Flexible Arbeitszeiten: Null-Stunden-Verträge so nicht zulässig

In Großbritannien sind "Null-Stunden-Verträge" beliebt. Dabei steht der Arbeitnehmer auf Abruf bereit und wird nur vergütet, wenn er arbeitet – jedoch ohne Anspruch auf einen Einsatz. Inwieweit solch flexibles Arbeiten in Deutschland möglich ist, zeigt Arbeitsrechtler Dr. Markus Diepold.

Haufe Online-Redaktion: Wäre ein sogenannter Null-Stunden-Vertrag mit dem deutschen Arbeitsrecht vereinbar?

Dr. Markus Diepold: Nein, das wäre in dieser Ausgestaltung nicht zulässig. Das deutsche Arbeitsrecht kennt zwar eine ähnliche Fallkonstellation, jedoch mit einer anderen Rechtsfolge für den Arbeitnehmer. Bei der Arbeit auf Abruf nach deutschem Recht vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen, das der Arbeitgeber unter Einhaltung der vereinbarten oder gesetzlichen Fristen flexibel abrufen kann. Ruft er es allerdings nicht ab, muss er es dennoch bezahlen. Das ist der Unterschied zu dem Null-Stunden-Vertrag in Großbritannien.

Haufe Online-Redaktion: Gibt es Null-Stunden-Verträge auch nicht durch die Hintertür, also indem beispielsweise Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten, jedoch bei einer englischen Firma angestellt sind?

Diepold: Nein, das wäre auch nicht möglich. Es kann zwar grundsätzlich das anwendbare Recht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei gewählt werden. Jedoch darf durch die Rechtswahl nicht der Mindestschutz des nationalen Arbeitsrechts unterlaufen werden. Durch einen Null-Stunden-Vertrag, zum Beispiel mit einer englischen Limited, würde aber elementar gegen die Grundsätze der Verteilung des Betriebs- und Wirtschaftsrisikos verstoßen.

Haufe Online-Redaktion: Welche Möglichkeiten bieten sich in Deutschland für die flexible Einteilung von Mitarbeitern?

Diepold: Das Wirtschafts- und Betriebsrisiko trägt nach der gesetzlichen Ausgestaltung grundsätzlich der Arbeitgeber. Er soll die Folgen tragen, wenn er den Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann. Und er soll ihn dann auch vergüten. Es gibt nur sehr begrenzt Möglichkeiten, in die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis, also Arbeitszeit und Vergütung, einseitig einzugreifen. Der Arbeitgeber kann jedoch bei der Arbeitszeitgestaltung zum Beispiel Regelungen nutzen, um die Lage und teilweise auch den Umfang der Arbeitszeit dem betrieblichen Bedarf anzupassen.

Haufe Online-Redaktion: Könnten Unternehmen über Werkverträge agieren?

Diepold: Denkbar wäre das schon. Allerdings müssten dann die von dem Unternehmen beauftragten Personen echte Selbstständige sein und das Unternehmen könnte über sie nicht so verfügen wie über einen Arbeitnehmer. Der Selbstständige könnte etwa einen Einsatz ablehnen. In vielen Fällen wird zudem die Gefahr bestehen, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die vollständig in einen Arbeitsablauf bei dem Arbeitgeber integriert sind, dass es sich um Scheinselbstständige handelt.

Haufe Online-Redaktion: Könnten betroffene Arbeitnehmer gegen einen Null-Stunden-Vertrag klagen?

Diepold: Ja. Sollte ein Arbeitgeber einen Null-Stunden-Vertrag mit einem Arbeitnehmer in Deutschland abschließen, würde er das Risiko eingehen, dass er auf Vergütungszahlung verklagt wird. Denkbar wäre dann, je nach geschuldeter Tätigkeit, dass dem klagenden Arbeitnehmer die übliche Vergütung eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Arbeitgebers zugesprochen wird – auch wenn der Arbeitgeber ihn unter Umständen nur in geringerem Umfang eingesetzt hätte.

Dr. Markus Diepold ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Rechtsanwaltskanzlei Dentons in Berlin.

Das Interview führte Renate Fischer, Redaktion Personal.


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