Arbeitnehmerhaftung: Keine grobe Fahrlässigkeit bei Spoofing
Einer besonderen Form des Betrugs ist die Kassiererin einer Tankstelle zum Opfer gefallen: dem "Call ID Spoofing". Bei diesem sogenannten Spoofing per Telefon handelt es sich um eine verbotene Methode, Anrufe von einer vorgetäuschten Nummer aus vorzunehmen. Das LAG Düsseldorf hatte nun zu entscheiden, ob die Arbeitnehmerin grob fahrlässig handelte.
Der Fall: Arbeitnehmerin missachtet Weisung
Die Arbeitnehmerin als Kassiererin in Teilzeit in der Tankstelle beschäftigt. Zu Beginn wurde sie an ein bis zwei Tagen eingearbeitet. Dabei wurde sie auch angewiesen, Telefonkarten nicht am Telefon auszugeben.
Drei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses kam es zu dem Vorfall, der nun vor dem Arbeitsgericht landetet: Die Arbeitnehmerin erhielt während der Arbeitszeit gegen 23 Uhr einen Anruf von einem angeblichen Mitarbeiter einer Telefongesellschaft. Dieser erklärte, dass eine Systemumstellung vorgenommen werden solle. Damit sei eine andere Firma beauftragt – und zwar diejenige, die für Betreuung des gesamten Betriebssystems der Tankstelle zuständig war. Der Mann kündigte an, dass diese sich wenig später telefonisch melden würde.
Spoofing: Betrug per Telefon
Tatsächlich erhielt die Kassiererin wenige Minuten später einen weiteren Anruf eines Mannes, der sich als Mitarbeiter eben jener beauftragten Firma ausgab. Dieser teilte ihr mit, dass sämtliche 30-Euro-Prepaid Telefonkarten durch neue ersetzt werden müssten. Die Arbeitnehmerin scannte daraufhin insgesamt 124 Prepaidkarten zu je 30 Euro ein, druckte die jeweils 14-stelligen Codes aus und gab dem Anrufer sämtliche Prepaid-Codes telefonisch bekannt.
Tatsächlich handelte es sich jedoch bei den Anrufen um einen Betrug, durch den ein Schaden von 3.720 Euro entstand.
Arbeitnehmerhaftung: Grobe Fahrlässigkeit gegeben?
Die Versicherung erstattete der Inhaberin der Tankstelle diesen Schaden und nahm daraufhin die Arbeitnehmerin aus übergegangenem Recht in Anspruch. Mit ihrer Klage scheiterte sie jedoch. Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer gemäß § 280 BGB Schadensersatz leisten, wenn er schuldhaft eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Gemäß § 276 BGB muss er Vorsatz und Fahrlässigkeit vertreten.
Da die Versicherung die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist nicht gewahrt hatte, kam nach dem Arbeitsvertrag nur noch eine Haftung der Arbeitnehmerin bei grober Fahrlässigkeit in Betracht. Eine solche konnte das Gericht nicht erkennen. Es vertrat die Auffassung, dass die Kassiererin in der konkreten Situation eben nicht die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt habe. In der doppelten Anrufsituation habe sie sich in einer strukturellen Unterlegenheit gegenüber den Anrufern befunden, die den Betrugsversuch professionell vorbereitet hatten. Keinesfalls habe die Arbeitnehmerin etwas verkannt, was jedem hätte sofort einleuchten müssen.
LAG: Keine Haftung der Arbeitnehmerin
Für das LAG Düsseldorf war insbesondere auch ein Aspekt entscheidend dafür, dass die Kassiererin die Anrufe für echt halten durfte: Bei Eingabe der 124 Karten in das System fragte dieses die Kassiererin – anders als sonst – nicht, ob die Eingabe aufgrund telefonischer Anfrage erfolgte. Nach den zwei angeblich von der Telefongesellschaft und des Systembetreibers der Tankstelle erfolgten Anrufen durfte die Kassiererin jedenfalls aufgrund dieses weiteren Umstandes davon ausgehen, dass alles seine Richtigkeit hatte, selbst wenn generell eine Herausgabe der Codes der Telefonkarten auf telefonische Anweisung nicht erfolgen sollte.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Hinweis: LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2017, Az: 14 Sa 334/17; ArbG Essen, Urteil vom 21.02.2017, Az: 2 Ca 935/16
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