Nordeuropa bindet Silver Ager am besten
In Deutschland hat sich innerhalb eines Jahrzehnts der Anteil der Erwerbstätigen im Alter zwischen 65 und 69 Jahren von 5,5 Prozent (2003) auf 12,6 Prozent (2013) erhöht und damit mehr als verdoppelt. Das geht aus dem aktuellen "Golden Age Index" des Wirtschaftsprüfers und Unternehmensberaters PWC hervor, in dessen Berechnung neben der Quote der Beschäftigten zwischen 65 und 69 Jahre auch das Verhältnis von Frauen und Männern, die Teil- und Vollzeitquote, das durchschnittliche Austrittsalter sowie die Teilnahme an Fortbildungen einfließen.
Zwar macht sich hierzulande die Rente mit 63 durchaus in der Personalstruktur bemerkbar, wie Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Frühjahr dieses Jahres belegen.
Doch offenbar beginnen die Unternehmen, darauf zu reagieren: So hatte eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) kürzlich ergeben, dass bereits jedes vierte Unternehmen aktiv versucht, die Mitarbeiter, die mit 63 Jahren gehen könnten, zu halten.
Ältere in Nordeuropa arbeiten länger
Die neue Studie von PWC gibt nun auch Aufschluss darüber, in welchen Ländern das Binden älterer Mitarbeiter schon richtig gut läuft. Demnach könnte Deutschland etwa vom Norden Europas einiges lernen: Island ist der Studie zufolge führend, Schweden (Platz 3) und Norwegen (Platz 5) können ebenfalls mit ihren Konzepten für Ältere punkten.
Auch außerhalb Europas gibt es Vorbilder: Neuseeland liegt auf dem zweiten Rang und Israel auf dem vierten. Unter den 34 OECD-Staaten nimmt Deutschland beim "PWC Golden Age Index" mit Rang 18 einen Platz im Mittelfeld ein.
Was Unternehmen besser machen können
Die Autoren von PWC geben einige Beispiele dafür, was Unternehmen tun können, um ältere Mitarbeiter länger zu halten. Sie müssten flexibel agieren und Arbeitsplätze anpassen – etwa, indem sie Jobs neu gestalten oder Rollenwechsel ermöglichen.
Auch Familienzeiten, Karriereunterbrechungen und Alumni-Programme könnten helfen, die Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer weiter einzusetzen. Weitere wichtige Maßnahmen seien maßgeschneiderte Programme für die Gesundheit älterer Arbeitnehmer sowie die permanente Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter, die nicht mit 50 enden dürfe.
Um zu gewährleisten, dass Unternehmen die Bedürfnisse älterer Beschäftigter auch tatsächlich in ihrer Agenda verankern, schlagen die Studienautoren vor, dass der Faktor "Alter" künftig auch in Diversity-Audits eine Rolle spielen sollte.
"Besonders wichtig ist es, die häufig jüngeren Führungskräfte im Umgang mit älteren Mitarbeitern zu schulen. Die Integration älterer Mitarbeiter sollte ein selbstverständlicher Bestandteil der Diversity-Konzepte von Unternehmen sein", empfiehlt Petra Raspels, Vorstandsmitglied und Leiterin Human Capital bei PWC. Der Wandel könne nur gelingen, wenn alle Beteiligen ihr Rollenverständnis und ihr Verhalten reflektieren.
Welche Anreize die Politik setzen kann
Doch auch die Politik sehen die Studienautoren in der Pflicht, wenn es darum geht, die Beschäftigung Älterer zu fördern. Als Ansatzpunkte zur Förderung Älterer schlagen sie unter anderem Steuervergünstigungen für Unternehmen, die ältere Mitarbeiter einstellen, vor. Außerdem sollte, wenn es nach den Studienautoren geht, mehr Geld in die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer fließen, etwa in Hinblick auf deren digitale Fähigkeiten. Zudem sollten Anti-Diskriminierungsgesetze strikter durchgesetzt werden.
Für die Handlungsmöglichkeiten der Politik nennen die Autoren Beispiele aus Schweden, wo einige gesetzliche Regelungen die Beschäftigung Älterer begünstigen sollen. So hat das Land in den 1990er-Jahren die Frühverrentung gestoppt und die Regeln für die Berufsunfähigkeit verschärft. Auch mit steuerlichen Anreizen für Arbeitnehmer und Unternehmen sollen die Beschäftigten länger auf dem Arbeitsmarkt gehalten werden.
Ältere sind länger leistungsfähig
"Viele ältere Menschen sind aktiver als frühere Generationen, bilden sich fort und möchten gerne weiter einer Erwerbstätigkeit nachgehen", bestätigt Raspels.
Diese Einschätzung deckt sich mit statistischen Erhebungen: So stellten etwa Wissenschaftler mehrerer Berliner Forschungseinrichtungen, darunter die Humboldt-Universität zu Berlin (HU), die Charité - Universitätsmedizin Berlin, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) in einer gemeinsamen Studie fest: Die heute 75-Jährigen sind im Durchschnitt geistig erheblich fitter als die 75-Jährigen vor 20 Jahren, zeichnen sich durch höheres Wohlbefinden aus und sind insgesamt zufriedener mit ihrem Leben.
Die gesteigerte Leistungsfähigkeit hat aber wohl auch eine negative Kehrseite: Die Wissenschaftler rechnen damit, dass "die beobachteten positiven Effekte auf die geistige Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden am Lebensende deutlich abnehmen", wie Denis Gerstorf, Professor für Entwicklungspsychologie am Institut für Psychologie der HU, die Ergebnisse der Berliner Studie ergänzt.
Nach einem Zuwachs an guten Lebensjahren sei also nach wie vor mit einem schnellen und deutlichen Nachlassen der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens am Lebensende zu rechnen. Für dieses Bild sprächen aktuelle Studien von Gerstorf und Kollegen, die die letzten Lebensjahre älterer Menschen in den Blick nehmen.
Mehr zu Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Mitarbeiter lesen Sie in Ausgabe 05/2015 des Personalmagazins. Hier können Sie das Heft als App herunterladen.
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