Auch wenn sich das technologische und darüber auch das marktliche Umfeld kontinuierlich und immer schneller verändern und die Anforderungen an HR keinesfalls stabil sind, sollte nicht auf die Festlegung einer Entwicklungsrichtung und einer HR-Roadmap verzichtet werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind im Rahmen der Digital HR-Transformation Anpassungen an der Digital HR-Strategie nötig, trotzdem entbindet dies nicht von der Notwendigkeit der Festlegung von Richtung und Leitplanken der Veränderung.
Sieben Leitplanken für die digitale HR-Transformation
Auch wenn jede Strategie natürlich unternehmensindividuell und funktionsspezifisch auszugestalten ist, lassen sich für die Digital HR-Strategie ein paar generische Guiding Principles festhalten:
- Kunden- bzw. Mitarbeiterorientierung/-zentrierung
- Individualisierung
- Einfachheit
- Agilität
- Evidenzbasierung
- Effizienzorientierung (inkl. Automatisierung)
- Skalierbarkeit
1. Kundenorientierung heißt für HR Mitarbeiterorientierung
Eine Gemeinsamkeit der meisten erfolgreichen Digitalunternehmen (Apple, Google, Amazon etc.) ist das Denken vom Kunden aus. Startpunkt aller Überlegungen ist der Kunde ‒ in Form von Kundenbedürfnissen, Kundennutzen und Kundenerlebnis. Dies ist der neuralgische Punkt, denn es ist wenig sinnvoll, bestehende Produkte oder Prozesse digital zu optimieren, wenn diese die Kundenbedürfnisse gar nicht wirklich erfüllen. Diese Überlegung gilt natürlich auch für das Personalmanagement, als Servicefunktion für die Führungskräfte und Mitarbeiter im Unternehmen. D. h. die Mitarbeiterorientierung bzw. -zentrierung muss ein Kernbestandteil der HR-Strategie sein und HR-Prozesse und -Leistungen sollten immer vom Kunden aus gedacht werden.
Dies beinhaltet ein ganz bewusstes "Employee Experience Design" (EED) über den gesamten, beim Kunden beginnenden und endenden ("end-to-end") Prozess. Im Rahmen der Personalmarketing- und -beschaffungsprozesse kann entsprechend auch von "Candidate Experience Design" gesprochen werden, weil hier die Kandidaten die Kunden von HR sind.
2. Individualisierung
Smarte Digitaltechnologien erlauben darüber hinaus auch eine Ausrichtung an der konkreten Person und deren spezifischer Umstände. Über Algorithmen und KI ist eine Individualisierung der HR-Arbeit möglich.
3. Einfachheit
Ein für Mitarbeiter und Führungskräfte wichtiger Aspekt für ihre Kundenerfahrung mit HR ist die Einfachheit der Prozesse und Leistungen (Simplicity). Digitale Technologien ermöglichen es, Prozesse so zu gestalten, dass sie als einfach wahrgenommen werden. Apps ‒ zumindest erfolgreiche ‒ bspw. zeichnen sich in der Regel durch eine sehr einfache Bedienoberfläche und Menüsteuerung aus. Hier haben die HR-Prozesse und -Systeme zum Teil noch Verbesserungsbedarf.
4. Agilität
Da die Anforderungen an HR wie bereits geschildert keinesfalls stabil sind, sondern sich vor dem Hintergrund einer volatilen, unsicheren, komplexen und widersprüchlichen Umwelt regelmäßig verändern, ist auch eine ausgeprägte Agilität ein wichtiger Aspekt einer adäquaten HR-Strategie im Digitalzeitalter. HR muss in der Lage sein, schnell und dynamisch auf Veränderungen ‒ insbesondere im Hinblick auf Bedürfnisse aus dem Business ‒ zu reagieren und sich adäquat anzupassen.
5. Evidenzbasierung
Aufgrund der ebenfalls bereits beschriebenen Tatsache, dass datenba sierte Algorithmen im Durchschnitt eine höhere Vorhersagekraft haben als Expertenurteile sollte die HR-Strategie auch eine gewisse Evidenzbasierung aufweisen. Die dargestellten Entwicklungen im Bereich People Analytics und Künstliche Intelligenz ermöglichen deutlich stärker informationsbasierte Personalentscheidungen.
6. Effizienz
Natürlich spielen auch nach wie vor Kostenaspekte eine Rolle, sodass die HR-Strategie selbstredend auch Effizienzaspekte berücksichtigen muss. Hier bieten digitale Technologien gute Ansätze durch Automatisierung. Immer mehr Aufgaben, die früher von Menschen erledigt werden mussten, lassen sich heute von Computern und Algorithmen erledigen. Über digitale Personalakten und Workflow-Systeme lässt sich die Effizienz deutlich erhöhen.
7. Skalierbarkeit
Schließlich spielt im Digitalzeitalter der Aspekt der Skalierbarkeit eine wichtige Rolle, denn alles was digital ist, lässt sich leicht und zu nahezu Null-Grenzkosten ausweiten.
Gestaltung digitaler HR-Prozesse und HR-Strukturen
Getreu dem Motto "structure follows strategy" muss die HR-Strategie über eine passende Ausgestaltung von HR-Prozessen und HR-Strukturen ‒ als den beiden zentralen Elementen von Organisation ‒ implementiert, d. h. zum »Leben gebracht« werden.
Bei der Gestaltung von Prozessen und Strukturen als "harten" Faktoren sind dabei natürlich immer die "weichen", d. h. menschlichen Faktoren zu beachten, denn die theoretisch besten Strategien und Organisationslösungen sind lediglich "Papiertiger", wenn sie nicht zur Arbeitskultur allgemein und zur Kultur des konkreten Unternehmens ) passen. Wie sagte Peter Drucker in diesem Zusammenhang so schön: "Culture eats strategy for breakfast".
Ebenfalls zu beachten sind die technologischen Möglichkeiten. Daher soll in den folgenden Kapiteln dieses Top-Themas ein Blick darauf geworfen werden, wie sich die HR-Prozesse und HR-Strukturen vor dem Hintergrund der technologischen, strategischen und sozio-kulturellen Konsequenzen des digitalen Zeitalters verändern müssen bzw. optimieren oder gar völlig neu gestalten lassen.
Buchtipp: Digital HR
Der obige Text ist ein Auszug aus dem Buch "Digital HR" das kürzlich bei Haufe erschienen ist. In dem Buch erläutern führende Köpfe aus dem HR-Bereich die Herausforderungen der Digitalisierung für HR und zeigen Lösungsansätze in Form von Konzepten, Tools und anhand von Best-Practice-Beispielen aus verschiedenen Branchen auf.
Thorsten Petry/Wolfgang Jäger (Hrsg.): Digital HR. Smarte und agile Systeme, Prozesse und Strukturen im Personalmanagement. 494 Seiten, Haufe 2018. 59,90 Euro.