Flexibilisierung der Teilrenten und des Hinzuverdienstrechts


Flexibilisierung der Teilrenten und des Hinzuverdienstrechts

Bei Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze gelten bereits seit 1992 Hinzuverdienstgrenzen. 1996 wurden diese auch bei Erwerbsminderungsrenten eingeführt. Was bedeutet es, wenn nunmehr neue, veränderte Rahmenbedingungen für das Arbeiten neben dem Rentenbezug bis zur regulären Altersgrenze gelten sollen?

Istzustand beim Hinzuverdienst- und Teilrentenrecht

Es trifft zu, dass das geltende Recht eher ein Hemmschuh für ein flexibles Weiterarbeiten im Rentenalter ist. Heute haben weiterarbeitende Rentner nur die Möglichkeit, sich zwischen einer Altersrente in voller Höhe mit einem Hinzuverdienst von höchstens 450 EUR monatlich oder einer Teilrente in Höhe von 2/3, 1/2 oder 1/3 mit einem jeweils zulässigen höheren Hinzuverdienst zu entscheiden. Für jede dieser Teilrenten gilt eine (in Ost und West unterschiedliche) individuelle Hinzuverdienstgrenze, deren Höhe sich an den Entgeltpunkten der letzten drei Jahre vor Rentenbeginn orientiert. Zweimal im Kalenderjahr können die Hinzuverdienstgrenzen rentenunschädlich bis zum Doppelten überschritten werden. Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, so sinkt die Rente auf die Höhe derjenigen Teilrente, deren Hinzuverdienstgrenze gerade noch eingehalten wird. Wird die Grenze für die geringstmögliche Teilrente in Höhe von 1/3 überschritten, entfällt der Rentenanspruch. Dieses System mit Korridoren eines zulässigen Hinzuverdienstes innerhalb der Teilrentenstufe kann bei einem nur geringfügigen Überschreiten der jeweiligen Hinzuverdienstgrenze dazu führen, dass die Rente über den eigentlichen Hinzuverdienst hinaus unverhältnismäßig stark gekürzt wird. Wohl auch deshalb wird die Möglichkeit der Teilrente heute nur in äußert geringem Umfang genutzt. Im Jahr 2015 gab es unter allen Zugängen in eine Altersrente lediglich rund 2800 Altersteilrentner.

Neuregelung des Hinzuverdienst-/Teilrentenrechts ab 1.7.2017

Mit der zum 1.7.2017 geplanten Neuregelung werden Teilrente und Hinzuverdienst flexibler als bisher miteinander kombinierbar. Die bestehenden monatlichen Hinzuverdienstgrenzen entfallen zugunsten einer (in Ost und West einheitlichen) kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR mit stufenloser Anrechnung. Die Politik verspricht sich davon, dass die Menschen ihre Erwerbstätigkeit nicht - wie heute fast ausschließlich - schlagartig etwa mit 63 Jahren beenden und eine vorgezogene Altersrente in voller Höhe beziehen. Stattdessen soll das neue Recht sie dazu motivieren, bis zur Regelaltersgrenze von zukünftig 67 Jahren in Teilzeit weiter zu arbeiten, kombiniert mit einer sich flexibel anpassenden Teilrente. Ob die Menschen dies auch tun werden, hängt wesentlich davon ab, wie attraktiv das Weiterarbeiten neben der Teilrente ist. Die Akzeptanz hängt zudem davon ab, wie transparent und nachvollziehbar das neue Recht für die Betroffenen ist. Hier lohnt ein Blick auf einige Details der Neuregelung.

Neue Teilrente mit stufenloser Anrechnung

Eine Teilrente kann künftig stufenlos in individueller Höhe bezogen werden. Das heißt, es können nun nicht mehr nur die bisherigen drei Stufen (in Höhe von 2/3, 1/2 oder 1/3) als Teilrente gewählt werden, sondern jeder beliebige Anteil. Die Höhe der Teilrente kann entweder in Höhe von mindestens 10 Prozent der Vollrente frei gewählt werden oder sie ergibt sich - wenn der Hinzuverdienst über der kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR (= 12 x 450 EUR plus 2 x 450 EUR für das bisherige zweimalige kalenderjährliche Überschreiten um das Doppelte) liegt - durch eine stufenlose Anrechnung des Hinzuverdienstes auf die Rente.

