Corona und Kurzarbeit: Die (un-)übersichtliche Vielfalt in der Entgeltabrechnung
Kürzlich führte ich ein Gespräch mit einer 55-jährigen Leiterin der Entgeltabrechnung in einem großen Unternehmen. Sie teilte mir mit, dass es gänzlich unmöglich sei, diese Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen und Fristen, die seit Beginn der Corona-Pandemie verabschiedet wurden, in der Entgeltabrechnung korrekt umzusetzen. Es fehlten Fachkompetenz und eindeutige Regelungen sowie die Zeit, um dringend notwendige Prozesse zu definieren. "Teams sind gänzlich überlastet – folglich werden und sind bereits viele Fehler passiert, mit denen wir leben müssen", so die Führungskraft.
Diese Äußerung hat mich erschreckt und erst beim genauen Hinsehen wurde mir klar, dass ein solch verzweigter Baum an Neuregelungen ja nicht im Standard von Abrechnungssystemen wie SAP, Datev, Lexware usw. hinterlegt sein kann und dass eine korrekte Umsetzung nur in einer engen Schnittstelle zwischen IT und Unternehmen erfolgen kann. Der folgende Überblick zeigt, welche Regelungen Verantwortliche für die Entgeltabrechnung beherrschen müssten, um einen korrekten Ablauf der Gehälter sicherzustellen.
Neue befristete Regelungen: Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld
Kurzarbeitergeld kann (zunächst befristet bis Ende 2020) unter erleichterten Bedingungen bezogen werden:
- Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 Prozent.
- Teilweise oder vollständiger Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden.
- Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezugs auch für Leiharbeitnehmer.
- Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit.
- Gestaffelte Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Von der Erhöhung profitieren Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit um mindestens 50 Prozent reduziert wird. Ab dem vierten Monat der Kurzarbeit erhalten diese Personen 70 Prozent bzw. 77 Prozent (mit Kind) Kurzarbeitergeld. Ab dem siebten Monat des Bezugs erfolgt eine Erhöhung auf 80 Prozent bzw. 87 Prozent (mit Kind).
- Rückwirkende Steuerfreiheit des Arbeitgeberzuschusses zum Kurzarbeitergeld.
- Keine Anrechnung von Hinzuverdienst auf das Kurzarbeitergeld.
Konfrontation mit dem Infektionsschutzgesetz und Entschädigungsleistungen
Im Infektionsschutzgesetz sind die gesetzlichen Pflichten zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen geregelt. Um die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern, kann für Personen, die Krankheitserreger in sich tragen, ein behördliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen bzw. eine Quarantäne angeordnet werden. Während dieser Zeit steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich eine Verdienstausfallentschädigung – die in Vorleistung vom Arbeitgeber zu zahlen ist - zu. Die hierfür gültigen Regelungen könnten unübersichtlicher kaum sein:
Lohnsteuer:
- Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 25 EStG,
- Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e EStG,
- Aufzeichnungsverpflichtung im Lohnkonto nach § 41 Abs. 1 Satz 4 EStG,
- Aufzeichnungspflicht in der Lohnsteuerbescheinigung nach § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG,
- Ausschluss vom Lohnsteuer-Jahresausgleich bestimmt § 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.
Sozialversicherung:
Die versicherungs- und beitragsrechtlichen Regelungen für Personen, die einen Verdienstausfall wegen einer angeordneten Quarantäne oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhalten, ergeben sich aus dem Rundschreiben "Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 13./14.10.2009 zu versicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen des Bezugs einer Entschädigung nach § 56 IfSG bei Beschäftigungsverboten oder bei Absonderung".
Und wäre da nicht auch noch die Entschädigung für Eltern für die Betreuung ihrer Kinder nach § 56 Abs. 1a IfSG, welche ebenfalls vom Arbeitgeber in Vorleistung auszuzahlen ist und ähnlich aber doch ganz anders als die Entschädigungsleistungen für Beschäftigungsverbot und Quarantäne zu handhaben ist …
Regelung zur Corona-Beihilfe
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können ihren Beschäftigten Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro steuerfrei auszahlen oder als Sachleistungen gewähren.
Sozialversicherungsrechtliche Neuregelungen für kurzfristig Beschäftigte und Rentner
- Die Zeitgrenzen für die geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung sind befristet auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen ausgeweitet.
- Auch die Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt (vor Regelaltersgrenze) wurde erleichtert. Das geltende Recht sieht Beschränkungen vor, wenn neben der Rente hinzuverdient wird.
Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket
- Neuregelung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für 2020 und 2021.
- Prämien für Arbeitgeber für den Erhalt des Ausbildungsplatzangebotes.
- Erhöhung der Kaufpreisgrenze für die Versteuerung von reinelektrischen Dienstwagen.
Wer soll sich all die Fristen merken?
Eine Vielzahl dieser Regelungen ist befristet und läuft im Jahr 2020 oder 2021 aus, jedoch – wer hätte dies gedacht – mit völlig unterschiedlichen Beginn- und Endmonaten. Um Beispiele zu nennen:
- Die Regelung für kurzfristig Beschäftigte gilt vom 1. März bis 31. Oktober 2020, die für Rentner für das gesamte Kalenderjahr.
- Die Möglichkeit der Corona-Beihilfe besteht von 1. März bis zum 31. Dezember 2020, allerdings gilt die Nichtanrechnung von Nebenverdienst grundsätzlich erst ab 1. Mai 2020, dafür aber auch bis Ende des Jahres.
Keine Sorge, die Abrechnungssysteme können das!?
- Wie soll ein Abrechnungssystem etwas abrechnen können, was es bislang nicht gab?!
- Wie sollen IT-Experten sich in Windeseile in Gesetze (ohne Kommentierungen) einlesen und diese korrekt umsetzen?!
- Wie soll es Verantwortlichen in der Entgeltabrechnung möglich sein, alles korrekt umzusetzen, wenn die IT nicht hinterher kommt, wenn im Unternehmen der Standard eben nicht Standard ist, sondern Sonderregelungen aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen etc. gelten?!
- Wie sollen Mitarbeiter viel Verständnis entwickeln, wenn deutlich weniger Gehalt überwiesen wird?!
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