Persönliche Einstellung ist keine Weltanschauung im Sinne des AGG

Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Weltanschauung oder wegen bei ihm vermuteter Weltanschauung benachteiligt, kann dies finanzielle Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auslösen. Voraussetzung ist, dass Indizien vorgetragen und bewiesen werden, die auf die Benachteiligung wegen einer (vermuteten) Weltanschauung hindeuten.

Persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen sind keine „Weltanschauung“. Zu diesem Ergebnis kamen die Bundesarbeitsrichter im folgenden Fall:


Die Klägerin hat u.a. an der Pekinger Fremdsprachenuniversität Germanistik studiert. Mitglied einer politischen Partei war und ist sie nicht. Seit 1987 ist sie für die beklagte Rundfunkanstalt als arbeitnehmerähnliche Person in der China-Redaktion beschäftigt, wobei der letzte Honorarrahmenvertrag bis zum 31. Dezember 2010 befristet war. Die Klägerin bearbeitete als Redakteurin vorwiegend nicht-politische Themen.

Im April 2010 bewarb sie sich erfolglos für eine Festanstellung. Ende Juni 2010 teilte die Beklagte mit, dass sie über das Jahresende 2010 hinaus den befristeten Honorarrahmenvertrag nicht mehr verlängern werde. Die Klägerin erhielt die in diesem Fall vorgesehenen tariflichen Leistungen. Sie macht geltend, sie sei von der Beklagten benachteiligt worden, weil ihr diese - unzutreffend - eine Weltanschauung unterstellt habe. Die Beklagte habe bei ihr „Sympathie für die Volksrepublik China“ vermutet und „damit Unterstützung für die KP China“. Ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte angenommen habe, „sie sei gegenüber der Volksrepublik China zu regierungsfreundlich“. Die Beklagte habe sie daher wegen einer unterstellten, in der Sache aber nicht gegebenen Weltanschauung diskriminiert.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob und wo heute noch eine „kommunistische Weltanschauung“ o.ä. existiert. Unbestritten lehnt die Klägerin derartiges für sich ab und ist auch nicht Mitglied der KP China. Sofern sie der beklagten Rundfunkanstalt vorhält, diese sei davon ausgegangen, sie hege Sympathie für die Volksrepublik China und berichte freundlich über deren Regierung, trägt sie keine Tatsachen vor, die den Schluss darauf zulassen, sie sei wegen einer ihr unterstellten Weltanschauung benachteiligt worden.

Selbst wenn die Beklagte im Rahmen der ihr grundrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit eine stärkere journalistische Distanz zu der Regierung in Peking durchsetzen wollte und deswegen die Zusammenarbeit mit der Klägerin beendet hätte, indizierte dies nicht, dass die Beklagte der Klägerin eine Weltanschauung unterstellt hätte. Im Übrigen bedeutet Sympathie für ein Land nicht Sympathie für eine die Regierung tragende Partei; schon gar nicht kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass deren weltanschauliche Fundierung, so sie eine hat, vom Sympathisanten geteilt wird (BAG, Urteil vom 20.6.2013, 8 AZR 482/12).

BAG, PM 43/13 vom 20.6.2013