Sonntagsarbeit bei Amazon war rechtswidrig
Mit der aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts findet der langjährige Rechtsstreit zwischen Verdi und dem Online-Versandhändler ein vorläufiges Ende. Sonntagsarbeit ist nach dem Arbeitszeitgesetz ausnahmsweise zulässig, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines Schadens dies erfordern. Die Ursache für die Sondersituation muss außerhalb des Betriebs liegen, machte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung deutlich. Die Behörden hätten die Sonntagsarbeit bei Amazon vorliegend nicht genehmigen dürfen, weil Amazon aus Sicht des Gerichts das erhöhte Bestellvolumen selbst zu verantworten hatte.
Offen blieb mit der Entscheidung, ob ein - nicht vom Arbeitgeber veranlasstes - saisonbedingt erhöhtes Auftragsvolumen eine Sondersituation sein kann, die eine Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen würde.
Der Fall: Verdi klagt gegen Amazon wegen Ausnahmeregelungen für Sonntagsarbeit
Amazon hatte 2015 bei der Bezirksregierung für zwei Adventssonntage den Einsatz von jeweils 800 Arbeitern im Logistikzentrum Rheinberg beantragt. Das Unternehmen hatte argumentiert, dass ohne die Sonntagsschichten ein unverhältnismäßiger Schaden entstehe, weil die bestellten Waren durch Arbeit nur an den Werktagen nicht zu den versprochenen Lieferfristen ausgeliefert werden könnten. Bundesweit hatte Amazon für seine elf Logistikzentren Ausnahmeregelungen für Sonntagsarbeit beantragt. Dagegen hatte die Gewerkschaft Verdi geklagt.
Keine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit
Nachdem Verdi bereits in der ersten Instanz eine Aufhebung der Genehmigung erreicht hatte, bekam die Gewerkschaft auch vor dem OVG Münster Recht. Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts führte in seiner Urteilsverkündung aus, aus den Angaben von Amazon ergebe sich nicht, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot vorgelegen hätten.
Eine solche Ausnahme komme nach dem Arbeitszeitgesetz nur in Betracht, wenn besondere Verhältnisse es erforderten, um einen unverhältnismäßigen Schaden zu verhindern. Unter "besonderen Verhältnissen" seien nur solche Umstände zu verstehen, die von außen verursacht worden seien und auf die Amazon keinen Einfluss nehmen könne. Die Sondersituation durch erhöhtes Auftragsvolumen beruht aber maßgeblich auf dem Geschäftsmodell von Amazon.
Lieferengpässe selbst herbeigeführt
Nach diesem Geschäftsmodell seien den Kunden kurze Lieferfristen selbst in der Vorweihnachtszeit zugesagt worden. Zwar habe Amazon sein Personal für das Weihnachtsgeschäft 2015 vorübergehend deutlich aufgestockt. Es sei aber nicht ersichtlich, dass auf der Amazon-Webseite darauf hingewiesen worden sei, nur bei möglichst frühzeitiger Bestellung könne eine Lieferung vor Weihnachten garantiert werden, obwohl sich dies angesichts der prognostizierten Lieferengpässe aufgedrängt hätte.
Amazon hat damit nicht die bei dieser Sachlage gebotenen und auch zumutbaren Maßnahmen getroffen, um Kunden zu einem frühzeitigen Bestellverhalten anzuhalten und hierdurch auf eine gleichmäßigere Verteilung des Auftragsvolumens hinzuwirken. Stattdessen sei kurz vor der Adventszeit 2015 neben den bestehenden Express-Lieferungen eine Belieferung noch am Tag der Bestellung ("Same Day Delivery") eingeführt worden. Dadurch habe Amazon absehbar dazu beigetragen, dass sich die Lieferengpässe noch verstärkten. Dies geschah, obwohl aus Vorjahren und aus einer Prognose für 2015 bekannt war, dass sich diese Lieferengpässe nicht ohne Sonntagsarbeit würden auffangen lassen.
BVerwG: Sonntagsarbeit nur bei außerbetrieblicher Ursache
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner aktuellen Entscheidung das Urteil des OVG Münster bestätigt. Es hat dazu klargestellt, dass "besondere Verhältnisse" nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorübergehende Sondersituationen sind, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit bei Amazon sei nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts aber auf innerbetrieblichen Umstände zurückzuführen.
Ursächlich war nicht der saisonbedingt erhöhte Auftragseingang. Die Lieferengpässe wurden vielmehr maßgeblich durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2015 eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt. Deshalb war nicht zu entscheiden, ob schon ein saisonbedingt erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstellt, die die Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen kann.
Hinweis: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 2021, Az: 8 C 3.20; Vorinstanzen: OVG Münster, Urteil v. 11.12.2019, Az.: 4 A 738/18, VG Düsseldorf, Az.: 29 K 8347/15
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