Mediation: „Staat macht privaten Mediatoren kostenlos Konkurrenz"

Seit 27. Juli gilt das neue Mediationsgesetz. Dr. Alexandra Henkel, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediatorin erklärt, was die neuen Regeln bedeuten und weshalb der Güterichter aus ihrer Sicht überflüssig ist.

Haufe Online-Redaktion: Das neue Mediationsgesetz ist nach langen Diskussionen nun in Kraft getreten. Was bringen die neuen Regeln?

Alexandra Henkel: Das neue Gesetz soll die Mediation umfassend regeln. Es gilt also auch im Arbeitsrecht- und Wirtschaftsrecht und damit auch für alle unternehmensinternen Mediationen und Mediationen zwischen Unternehmen.

Wichtig ist, dass mit dem Gesetz ein Anfang gemacht ist, wenngleich es nur einen Rahmen festlegt und noch viel weiter hätte gehen können. Bislang war in Deutschland die Mediation aber völlig ungeregelt. Im Grunde konnte sich jeder Mediator nennen, der irgendwelche Kenntnisse hatte, unabhängig von der Qualität und Umfang der Ausbildung. Das Mediationsgesetz legt nun in § 5 die wesentlichen Inhalte der Ausbildung fest, wozu auch, was nach meiner Einschätzung zwingend erforderlich ist, praktische Übungen gehören. Zudem wird eine regelmäßige Fortbildung gefordert.

Haufe Online-Redaktion: Welche Regeln vermissen Sie?

Henkel: Das Gesetz regelt leider nicht selbst konkret den Umfang der Ausbildung und Prüfungsanforderungen für Mediatoren. Es wird künftig den „Mediator“ geben, der weniger Aus- und Fortbildung nachweisen muss, und daneben den „zertifizierten Mediator“. Letzterer muss einen bestimmten Umfang von Aus- und Fortbildung entsprechend einer vom Ministerium noch zu erlassenden Rechtsverordnung nachweisen. Die Inhalte dieser Verordnung werden entscheidend sein, um die Qualität und eine sach- und fachgerechte Mediation durch einen zertifizierten Mediator sicherzustellen.

Haufe Online-Redaktion: Neu ist der sogenannte Güterichter. Ein Erfolgsmodell?

Henkel: Der Güterichter ist nicht ganz neu, es gab insoweit in einigen Gerichten schon Modellprojekte. Dass mehr und mehr Richter auch mediative Elemente in die Gerichtsverfahren einbringen, ist im Sinne der Parteien und der eventuell schnelleren Lösung auch zu begrüßen. Dass nun der Begriff „Güterichter“ gewählt wurde, statt wie ursprünglich vorgesehen „Richtermediation“, ist ebenfalls richtig. Denn ich habe zwar im Zusammenhang mit dem Modellversuch zur gerichtsinternen Mediation einige Richter kennengelernt, die sehr gute Mediationen durchführen. Aber als Parteivertreterin vor Gericht habe ich auch an sehr vielen sogenannten gerichtsinternen Mediationen teilgenommen, bei denen es sich nicht um Mediationsverfahren handelte, sondern schlicht um erweiterte Vergleichsverhandlungen mit etwas mehr Zeit.

Haufe Online-Redaktion: Schafft die Einführung des Güterichters eine Konkurrenz für Mediatoren?

Henkel: Nach meiner Einschätzung macht der Staat den privaten Mediatoren auch mit dem Güterichtermodell „kostenlos“ Konkurrenz, weil das Güterichterverfahren nach wie vor kostenneutral ist – eine echte Gesetzeslücke und es riecht nach einer Verfassungswidrigkeit. Der Güterichter wird in der Regel an dem gleichen Gericht des Rechtsstreits beschäftigt sein und er kann auch ohne Zustimmung der Parteien Einsicht in die Gerichtsakten nehmen, damit ist er also vorbefasst.

Zudem kann der Richter, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, die Parteien einseitig an den Güterichter "verweisen", während er zum Beispiel eine außergerichtliche Mediation oder sonstige Konfliktlösungsmöglichkeit nur vorschlagen kann. Auch hier wird diskutiert, ob diese Regelung verfassungswidrig ist.

Haufe Online-Redaktion: Ist der Güterichter gerade im Arbeitsrecht überhaupt notwendig?

Henkel: Man kann aus meiner Sicht darüber diskutieren, ob die Gesetzesänderung – letztlich soll sie auch die Gerichte entlasten – in diesem Punkt ihr Ziel erreicht. Für mich hat sich nicht erschlossen, weshalb Richter, die vom Staat für Ihre Tätigkeit der Rechtsprechung voll bezahlt werden, so sehr um das zusätzliche Geschäftsfeld der Mediation kämpfen. Zumal ein Richter etwa nach § 278 Abs.1 ZPO, ohnehin "...in jeder Lage des Verfahren auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein" soll. Außerdem gibt es - insbesondere auch bei den Arbeitsgerichten - die Güteverhandlungen und weitere Güteversuche.

Nach meiner Meinung hätte man besser im Rahmen der bis dato geltenden Gesetze beispielsweise über längere Vergleichsverhandlungen nachdenken können, also etwa über Güteverhandlungen vor den Arbeitsgerichten, die länger als zehn oder 15 Minuten dauern. Ein zusätzliches Güterrichterverfahren wäre neben den außergerichtlichen Mediations- und Konfliktlösungsmodellen meiner Meinung nach nicht erforderlich gewesen.

Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach bei der Kanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare in Berlin.

Das Interview führte Michael Miller.


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