Wie sieht das Recruiting nach der Krise aus?
Die Corona-Pandemie hat sich im März und April 2020 stark auf das Recruiting ausgewirkt. In diesen beiden Monaten schrieben Unternehmen und öffentliche Einrichtungen rund 25 Prozent weniger Positionen aus als in den beiden Vorjahresmonaten.
Der Personalbedarf ist branchenabhängig
Doch bei den einzelnen Branchen gab es deutliche Unterschiede, wie eine Stellenmarktauswertung von Index Research und Index Anzeigendaten ergab: Im Gesundheitswesen sank die Anzahl der Stellenanzeigen um weniger als vier Prozent. Auch die boomende Baubranche verzeichnete nur einen leichten Rückgang von weniger als neun Prozent. Das Ausbildungsangebot blieb mit minus neun Prozent ebenfalls recht stabil. Ganz anders sieht es dagegen im Gastgewerbe und bei Automobilbetrieben aus, wo deutschlandweit über 50 Prozent weniger Positionen zu besetzen waren.
Das Recruiting wird sich durch die Corona-Krise verändern
Anhand dieser Zahlen lässt sich eine erste Skizze für den weiteren Jahresverlauf entwerfen: Das Recruiting wird sich mutmaßlich in drei Lager aufspalten. Das erste und vermutlich größte Lager vertreten diejenigen Arbeitgeber, die ihr Recruiting herunterfahren oder auf Eis legen. Im zweiten Lager finden sich jene Arbeitgeber, die weitermachen wie geplant, und im dritten Lager tummelt sich eine kleine Gruppe von Arbeitgebern, die antizyklisch agieren und nun erst recht rekrutieren wollen.
Nicht nur mengenmäßig wird sich das Recruiting verändern, sondern auch die Recruitingkanäle und -prozesse sind betroffen. Ein Beispiel sind Messeauftritte: Bedingt durch knappere Budgets und die neue Situation am Arbeitsmarkt werden es sich die meisten Unternehmen zweimal überlegen, ob ein opulenter Stand auf einer Recruitingmesse machbar ist. Zudem ist anzunehmen, dass viele Stellensuchende Massenveranstaltungen zunächst meiden werden.
Recruiting mit neuer Leichtigkeit
Doch die Corona-Pandemie hat auch zu positiven Veränderungen geführt, zwei Stichworte sind Improvisationsfähigkeit und Gemeinschaftssinn: Menschen helfen sich gegenseitig und sind plötzlich bereit, digitale Barrieren zu überwinden. Diese neue Leichtigkeit im Umgang zeigte sich bei denjenigen Unternehmen, die auch in der akuten Krise weiter rekrutierten. Videointerviews und Online-Assessment wurden umfassend genutzt.
All diese Entwicklungen werden auch nach Abklingen der Akutphase von Corona eine große Rolle spielen: Das Recruiting wird einfacher, digitaler und trotzdem persönlicher werden – und das wird auch von den Kandidatinnen und Kandidaten eingefordert werden. Wenn es in der Krise ging, warum nicht auch danach? Eine gute Kandidatenorientierung, die schon zuvor ein Top-Faktor für den Recruitingerfolg war, wird weitere Relevanz erhalten.
Candidate Experience bleibt ein wichtiges Thema
Das bestätigt die Studie "Candidate Journey" aus dem Jahr 2018: Auf die Frage nach den wichtigsten strategischen Recruiting-Themen für die nächsten drei bis fünf Jahre antworteten die meisten Befragten, dass sie die Candidate Experience optimieren wollen. Dieses Vorhaben ist jetzt noch wichtiger geworden, da unkomplizierte Lösungsfindungen die Zusammenarbeit während der Krise prägten. Diese Erfahrung wird bleiben. Arbeitgeber, die nach überstandener Akutphase der Krise wieder auf ein bürokratisches, emotional distanziertes Handeln umschalten, werden in der Wahrnehmung der Bewerber abgestraft.
