Der digitale Reifegrad in der Personalentwicklung: eher gering
Die Corona-Krise hat dafür gesorgt, dass die betriebliche Weiterbildung vermehrt auf E-Learning als Ersatz für Präsenztrainings zurückgreift. Dadurch hat die Personalentwicklung einen Digitalisierungsschub erlebt – allerdings nur im Hinblick auf die "nachholende Digitalisierung". Die "fortgeschrittene Digitalisierung", also der Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI), Big Data und Analytics, scheint darüber hinaus sogar noch stärker in den Hintergrund getreten zu sein. Hier hinken die Personalentwickler laut Studie den aktuellen Entwicklungen hinterher.
"Besonders gespannt waren wir auf die Gegenüberstellung der Ergebnisse zum Vorjahr und den Vergleich der Einschätzungen der Personalentwickler vor und nach der ersten Welle der Covid-19-Pandemie", erläutert Professorin Sabine Seufert, die die Studie leitet. "Allerdings hat sich gezeigt, dass die Veränderungen nur gering waren." Die Studienautoren sehen nach wie vor die Notwendigkeiten, mehr digitale Kompetenzen zu entwickeln, damit Digitalisierungsstrategien im Unternehmen und in der Personalentwicklung entstehen und durchgeführt werden können.
Digitale Kompetenzen: Soft Skills stärker ausgeprägt als Hard Skills
Im Detail zeigt sich in der Analyse einzelner, für die Digitalisierung notwendiger Kompetenzen, dass Soft Skills bezüglich des Umgangs mit digitalen Medien und Tools (beispielsweise in der Zusammenarbeit oder im Teilen von Inhalten) stark ausgeprägt sind. Die Selbsteinschätzung zu den abgefragten Hard Skills, wie etwa das Lösen technischer Probleme, dem Schutz von digitalen Geräten oder das Programmieren, fällt hingegen deutlich schlechter aus.
Ihr Wissen zur fortgeschrittenen Digitalisierung schätzen die Befragten als eher gering ein: Am meisten Wissen schreiben sich die Personalentwickler im Themenfeld Big Data und Analytics zu – 42 Prozent sagen, dass sie hier Wissen aufgebaut haben. Dagegen sagen nur 21 Prozent, dass sie Wissen zu Bots als Lernbegleitung dazu gewonnen haben; 30 Prozent sagen dies für den Bereich KI.
Auch das Wissen über konkrete Verfahren und Methoden schätzen die Befragten niedrig ein: Nur 18 Prozent gehen davon aus, dass sie über das Kuratieren von Inhalten Bescheid wissen; 29 Prozent glauben, dass sie Kenntnisse zu adaptiven Lernsystemen besitzen. Allein die Online-Diagnose von Mitarbeiterkompetenzen sticht hier hervor: 61 Prozent geben hier an, dass sie dazu Wissen haben.
Digitalisierungsstrategie für die Personalentwicklung ist selten
Was eine Digitalisierungsstrategie angeht, hinken die Personalentwickler auch unternehmensintern hinterher: 52 Prozent der Befragten verfügen nicht über eine klare Digitalisierungsstrategie in der Personalentwicklung. In Bezug auf eine Digitalisierungsstrategie im Unternehmen sagen das nur 40 Prozent.
Dabei zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem digitalen Reifegrad des Unternehmens und der Personalentwicklung: Ist der Reifegrad des Unternehmens höher, sind auch die Personalentwickler schon weiter in den Überlegungen zur Digitalisierungsstrategie – und im umgekehrten Fall ist der digitale Reifegrad der Personalentwicklung noch niedriger, wenn er im Unternehmen schon gering ausgeprägt ist.
Bevorzugte Augmentationsstrategie: Ausweichen mit "Step-Aside"
Die Studienautoren legen ein besonderes Augenmerk auf die Augmentation, das gelungene Zusammenspiel von Mensch und intelligenter Maschine. Dafür betrachten sie fünf Augmentationsstrategien für die persönliche Weiterentwicklung, die auf dem Konzept von Thomas H. Davenport und Julia Kirby beruhen:
- Step-In: das Kennen KI-basierter Anwendungen und der Einsatz und das produktive Nutzen von digitalen Systemen
- Step-Up: das Bewerten von Ergebnissen solcher digitaler Systeme und das (Mit-)Entscheiden über deren Einsatz
- Step-Forward: die Beteiligung an der (Weiter-)Entwicklung digitaler Systeme und -Anwendungen
- Step-Aside: das Fokussieren auf diejenigen Aufgaben, die Menschen besser bearbeiten als digitale Systeme
- Step-Narrow: das Suchen von Nischen, die vorerst nicht digitalisiert werden können
Die Studienteilnehmer wurden nach verschiedenen Aufgaben und deren Relevanz für die Personalentwicklung gefragt, wobei sich die Aufgaben den fünf Strategien zuordnen lassen. In der Auswertung dieser Ergebnisse zeigt sich, dass die Strategie "Step-Aside" favorisiert wird. Das entspricht dem Ergebnis der Vorjahre. "Step-Up" und "Step-Forward" sind bei Personalentwicklern mit Führungsverantwortung höher ausgeprägt als bei ihren Fachkollegen.
Aufbau digitaler Kompetenzen in der Personalentwicklung: Handlungsempfehlungen
Was die Einstellung der Personalentwickler gegenüber der Digitalisierung betrifft, zeigen sich positive Ergebnisse: 86 Prozent der Befragten denken, dass sie mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt. Angst vor Überforderung durch die Digitalisierung haben nur 14 Prozent und die Furcht, dadurch überflüssig zu werden, teilen nur vier Prozent.
"Um die notwendigen Kompetenzen zu erwerben ist es ermutigend, dass die Bereitschaft dafür in der Personalentwicklung und den Unternehmen vorhanden ist. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Vorjahre. Doch entscheidend ist nunmehr, die Kompetenzen im Jetzt zu erlernen", erklärt Kai H. Helfritz, Leiter Mitgliedermanagement & Kooperationen der DGFP.
Dafür geben die Studienautoren den Personalentwicklern klare Handlungsempfehlung mit auf den Weg. Da die Ergebnisse wenig Veränderungen zu den Vorgängerstudien aufzeigen, entsprechen auch die Empfehlungen denen aus dem Vorjahr. An erster Stelle steht für sie dabei, dass Personalentwickler eine klare Strategie zur Digitalisierung formulieren sollten – und sich dafür mit internen und externen Experten vernetzen sollten.
Darüber hinaus formulieren die Autoren die folgenden weiteren Schritte:
- Neue Wege gehen und eigene, bisherige Rolle sowie Profilbildung hinterfragen.
- Nutzen von Digitalisierung und digitalen Kompetenzen greifbar machen.
- Kompetenzen im eigenen Personalentwicklungsbereich aufbauen: mit kleinen Veränderungen und Schritt für Schritt starten.
- Beidhändig agieren: Neben dem Kerngeschäft mit Augmentationsstrategien die Entwicklungsrichtung ändern.
- Partnerschaften, Netzwerke und Ökosysteme entwickeln.
- Verständnis für Technik, IT und Software entwickeln, insbesondere durch Ausprobieren.
- Kompetenzen im Change-Management nutzen, um die digitale Transformation der eigenen Profession und des Unternehmens voranzutreiben.
Über die Studie
Von Mai bis Juli 2020 haben 170 Personen – überwiegend Personalentwickler – an der Studie teilgenommen. Das Competence Centre for Innovations in Learning (Scil) und das Wirtschaftsinstitut der Uni St. Gallen haben die Studie im Auftrag der DGFP durchgeführt.
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