Personaler können ab jetzt Fragen stellen
Haufe Online-Redaktion: Herr Professor Kabst, was ist das Herausragende an der Cranet-Studie?
Professor Rüdiger Kabst: Die Cranet-Studie ist mit ihrem internationalen Anspruch, ihrem Umfang und der wissenschaftlichen Umsetzung die einzige Studie mit einer so weiten Strahlkraft. Was 1989 mit fünf europäischen Arbeitsgruppen in Großbritannien, Frankreich, Spanien, Schweden, und Deutschland begann, ist heute auf ein Netzwerk von 47 Forscherteams aus Nordamerika, Europa, Afrika, Asien, und Australien angewachsen. Neu zum Projekt gestoßen sind unter anderen Indien, Mexiko und Südkorea. Wir wachsen umsichtig, weil wir das methodische Niveau halten wollen, das der internationale Masterfragebogen verlangt, um seriöse Vergleiche anstellen zu können.
Haufe Online-Redaktion: Werden 2015 alle Forscherteams an der Erhebung teilnehmen?
Kabst: Wie viele Nationen Daten liefern werden, das ist noch offen. Es gibt keinen Vertrag über die Beteiligung. Das kann es auch nicht geben. Denn die Netzwerkpartner müssen die Finanzierung in Eigenregie stemmen. Aber wir rechnen mit Forschergruppen in über 40 Ländern, die es wie 2009 schaffen werden, umfangreiche Daten zum Personalmanagement zusammenzutragen. Alle Ländergruppen analysieren die Kernthemen nach gemeinsamen Kriterien. Und: Die treibenden Personen sind Personalwissenschaftler aus Universitäten, nicht Berater mit wirtschaftlichen Interessen.
Haufe Online-Redaktion: Wie konkret und präzise werden bei allen kulturellen Unterschieden die Fragen abgestimmt, um eine Vergleichbarkeit herzustellen?
Kabst: Die Netzwerkpartner treffen sich üblicherweise ein- bis zweimal im Jahr, oft im Rahmen von großen Konferenzen wie Anfang August in Vancouver während des Annual Meeting of the Academy of Management. Dort gab es ein Cranet-Dinner. Bei diesen Terminen wird vor allem über die nächste Erhebungswelle gesprochen, um die Güte der Methodik zu gewährleisten, aber auch um zu entscheiden, welche neuen Länder aufgenommen werden. Die britische Cranfield School of Management synthetisiert die Ergebnisse dieser Treffen in einem international einheitlichen englischsprachigen Masterfragebogen, den alle Netzwerkpartner in ihre Landessprache übersetzen und diese Version für ihre Erhebung nutzen. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden die Bögen ins Englische zurückübersetzt.
Haufe Online-Redaktion: Werden ausschließlich Firmen befragt?
Kabst: Der Fragebogen ist so gestaltet, dass er auf alle Arten von Organisationen passt – privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche Institutionen. In den meisten Ländern kann der Masterfragebogen eins zu eins verwendet werden. Nur bei einigen braucht es Anpassungen an Gesetze und kulturelle Gepflogenheiten. Viele Netzwerkpartner ergänzen den Kernfragebogen noch um landesspezifische Fragen, die speziell für ihre Forschung relevant sind – so wie auch wir das tun.
Haufe Online-Redaktion: Was erwarten Sie von der Erhebung, die in diesem Herbst startet?
Kabst: Im Personalmanagement geht es immer darum, den idealen Mitarbeiter mit der passenden Qualifikation am richtigen Ort einzusetzen und ihn ordentlich zu bezahlen. Insofern behalten die klassischen Personalfelder ihre Relevanz, auch wenn ihre Ausgestaltung sich wandelt. Cranet hat sich von Anfang an strategisch ausgerichtet und frühzeitig Themen wie etwa Strategieeinbindung, Employer Branding, Interim-Management, HR-Informationssysteme aufgegriffen. Diese Kernthemen werden auch 2015 eruiert. Wir werden erfahren, wie Personalmanagement in der digitalisierten Welt agiert. Sind die Fachleute vom Personalreferenten zum Business Partner geworden, so müssen sie jetzt Intrapreneure werden. Die Geschäftsmodelle 4.0 fordern ein anderes Denken und Handeln, denn die Innovationen sind nicht mehr evolutionär sondern disruptiv.
Haufe Online-Redaktion: Gibt es Themen, die erstmals abgefragt werden?
Kabst: Zum ersten Mal wird "Diversity & Inklusion" im Masterfragebogen zum Schwerpunkt gemacht – ein Thema, das typischerweise in den Verantwortungsbereich der Personalmanager fällt. Mit Cranet erreichen wir empirisch valide Forschungsergebnisse, die einen Entscheidungsblock neben der Intuition, der professionellen Erfahrung und dem Firmenumfeld bieten. Evidence-basierte Daten zur Verfügung zu stellen ist ein wesentliches Anliegen von uns, um dem Personalverantwortlichen im Unternehmen ein Werkzeug in die Hand zu geben, fundierte Personalentscheidungen zu treffen.
