Was bringt der Koalitionsvertrag für die Arbeitswelt?

Am 24. November legte die Ampelkoalition den über Wochen erarbeiteten Koalitionsvertrag vor. Professor Rupert Felder, Vizepräsident des "Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen" (BVAU), hat das Vertragswerk genau unter die Lupe genommen und kommt nicht umhin, einige Anmerkungen zu machen.

Zunächst ist Aufatmen angesagt. Weil einiges fehlt, also nicht im Koalitionsvertrag steht. Themen, die hätten sein können, Vorhaben, von denen befürchtet wurde, dass sie Eingang finden. Doch das Tor war zu. Das ist erst einmal gut. Denn im Koalitionsvertrag fehlt das Einkassieren des Befristungsrechts. Es sind keine neuen Administrations-Monster geschaffen worden, keine Gender-Gesetze oder Anspruchsklauseln. Wer auch immer sich durchgesetzt hat: Die Abschnitte zur Arbeitswelt werden vom Nebel des Ungefähren, dem Charme der Absichtserklärung und mutigem Ankündigen umweht. Die gute Nachricht ist: Da sind keine Schrecken drin. Der Koalitionsvertrag ist beim Kapitel "Arbeit" eher eine Art Grundsatzerklärung zum Lesen. Das liest sich wie eine Festansprache zum Betriebsjubiläum. Weitermachen.

Wenig ambitioniert

Daher gibt es Sätze, die im Koalitionsvertrag stehen wie die Yucca-Palme im Büro. Vertraut, aber nicht aufregend. "Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung sind notwendige Instrumente" steht da. Fein, dann wäre das geklärt. Vieles liest sich, sagen wir mal, deskriptorisch, als Zustandsbeschreibung, eher wenig ambitioniert. So etwa die Passage zur Digitalisierung in der Betriebsverfassung: "Die Mitbestimmung werden wir weiterentwickeln. Betriebsräte sollen selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten". Wahrscheinlich war den Ampel-Autorinnen und Autoren das Thema nicht ganz so wichtig, also wird es mit dem Anstrich der Selbstbestimmung ins Regal gelegt. Macht’s halt oder lasst es bleiben, den Ampelanern ist es Erwähnung wert, aber nicht Gestaltung. Keine digitale Betriebsversammlung, keine Online-Betriebsratswahl oder vielleicht nur Aufsichtsratswahl. Das ist wie Limbo-Tanzen, nur ohne Latte.

Interessanter wird es auch im Kapitel zur Bundesagentur für Arbeit nicht. Den jetzt beschriebenen Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einer "Qualifizierungsagentur" hat schon das Duo Andrea Nahles und Frank-Jürgen Weise postuliert. Und zwar vor geraumer Zeit. Auch eine Andrea Nahles war es, die mit Grünbuch und Weißbuch ehedem Innovationen und neue Denkmodelle forciert hat. Jetzt gibt es gar kein Buch mehr, aber eine Zusage, dass "Experimentierräume" zur Arbeitszeitgestaltung geschaffen werden. Aber alles ausschließlich im abgesteckten Terrain der Tarifparteien.

Was lange währt...

Ein Satz, der über den Eingang des Arbeitsministeriums geklebt werden könnte, findet sich auch im Abschnitt über das Homeoffice. "Zur gesunden Gestaltung des Homeoffice erarbeiten wir im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen" steht da. Sätze können nicht rot werden, Autoren schon. Wie lange waren nochmal die Koalitionsverhandlungen? Was lange währt, kann auch belanglos sein.

Gute Ansätze sind die Anmerkungen zu den "A1-Bescheinigungen". Danke, dass jemand diese unsinnigen Bescheinigungen sich zu eigen macht. Aber die Abschiebung ins Herbeiwünschen eines "europäischen elektronischen Echtzeitregisters" flößt nicht gerade Vertrauen ein, dass das bis zum Ende der Legislaturperiode umgesetzt sein wird. Dabei ist das Thema täglicher Aufreger in einer europäisch funktionierenden Wirtschaft.

Ausweitung und Weiterentwicklung

Der Dauerbrenner "Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken" findet sich zuverlässig auch in diesem Koalitionsvertrag. Der Satz ist Standard, die Umsetzung hängt. Immerhin will man einen Aktionsplan "Gesunde Arbeit" ins Leben rufen. Aber immer dann, wenn es interessant zu werden beginnt, enden die Sätze. So etwa die Formulierung: "Auch das Transfer-Kurzarbeitergeld weiten wir aus und entwickeln die Instrumente des SGB III in Transfergesellschaften weiter." Da hätte man schon gerne gewusst, was "Ausweiten" meint. Mehr in der Höhe oder eher in der Breite. Und wenn Instrumente "weiterentwickelt" werden, dann weiß der Praktiker, dass Aufmerksamkeit angesagt ist. Wohin wird entwickelt und was meint "weiter"? Diese Details fehlen, werden aber sicherlich kommen, wenn die Ampel auf Grün springt und mit der Umsetzung beginnt. In Summe atmet das Ampel-Papier im Kapitel "Arbeit" wenig Inspiration, viele grundsätzlich richtige Sätze reihen sich aneinander. Das mag zunächst beruhigen, die Praxis wird zeigen, was dann in Gesetzestexte mündet. Bei aller Kritik, der tröstlichste Satz steht in Zeile 2890: "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein." Wohl denn, das führt immerhin zu einigen neuen Arbeitsplätzen. Danke, Ampel.


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