Kann der Arbeitgeber das Arbeiten an Weihnachten verlangen?
Haufe-Online: Unter welchen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber Mitarbeiter dazu verpflichten, an den Weihnachtsfeiertagen zu arbeiten?
Dr. Leif H. Hansen: Bei der Beantwortung dieser Frage muss zwischen den gesetzlichen Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und den arbeitsvertraglichen Bedingungen inklusive möglicherweise anwendbarer Tarifverträge unterschieden werden.
Nach § 9 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24:00 Uhr grundsätzlich nicht beschäftigt werden. In mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht können Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsarbeit aber unter gewissen Voraussetzungen bis zu 6 Stunden vor- oder zurückverlegt werden. Darüber hinaus enthält § 10 ArbZG umfangreiche Ausnahmetatbestände zum Grundsatz der Sonn- und Feiertagsruhe. Neben der Beschäftigung von Arbeitnehmern bei Not- und Rettungsdiensten sowie in Krankenhäusern betreffen diese z.B. auch Gaststätten, Theater und Kinos. Darüber hinaus enthalten die §§ 10 bis 13 ArbZG aber auch für "ganz normale Betriebe" umfangreiche Ausnahmeregelungen. Insbesondere können die Aufsichtsbehörden auf Antrag des Arbeitgebers Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 13 Abs. 3 bis 5 ArbZG zulassen.
Auf individualrechtlicher Ebene ist für die Beantwortung der Frage das in § 106 Gewerbeordnung geregelte Direktionsrecht des Arbeitgebers entscheidend. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Direktionsrechts die Lage der Arbeitszeit grundsätzlich einseitig festlegen. Dies betrifft gerade auch die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage und dort insbesondere auch die Festlegung von Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit. Gibt es in Betrieben z.B. Schichtsysteme, die Wochenendschichten vorsehen, und verstoßen diese nicht gegen das ArbZG, kann der Arbeitgeber also grundsätzlich auch Arbeiten an Sonn- und Feiertagen anordnen.
Anders sieht dies aus, wenn es entgegenstehende arbeitsvertragliche Bestimmungen gibt oder, wie in der Praxis häufig, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge Bestimmungen zur Lage der Arbeitszeit enthalten. Diese schränken dann das Direktionsrecht des Arbeitgebers entsprechend ein.
Haufe-Online: Ist hier zwischen Heiligabend und dem 1. und 2. Weihnachtstag rechtlich zu unterscheiden?
Dr. Leif H. Hansen: In Deutschland zählen nur der 1. und 2. Weihnachtstag zu den gesetzlichen Feiertagen. Nur an diesen Tagen unterliegt die Arbeitsleistung den Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes in Bezug auf Sonn- und Feiertagsarbeit.
In vielen Betrieben ist es üblich, dass den Arbeitnehmern bereits am Heiligabend (dies gilt häufig auch für den Silvestertag) Arbeitsbefreiung gewährt wird, obwohl es sich hierbei eigentlich nicht um Feiertage handelt. Aus solchem Verhalten kann u. U. eine betriebliche Übung entstehen von der sich der Arbeitgeber nicht mehr einseitig lösen kann. Eine betriebliche Übung wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn eine freiwillige Leistung dreimal in Folge vorbehaltslos gewährt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 6. September 1994 (9 AZR 672/92) entschieden, dass ein rechtlich geschütztes Vertrauen der Arbeitnehmer, künftig stets an Heiligabend Arbeitsbefreiung zu erhalten, jedenfalls dann nicht entstehen kann, wenn die Maßnahme von Jahr zu Jahr neu unter dem Vorbehalt angekündigt wird, dass diese Regelung nur für das laufende Jahr gelte. Eine solche Vorbehaltserklärung ist dem Arbeitgeber daher dringend anzuraten.
Haufe-Online: Kann ein Mitarbeiter sich weigern, zu arbeiten, weil er schon im letzten Jahr "Weihnachtsdienst" hatte?
Dr. Leif H. Hansen: Diese Frage lässt sich pauschal nur schwer beantworten. Maßstab ist wieder das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dieser muss bei der Verteilung der Arbeitszeit billiges Ermessen walten lassen, d.h. alle wesentlichen Umstände des Falles abwägen und die verschiedenen Interessen angemessen berücksichtigen. Daher kann es im Einzelfall unbillig sein, wenn immer wieder derselbe Arbeitnehmer an "unbeliebten Arbeitstagen" zur Arbeit herangezogen wird. Der Arbeitnehmer sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass die ihm erteilte Anweisung rechtswidrig ist und er deshalb nicht zur Arbeit zu erscheinen braucht. Stellt sich heraus, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht rechtmäßig ausgeübt hat, kann dies eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung rechtfertigen.
Das Interview führte Renate Fischer
Informationen zum Interviewpartner: Dr. Leif H. Hansen
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