Wer glaubt, die alte Marktmacht als Arbeitgeber wiederzulangen, weil die Arbeitslosenzahlen wieder zunehmen, vergisst Arbeitgeber-Bewertungsportale wie Kununu. Mit diesen Portalen bleibt das Rekrutierungsverhalten der Unternehmen ein Gegenstand der öffentlichen Diskussion der Stellensuchenden. Gleichzeitig sind die Menschen seit der Krise sensibilisiert für Anstand in der Wirtschaft. Als Beispiel kann der Shitstorm genannt werden, der Adidas widerfuhr, als der Konzern ankündigte, keine Ladenmieten mehr zu zahlen.
Kandidatenorientierung war wichtig – jetzt wird sie unabdingbar
Wir wissen seit Jahren aus zuverlässigen Studien, dass eine positive Kandidatenerfahrung gut für die Arbeitgebermarke ist, für die Recruitingperformance und für die spätere Mitarbeiterbindung. Im Nachgang der Corona-Krise wird ein solches Verhalten von Arbeitgebern erst recht verlangt. Arbeitgeber die im Recruiting in alte, bürokratische, komplizierte und unemotionale Muster zurückfallen, werden besonders unangenehm auffallen. Kandidatenorientierung war wichtig – jetzt wird sie unabdingbar.
Sechs Punkte, mit denen Recruiter stärker aus der Krise hervorgehen
Wenn wir davon sprechen, wie das Recruiting in der Wahrnehmung durch die Kandidaten besser werden kann, kommen wir nicht an den Akteuren dieser Funktion vorbei, die Recruiterinnen und Recruiter. Was sie tun sollten, um stärker und besser aus der Krise hervorzugehen ist mit den folgenden sechs Punkten gut beschrieben:
1. Die Skills ausbauen. Wer jetzt im reduzierten Modus rekrutieren muss, sollte unbedingt die Zeit dazu nutzen, die eigenen Recruiting-Fähigkeiten auszubauen.
2. Digitaler werden. Recruiting ist durch die Corona-Situation vielerorts digitaler geworden, ohne dass große Projekte aufgesetzt wurden. Diesen digitalen Schwung müssen die Recruiting-Teams über die akute Krisenphase hinaus bewahren und in dauerhafte Prozesse überführen.
3. Ein Recruiting Controlling einführen. Wo mehr digital erledigt wird, ist eine größere Verfügbarkeit von auswertbaren Daten gegeben. Diese clever auszuwählen und in ein alltagsfähiges Recruiting-Controlling-Setup zu bringen, wird eine der Erfolgskriterien für Recruiting-Teams in der Post-Corona-Zeit werden.
4. Die Personalauswahl verfeinern. Zwar ist eine treffsichere Bewerberauswahl immer wichtig, aber durch die höhere Bewerberverfügbarkeit wird das Thema noch mehr in den Fokus rücken. Jetzt bietet sich die Chance, ein methodisches Upgrade durchzuführen, um künftig validere Aussagen treffen zu können.
5. Die Wettbewerbsposition anpassen. Kandidatinnen und Kandidaten aus Engpassprofilen werden von Unternehmen, die der Krise zum Opfer fallen, freigesetzt. Hier können clevere Arbeitgeber mit entsprechendem Personalbedarf zuschlagen. Dafür müssen die Recruiting-Teams zeitnah entsprechende Zielprofile anlegen und wissen, wo die gesuchten Profile auf den Markt kommen.
6. Das eigene Netzwerk ausbauen. Wann es wieder Netzwerktreffen, Konferenzen und Seminare geben wird, steht in den Sternen. Deshalb gilt es nun, Kontakte in den sozialen Medien auszubauen. Wer in der Vergangenheit wenig Interesse am eigenen Auftritt in Xing oder Linkedin zeigte, muss das unbedingt nachholen.
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Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Personalgewinnung und strategische Recruiting-Themen beschreibt auch eine aktuelle Studie von Meta HR und Stellenanzeigen.de.
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