Fünf Tipps für virtuelle Assessment Center
Bereits im Zuge der Fridays-for-Future-Bewegung erreichten Profil M im vergangenen Jahr verstärkt Nachfragen aus Unternehmen nach virtuellen Assessment Centern. Reisekosten zu reduzieren und damit auch den C02-Fußabdruck, war für viele Organisation auf die Agenda gerückt.
Virtuelle Assessment Center: Was HR beachten muss
Die Corona-Krise hat diesen Bedarf nun noch weiter erhöht. Und so haben wir in den letzten Monaten rund 250 virtuelle Assessment Center begleitet – und konnten daraus wertvolle Learnings für die Konzeption und Durchführung sammeln. Die fünf wichtigsten haben wir für HR-Verantwortliche zusammengefasst.
1. Einschränkungen von virtuellen Assessments
Natürlich bieten onlinegestützte Assessment Center nicht die gleichen Beobachtungsmöglichkeiten wie es Präsenzdurchführungen tun. Insofern sollte, wer ein Remonte Assessment plant, sich der möglichen Einschränkungen im Vorfeld bewusst sein. Diese betreffen im Wesentlichen zwei Aspekte:
- Erstens haben Entscheider und Beobachter häufig das Gefühl, dass in einem Online-Assessment persönliche Eindrücke wie beispielsweise der Faktor "Chemie" weniger stark hervortreten. Diese Einschränkung wiegt für Auswahl-Assessment-Center sicherlich schwerer als für Development Center, in denen es vornehmlich um eine möglichst objektivierbare Prüfung von Kompetenzen und Potenzialfaktoren geht. Remote Assessment Center haben in Auswahlverfahren insofern einen sinnvollen Platz im Gesamtprozess, ersetzen aber das persönliche Kennenlernen nicht völlig, was Personalentscheider bei der Prozessgestaltung mit einbeziehen sollten.
- Die zweite große Einschränkung betrifft die Körpersprache. Bei Teilnehmern und Bewerbern, die im Homeoffice vor der Webcam sitzen, kann man – bei guter Video- und Audioqualität – Mimik und Stimme durchaus differenziert wahrnehmen, aber eben keinen ganzheitlichen Eindruck der Körpersprache gewinnen. Dazu gehören Nervosität ebenso wie persönliche Präsenz im Raum, Standing vor einer Gruppe oder ausgestrahlte Energie in Präsentationssituationen. So ist der Gesamteindruck zwar unvollkommener als bei einem persönlichen Treffen, für viele Anwendungsfälle jedoch eine gangbare Möglichkeit.
2. Angemessene Übungsformate nutzen
Unter den gängigen Übungstypen in Assessment Centern lassen sich umfangreiche Fallstudien am schlechtesten online bearbeiten. Ausführliche Dokumente am Bildschirm zu lesen und zu bearbeiten, erweist sich für viele Bewerber als unkomfortabel. Umfangreiche Fallstudien mit vielen Beobachtungsfacetten wirken im Onlineformat oftmals weniger trennscharf als in einer Präsenzdurchführung. Empfehlenswert sind deshalb präzise Kurzfallstudien, mit denen nur einzelne Kompetenzen abgebildet werden. Kurze Analyseaufgaben, Change oder Projektpläne, Innovationsfragestellungen oder Kundenfälle, die jeweils nur eine Instruktion von wenigen Charts und eine Vorbereitungszeit von 20 Minuten haben, eignen sich hingegen gut für ein Remoteformat. Das bedeutet auch: Je Fallstudie können meist nur zwei bis drei Kompetenzen sichtbar gemacht werden – diese treten dafür aber umso deutlicher und präziser zutage.
Rollenspiele sind in einem Remoteverfahren hingegen gut umsetzbar. So lässt sich das Szenario des Rollenspiels durchaus auch auf eine Videokonferenzsituation umschreiben, sodass diese noch mehr an Authentizität gewinnt. Der Vorteil einer Online-Durchführung liegt darin, dass Rollenspiele "intimer" wirken, wenn lediglich Teilnehmer und Rollenspieler ihre Webcam angeschaltet haben und alle anderen Beobachter unsichtbar bleiben. In einer Präsenzdurchführung sind viele Teilnehmer oft versucht, ihren Blick zu den Beobachtern schweifen zu lassen oder Blickkontakt zu diesen zu suchen. Dieses Problem lässt sich in einer Remote-Durchführung einfach umgehen.
Auch Präsentationen, die die Teilnehmer im Vorfeld ausarbeiten, eigenen sich für ein Remote-Verfahren. Strategische oder konzeptionelle Kompetenzen lassen sich so durch eine entsprechende Aufgabenstellung valide und umfassend erfassen.
3. Ausführliche Nachreflexion von Übung und Bausteinen
Eine zwischenmenschliche Kompetenz, die sich online weniger gut beobachten lässt, ist Empathie. In einem Rollenspiel oder Interview im Rahmen eines persönlichen Treffens lässt sich die "Schwingungsfähigkeit" eines Teilnehmers direkt erfassen. Beispielsweise indem die Beobachter einschätzen, wie ausgeprägt die Reaktion des Bewerbers auf schwache Signale oder subtile Hinweise ist. Online erweist sich diese Aufgabe als herausfordernd. Rollenspieler müssen darum einerseits expressiver agieren und Befindlichkeiten direkt ansprechen, als sie durch Körpersprache zu signalisieren. Gleichzeitig kann man durch gute Nachgespräche und Interviewphasen im Anschluss an bestimmte Bausteine durchaus erfassen, wie sensibel Teilnehmer für bestimmte situative Dynamiken sind, wie schlüssig sie eine Problemstellung interpretieren und wie gut sie sich in ein Szenario eindenken können.
4. Angemessene Durchführungsdauer
Bei Remote Assessments ist es besonders wichtig, auf eine akzeptable Durchführungsdauer zu achten. Mehr als vier, maximal fünf Stunden sollten Unternehmen Bewerbern in einem Remote-Verfahren nicht zumuten. Bei umfangreichen Assessment-Lösungen empfiehlt es sich, die Vorbereitungsaufgaben dem Teilnehmer kompakt zu Beginn bereitzustellen und erst dann die Beobachter hinzuzuholen. So lässt sich die Durchführungsdauer für Personalverantwortliche verkürzen.
5. Akzeptanz bei den Teilnehmern unterstützen
Nicht nur Entscheider und Beobachter sind bisweilen skeptisch, ob ein Online-Assessment eine ähnliche Informationsbasis bietet wie eine Präsenzdurchführung. Auch Teilnehmer dürfen sich fragen, ob sie ihre Kompetenzen online ähnlich überzeugend vermitteln können wie bei einem persönlichen Treffen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es vorteilhaft ist, wenn sich der Moderator des Assessment Centers und der Teilnehmer vorab online auf der genutzten Plattform treffen. So kann eine Vertrautheit hinsichtlich der Prozesse, Darbietung der Aufgabenstellung und Übungsdurchführung entstehen. Erfahrungsgemäß fühlen sich die Teilnehmer dann wohler und besser abgeholt.
Unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass Teilnehmer und Beobachter am Ende eines Online-Assessments fast immer zurückmelden, dass sie überrascht über die Intensität der Eindrücke oder die Güte eines Feedbacks sind. Wir erwarten nicht, dass Remote Accessments die klassische Durchführung von Präsenzverfahren völlig ablösen werden. Es wird immer Gründe geben, warum man sich besser persönlich trifft. Aber für bestimmte Fragestellungen und Prozessschritte werden sich Remote Assessment Center durchaus als eigenständige Durchführungsoption etablieren.
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