Hinweis
Höhe der frei gewählten und sich durch Hinzuverdienstanrechnung ergebenden Teilrente
Zu beachten ist, dass die Teilrente nur insoweit frei gewählt werden kann, als sich nach der Regelung zur Hinzuverdienstanrechnung (§ 34 Abs. 3 SGB VI-E) keine niedrigere Teilrente ergibt. Eine frei gewählte Teilrente kann jedoch niedriger sein als die Teilrente, die sich aus der Anrechnung von Hinzuverdienst ergeben würde. In Folge einer Hinzuverdienstanrechnung kann sich eine Teilrente ergeben, die weniger als 10 Prozent der Vollrente beträgt.
In welcher Höhe eine (Teil-)Rente in Anspruch genommen wird, hat Bedeutung für die Frage der Höhe der Rentenabschläge. Mit den Rentenabschlägen in Höhe von 0,3 Prozent pro Monat werden nur diejenigen Entgeltpunkte versehen, die auch vorzeitig in Anspruch genommen werden.

Wie wird der Hinzuverdienst konkret angerechnet?

Zunächst wird geprüft, ob der vom 1.1. bis 31.12. des Jahres erzielte Hinzuverdienst die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR übersteigt. Ist dies der Fall, wird ein Zwölftel des übersteigenden Betrages zu 40 Prozent auf die Vollrente angerechnet. Anschließend wird geprüft, ob der sogenannte Hinzuverdienstdeckel (höchste Entgeltpunkte aus den letzten 15 Kalenderjahren vor dem Beginn der ersten Rente wegen Alters) überschritten wird. Ist dies der Fall, wird der Hinzuverdienst zu 100 Prozent angerechnet. Damit wird erreicht, dass die Rentner grundsätzlich nur ein Einkommen aus Teilrente und Hinzuverdienst bis zur Höhe des früheren Einkommens erzielen können.

Ablauf des neuen Verfahrensrechts

Im Grunde nicht viel anders als bei der Strom- oder Heizkostenabrechnung: Der Rentenversicherungsträger berücksichtigt bei Rentenbeginn oder bei (späterer) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit den voraussichtlichen kalenderjährlichen Hinzuverdienst (Prognose) bis zum 30. Juni des Folgejahres. Grundlagen für die Prognose können neben den Angaben der Versicherten z. B.

  • Arbeitsverträge,
  • Bescheinigungen des Arbeitgebers oder
  • im Falle von Arbeitseinkommen (steuerrechtlicher Gewinn) Bescheinigungen des Steuerberaters

sein. Jeweils zum 1. Juli der folgenden Kalenderjahre wird eine neue Prognose bis zum nächstfolgenden 30. Juni erstellt.


Ebenfalls wird zum 1. Juli der tatsächliche Hinzuverdienst des vorigen Kalenderjahres ermittelt und die Rente rückwirkend für das abgelaufene Kalenderjahr neu berechnet. Die bisherigen Rentenbescheide sind aufzuheben. Zu viel erbrachte Rentenleistungen sind von den Versicherten an den Rentenversicherungsträger zu erstatten. Wurde zu wenig Rente gezahlt, erhalten die Versicherten ein Guthaben ausgezahlt. In dem Jahr, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird, werden das Kalenderjahr davor und die Monate bis zur Regelaltersgrenze in die Prüfung und eventuelle Neuberechnung einbezogen.
Auf Antrag kann unterjährig eine neue Prognose abgegeben und die Rente angepasst werden, wenn sich der Verdienst, nach oben oder unten, um mehr als 10 Prozent verändert hat. Dadurch kann die Rente flexibel an die persönliche Situation angepasst werden.

Lesen Sie:

Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zurFlexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestandund zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben(Flexirentengesetz)