Haufe Online-Redaktion: Und welche Themen, die bei der ersten Untersuchung 1989 relevant waren, haben sich überlebt?
Kabst: Die Kernmahlzeit ist heute die Gleiche wie vor 25 Jahren, die Zusatzfragen sind dem Zeitgeist geschuldet. Für Forscher, die schon mehrere Erhebungen mitgemacht haben, ist der Zeitreihenvergleich wichtig, etwa um die Divergenz oder Konvergenz von Personalmanagementsystemen in kulturellen Clustern zu untersuchen. Die bedeutendste Konstante ist jedoch der Grundgedanke eines strategischen Personalmanagements, also die Einbindung des Personalmanagements in die Unternehmensführung und die Umsetzung der Unternehmensstrategie. Fragen hierzu sind seit 1989 bis heute Bestandteil der Cranet-Erhebungen.
Haufe Online-Redaktion: Wann und mit welchen Themen haben Sie das erste Mal die deutsche Studie repräsentiert?
Kabst: Ich bin Cranet schon sehr früh begegnet: 1994. Bis zu diesem Jahr repräsentierte Professor Eduard Gaugler an der Uni Mannheim die deutsche Arbeitsgruppe. Als er emeritierte, übergab er an seinen Schüler Professor Wolfgang Weber – meinen Doktorvater. Ich habe damals die Unterlagen in Mannheim abgeholt und nach Paderborn gebracht. Als Assistent habe ich seitdem operativ mitgewirkt. Downsizing und Outsourcing hießen die Schwerpunkte. Zu meiner Berufung zum Professor an der Universität Gießen 2004 übergab mir Professor Weber den Staffelstab. Nunmehr ist Cranet zurück an der Universität Paderborn, wo ich seit 2012 lehre und forsche.
Haufe Online-Redaktion: Erstmals geben Sie Personalfachleuten außerhalb Ihres Forscherteams die Möglichkeit, Fragen einzureichen. Wie organisieren Sie das und wer entscheidet über die Aufnahme einer eingereichten Frage?
Kabst: Für die deutsche Erhebung sammeln wir Vorschläge für Fragen über den Facebook-Auftritt von Cranet und über unseren Partner, die Berliner Managementberatung HR Pepper. Wir als Lehrstuhl werden intern entscheiden, welche Fragen aufgenommen werden und wie die über den Crowdsourcing-Prozess eingebrachten Fragen wissenschaftlich adäquat im Fragebogen abgebildet werden können. Diese Selektion folgt neben der wissenschaftlichen auch einer praktischen Erwägung: Je länger der Fragebogen wird, desto geringer fällt typischerweise der Rücklauf aus. Hier gilt es, eine gewisse Balance zu wahren.
Haufe Online-Redaktion: Wie umfangreich ist die Befragung?
Kabst: Der Fragebogen umfasst in etwa 20 Seiten. Schon der internationale Kernfragebogen ist sehr umfangreich, was ihn einerseits für Wissenschaftler und Praktiker sehr interessant macht, aber andererseits Befragte abschrecken könnte. Wir schreiben in Deutschland 4.000 Unternehmen und Organisationen an. Unser Ziel ist ein Rücklauf von zehn Prozent. Deshalb folgt der ersten Aussendung eine Online-Erinnerung. Und im dritten Durchgang haken Mitarbeiter per Telefon nach. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.
Haufe Online-Redaktion: Können Externe in allen untersuchten Ländern Zusatzfragen stellen?
Kabst: Praktiker, Studierende und Wissenschaftler, die sich mit Personalmanagement beschäftigen, können unseres Wissens nur in Deutschland am Fragenkatalog mitwirken. Jeder Netzwerkpartner kann neben den Kernthemen die Fragen einspeisen, die in seinem Land von Interesse sind. Wie er das organisiert, steht ihm frei. Allerdings fallen diese Antworten aus dem Vergleich auf internationaler Ebene heraus – mit über 40 Netzwerkpartnern wäre die Koordination der sehr unterschiedlichen forschungs- und länderspezifischen Interessen nicht zu stemmen. Wir konzentrieren uns international auf die Kernthemen. Das Extra werten wir für Deutschland aus.
Professor Rüdiger Kabst vertritt an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn seit 2012 das Fach International Business. Schon weitaus länger – nämlich seit 1994 – beschäftigt sich der Personalforscher mit der internationalen Studie des Cranfield Network on International Strategic Human Resource Management (Cranet), zunächst operativ als Assistent, seit 2004 als deutscher Repräsentant des Netzwerks.
Das Interview führte Ruth Lemmer, freie Journalistin in Düsseldorf.
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