Frauenquote: "Für betroffene Unternehmen besteht Handlungsbedarf"

Für gut 3.500 Gesellschaften gilt ab Januar 2016 die Geschlechter- oder Frauenquote. Warum Unternehmen bis Ende September handeln müssen, und welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung, gerade in den oberen Führungsebenen drohen, erklärt der Arbeitsrechtler Dr. Ralf Kittelberger.

Haufe Online-Redaktion: Was haben Unternehmen nun durch die beschlossene gesetzliche Regelung zur Geschlechter- und Frauenquote zu erwarten?

Ralf Kittelberger: Das ab dem 1. Januar 2016 geltende Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst enthält im Wesentlichen zwei Regelungsblöcke: Zum einen die Implementierung einer Geschlechterquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Kapitalgesellschaften, zum anderen die Verpflichtung von mitbestimmten oder börsennotierten Unternehmen, sich selbst Zielgrößen für die anteilige Besetzung des Vorstands, des Aufsichtsrats und der beiden darunter liegenden Führungsebenen zu geben.

Haufe Online-Redaktion: Wen betrifft die Geschlechterquote?
Kittelberger: Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Geschlechterquote von 30 Prozent im Aufsichtsrat ist, dass die Gesellschaft börsennotiert und paritätisch mitbestimmt ist. Mithin unterfallen aufgrund der Notwendigkeit einer Börsennotierung der Regelung ausschließlich die AG, die KGaA und die SE. Weiteres Kriterium ist die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats. Diese ist nach dem Mitbestimmungsgesetz für Kapitalgesellschaften mit in der Regel über 2.000 Mitarbeitern vorgeschrieben, nach dem Montanmitbestimmungsgesetz bei Unternehmen der Montanbranche bereits ab 1.000 Mitarbeitern.

Haufe Online-Redaktion: Welche Unternehmen müssen Zielgrößen für den Frauenanteil festlegen?
Kittelberger: Zur Festlegung von selbst gesetzten Zielgrößen sind die nachfolgend genannten Gesellschaften verpflichtet, soweit sie entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind: AG und KGaA, GmbH und Genossenschaften. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst hier insbesondere nicht nur paritätisch mitbestimmte Gesellschaften, sondern auch solche, die der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegen, also im Durchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Unternehmen, welche die zuvor beschriebenen Anforderung einer fixen Quote für den Aufsichtsrat erfüllen, unterliegen automatisch auch den Zielgrößen-Regelungen.

Haufe Online-Redaktion: Wo drohen Schwierigkeiten in der Umsetzung?

Kittelberger: Für die betroffenen Gesellschaften besteht sehr zeitnah Handlungsbedarf. Bis zum 30. September haben die zuständigen Organe die Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsorgan, dem Geschäftsführungsorgan sowie für die beiden Führungsebenen unterhalb des Geschäftsführungsorgans festzulegen. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung dieser Zielgrößen festzulegen, wobei die erstmalig festzulegende Frist nicht länger als bis zum 30. September 2017 dauern darf. Darüber hinaus sollten börsennotierte Gesellschaften, die paritätisch mitbestimmt sind, schon auf die Suche nach geeigneten Kandidatinnen zur Erfüllung der fixen Geschlechterquote im Aufsichtsrat gegangen sein. Insbesondere mit Blick darauf, dass es keinerlei branchen- oder unternehmensspezifische Ausnahmen oder Härtefallregelungen gibt, ist ein verstärkter Wettlauf um geeignete Kandidatinnen zu erwarten.

Haufe Online-Redaktion: Wie ist die Voraussetzung für die oberen beiden Führungsebenen, für die künftig die Frauenquote gelten soll?
Kittelberger: Nach meiner Einschätzung wird sich gerade die konkrete Definition der erfassten Organe und Führungsebenen als problematisch erweisen. Die künftige Fassung des § 76 Abs. 4 Aktiengesetz etwa wendet sich an den Vorstand. Dieser soll für die „beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands“ eine entsprechende Zielvorgabe festlegen. Eine genauere Definition dessen, was eine Führungsebene ausmacht, liefert das Gesetz nicht. Laut Gesetzesbegründung sind sie nicht nach betriebswirtschaftlichen Lehren zu definieren; es gehe um die im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen. Bei flachen Strukturen sei auch nur eine Leitungsebene unterhalb des Vorstands denkbar.

Haufe Online-Redaktion: Spielt eine Quote künftig auch in anderen Bereichen eine Rolle, zum Beispiel bei der Sozialauswahl?
Kittelberger: Nein, außerhalb des Gesetzes zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst spielt die Quote – mit Ausnahme des aufgezeigten erwarteten Wettlaufs um weibliche Führungskräfte – keine Rolle, jedenfalls nicht bei der Sozialauswahl. Die dort zu berücksichtigenden Sozialkriterien, also die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, und deren Gewichtung zueinander sind durch das Gesetz beziehungsweise durch die Rechtsprechung des BAG verbindlich festgelegt.

Dr. Ralf Kittelberger ist Rechtsanwalt in der SLP Anwaltskanzlei Dr. Seier & Lehmkühler GmbH in Reutlingen.

Das Interview führte Michael Miller, Redaktion Personal.


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