Wie sich der digitale Stress in der Pandemie verändert hat
"Die Studie zeigt uns, dass es von einer Vielzahl individueller Faktoren abhängt, ob Menschen gut oder schlecht mit der veränderten Arbeitssituation zurechtkommen", fasst Studienleiter Henner Gimpel die Ergebnisse zusammen. "Beispielsweise sind Führungskräfte im Schnitt deutlich besser an die digitale Arbeit gewöhnt. Menschen mit Kindern leiden stärker unter der aktuellen Situation, während Menschen mit Erfahrung im Umgang mit digitalen Technologien und Medien besser zurechtkommen", erläutert der Professor für Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Augsburg.
Zwölf digitale Belastungsfaktoren im Homeoffice
Von digitalem Stress spricht man, wenn Stressreaktionen durch die Nutzung digitaler Technologien ausgelöst werden. Aus einer Vorgängerstudie sind zwölf Belastungsfaktoren digitaler Arbeit bekannt, die Stress auslösen:
- Nicht-Verfügbarkeit bestimmter Technologien
- Mangelnde Erfolgserlebnisse
- Komplexität digitaler Technologien
- Informationsüberflutung
- Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Automatisierung (Jobunsicherheit)
- Leistungsüberwachung durch Technologien
- Verunsicherung aufgrund des steten Wandels der Technologien
- Angst vor dem Verlust der Privatsphäre (gläserne Person)
- Ständige Erreichbarkeit
- Unzuverlässigkeit der technischen Systeme
- Konzentrationsprobleme durch Unterbrechungen
- Unklarheit der Rolle (fachgebundene vs. technische Aufgaben)
Gegenläufige Entwicklungen bei digitalem Stress
In der aktuellen Studie wurden die Beschäftigten nun vor und während der Covid-19-Pandemie dazu befragt, wie sie diese Belastungsfaktoren empfinden. Hier zeigt sich insgesamt ein sehr unterschiedliches Bild: Während manche digitale Belastungsfaktoren gestiegen sind, sind andere gesunken. So haben Probleme, die der digitalen Arbeit zuzuordnen sind, wie die Nicht-Verfügbarkeit von digitalen Technologien, mangelnde Erfolgserlebnisse, die Unklarheit der Rolle oder die Omnipräsenz von digitalen Technologien, zugenommen.
Dagegen haben Aspekte abgenommen, die auf Unerfahrenheit im Umgang mit IT zurückzuführen sind. Dazu zählen unter anderem Informationsüberflutung, Leistungsüberwachung, Verunsicherung und Jobunsicherheit.
Einfluss auf die Belastungsfaktoren
Um den Einfluss von beruflichen, privaten und persönlichen Kontextfaktoren auf den empfundenen digitalen Stress zu untersuchen, haben die Studienautoren auch Diskussionen von Fachveranstaltungen herangezogen. Hier zeigen sich besonders drei Faktoren, die Unterschiede bewirken:
- Erfahrung im Homeoffice: Vorherige Homeoffice-Erfahrungen helfen dabei, besser mit den Anforderungen, die sich aus der zunehmenden Nutzung digitaler Technologien und Medien ergeben, zurechtzukommen.
- Führungsverantwortung: Während des Lockdowns nimmt der digitale Stress für Führungskräfte ab. Gerade der Belastungsfaktor Omnipräsenz war für Führungskräfte schon vor der Pandemie ein Stressfaktor, sodass sie auf die Zeit des Lockdowns schon entsprechend vorbereitet waren.
- Zuversicht im Umgang mit digitalen Technologien und Medien: Wer zuversichtlicher ist, aufgrund der eigenen Kompetenzen digitale Technologien und Medien erfolgreich nutzen zu können, empfindet auch während des Lockdowns weniger digitalen Stress.
Private Anforderungen steigen während der Pandemie
Laut der Studie sind es daneben vor allem die privaten Anforderungen, die während der Pandemie steigen: Insbesondere die finanziellen Sorgen, aber auch emotionale Anforderungen, werden mehr. Gleichzeitig finden die Befragten innerhalb des eigenen Haushalts weniger Unterstützung, da viele gleichermaßen betroffen sind. Die Auswirkungen zeigen sich unter anderem in einem erhöhten Work-Home-Konflikt, also dem Gefühl, Arbeits- und Privatleben nicht mehr ausreichend balancieren zu können.
"Wir sehen an den Ergebnissen, dass die aktuelle Arbeitssituation bei vielen zu einer Reduzierung der Arbeitszeit, der emotionalen Anforderungen im Beruf und der Anzahl sozialer Konflikte bei der Arbeit führt", erläutert Studienleiter Gimpel. "Gleichzeitig verlängern sich aber die Zeiträume, in denen Erwerbstätige arbeiten – zum Beispiel frühmorgens oder spätabends – da durch das Homeoffice die Trennung von Arbeits- und Privatleben immer unklarer wird."
Über die Studie "Digitale Arbeit während der COVID-19-Pandemie"
Für die Studie "Digitale Arbeit während der COVID-19-Pandemie" wurden zwei quantitative Datenerhebungen durchgeführt, eine von Dezember 2018 bis Februar 2019 und eine im April und Mai 2020 – einer Hochphase der Pandemie in Deutschland. Von den 5.005 befragten Beschäftigten des ersten Zyklus haben 1.017 Personen auch bei der zweiten Datenerhebung teilgenommen.
Die Studie steht hier zum Download zur Verfügung.
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