraglichen Ausschlussklausel verfallen, stellte das Gericht fest.
Der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmte nämlich, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verfallen - wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Als spätester Zeitpunkt wurde festgelegt, dass alle Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen, mit der einzigen Ausnahme: Provisionsansprüche.
Fristbeginn: Wann beginnt die Ausschlussfrist zu laufen?
Die Ausschlussfrist habe spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, als sich der Arbeitgeber entschlossen habe, Klage gegen den Kunden zu erheben, also vor dem 20. August 2015, führte das Gericht aus. Das Schreiben des Arbeitgebers vom 20. November 2015 habe daher die Ausschlussfrist nicht gewahrt – wenn es überhaupt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfüllt.
Ein anderes Ergebnis folge, urteilten die obersten deutschen Arbeitsrichter, auch nicht aus § 254 Abs. 2 BGB, der das Mitverschulden regelt oder einer Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB.
Keine vorrangige gerichtliche Inanspruchnahme des Kunden erforderlich
Aus Sicht des Gerichts war es aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls für den Arbeitgeber nicht geboten, den Kunden vorrangig gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Schließlich war es nicht ohne weiteres möglich, den Kunden mit rechtlichem und vor allem wirtschaftlichem Erfolg in Anspruch zu nehmen. Als sich der Arbeitgeber zu einer Klage gegen den Kunden entschloss, war es bereits erkennbar wenig realistisch, vom Kunden überhaupt irgendeine Leistung zu erlangen.
Hinweis: BAG, Urteil vom 7. Juni 2018, Az: 8 AZR 96/17; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Kammern Freiburg, Urteil vom 16. Dezember 2016, Az: 9 Sa 51/16
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