Arbeitgeber muss Umkleidezeit als Arbeitszeit vergüten
Immer wieder müssen sich Gerichte damit beschäftigen, ob Umkleidezeiten vom Arbeitgeber vergütet werden müssen. Nach der Rechtsprechung des BAG handelt es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung um vergütungspflichtige Arbeit.
Im vorliegenden Fall war der Arbeitgeber nicht bereit, die Umkleidezeit einer Arbeitnehmerin im Betrieb zu vergüten. Der angeführte Grund: Die Dienstkleidung, bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen, sei nicht besonders auffällig. Bei der Sache ging es eigentlich nur um 69 Euro. Doch letztlich landete der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).
Der Fall: Arbeitnehmerin in der Geldbearbeitung fordert Vergütung der Umkleidezeit
Die klagende Arbeitnehmerin ist für ein Unternehmen tätig, das bundesweit Geld- und Werttransporte sowie Geldbearbeitung betreibt. Ihr Arbeitsplatz ist ein Geldbearbeitungszentrum in der obersten Etage. Die Umkleideräume befinden sich im Untergeschoss. Dort zieht die Arbeitnehmerin ihre Dienstkleidung an, welche aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt besteht. Auf dem Shirt befindet sich in gelber Schrift das Firmenlogo, sowohl auf der Vorder- als auch der Rückseite. Vor Beginn und nach Ende der Tätigkeit betätigte die Mitarbeiterin die Stempeluhr vor ihrer Abteilung in der obersten Etage, um sich dann wieder in die Umkleideräume zu begeben. Manche Arbeitnehmer erscheinen bereits in Dienstkleidung zur Arbeit und legen damit auch den Weg nach Hause zurück.
Auffällige Dienstkleidung: ja oder nein?
Die Arbeitnehmerin forderte vom Arbeitgeber im November 2015 die Vergütung für Umkleidezeiten von September bis Oktober 2015 in Höhe von 69 Euro. Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, dass die Dienstkleidung, die er zu Verfügung stelle nicht besonders auffällig sei. Daher sei die Umkleidezeit keine zu vergütende Arbeitszeit.
Vergütungspflicht für Umkleidezeiten?
Der Arbeitgeber unterlag mit dieser Meinung vor dem Bundesarbeitsgericht. Das BAG urteilte, dass die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeiten im Betrieb hat. Die Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb seien grundsätzlich als vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB anzuerkennen, machte das Gericht deutlich.
Die Richter verwiesen auf eine BAG-Entscheidung vom 6. September 2017. Danach ist das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeit, da der Arbeitnehmer kein eigenes Interesse daran hat, seine berufliche Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb der Arbeitszeit offen darzustellen.
Dienstkleidung: Poloshirt mit Firmenlogo und Sicherheitsschuhe auffällig genug
Die Arbeitnehmerin war zweifellos zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet, stellte das Gericht fest. Für die Erfurter Richter war die Dienstkleidung auch auffällig genug, um rechtlich die Erfordernis einer besonders auffälligen Dienstkleidung zu erfüllen. Denn aufgrund des Schriftzuges auf dem Poloshirt war die Arbeitnehmerin in der Öffentlichkeit als Mitarbeiterin des Unternehmens zu erkennen.
Mit dem Tragen von Sicherheitsschuhen erfülle die Arbeitnehmerin zudem kein eigenes Bedürfnis, sondern lediglich die Weisung des Arbeitgebers zur Verwendung der zur Verfügung gestellten Schutzkleidung während ihrer Tätigkeit.
Umkleidezeiten dürfen nicht ewig dauern
Auch an den Umkleidezeiten selbst hatte das BAG im konkreten Fall nicht auszusetzen. Laut BAG dürfe ein Arbeitnehmer nämlich grundsätzlich seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen. Vielmehr zähle – auch bei der Arbeitszeit, die auf das Umziehen verwandt wird – lediglich die Zeitspanne zur Arbeitszeit, die für den einzelnen Mitarbeiter unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich sei.
Hinweis: BAG, Urteil vom 25. April 2018, Az: 5 AZR 245/17
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