EAP: Ein Sorgentelefon für Mitarbeiter
Haufe Online-Redaktion: In welchen Situationen raten Sie Unternehmen zur Einführung eines Employee-Assistance-Programmes für Ihre Mitarbeiter?
Claudia Fiedler: Wir konnten insbesondere in den vergangenen Jahren einen messbaren Anstieg von Erkrankungen, die psychische Ursachen haben, feststellen. Viele Mitarbeiter empfinden arbeitsbedingten oder privaten Stress. Die Gründe dafür sind vielfältig: Arbeitsüberlastung, Termindruck, Mobbing oder familiäre Probleme wie Scheidung, Verschuldung oder Pflege von Angehörigen, um nur einige zu nennen. Eine professionelle Unterstützung kann bei diesen Problemen hilfreich sein. Hier setzt das Employee Assistance Program (EAP) mit seinen psychosozialen Beratungsleistungen an, das Unternehmen über externe Dienstleister anbieten können.
Haufe Online-Redaktion: Was kann man von den Anbietern eines EAP-Programmes erwarten?
Fiedler: Es handelt sich dabei um vertrauliche Unterstützungsangebote, in denen die telefonische, persönliche und Online-Beratung ein wichtiges und wirksames Element ist. Das Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe. Bei den Beratern handelt es sich um ausgebildete Psychologen, Pädagogen und Diplom-Sozialpädagogen. Gemeinsam mit dem Ratsuchenden erarbeiten sie Lösungsansätze. Im Rahmen der Kompetenzentwicklung werden auch Seminare zu Themen rund um die mentale Gesundheit angeboten.
Gesundheitsprävention durch Employee-Assistance-Programme
Haufe Online-Redaktion: Was bringen Employee Assistance Programme den Unternehmen selbst?
Fiedler: Das Ziel ist immer Prävention. Je früher diese Dienste in Anspruch genommen werden, desto geringer ist das Risiko für Präsentismus, persönliche Einschränkungen wie beeinträchtigte Gesundheit oder vermindertes Leistungsvermögen der Mitarbeiter. Kosten, die durch hohe krankheitsbedingte Abwesenheit, nicht erbrachte Leistung anwesender Mitarbeiter sowie durch Fluktuation, aber auch durch Arbeitsunfälle aufgrund von zu hoher psychischer Belastung entstehen, können dadurch gesenkt werden. Psychische Erkrankungen dauern in der Regel länger an als somatische und belasten Betriebe daher umso mehr. Unternehmen sind deutlich eher bereit als noch vor einigen Jahren, in die seelische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu investieren. Für sie bringt die frühe Prävention eine Produktivitätssteigerung und Kostensenkung. Dass Unternehmen nach EAP-Programmen suchen, zeigt, dass sie das Problem erkannt haben und es ernst nehmen.
Psychische Erkrankungen dauern in der Regel länger an als somatische und belasten Betriebe daher umso mehr. Unternehmen sind deutlich eher bereit als noch vor einigen Jahren, in die seelische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu investieren.
Psychische Belastungen als Tabuthema im Betrieb
Haufe Online-Redaktion: Gerade psychische Probleme sind bei der Arbeit ein Tabuthema, Mitarbeiter verschweigen solche Beeinträchtigungen im Betrieb meist. Was können Gesundheitsmanager und HR tun, damit Employee-Assistance-Programme in der Belegschaft auch angenommen werden?
Fiedler: Das Angebot sollte zunächst von der Geschäftsführung und von der Arbeitnehmervertretung befürwortet werden. Darüber hinaus ist die „Öffentlichkeitsarbeit“ unerlässlich. Das können Informationen über das Intranet oder über die Mitarbeiterzeitschrift sein. Bewährt hat sich auch, im Rahmen einer Betriebs- oder Personalversammlung die Berater und das Angebot vorzustellen. Zwingend notwendig ist, darauf hinzuweisen, dass die Beratung der Schweigepflicht unterliegt.
EAP-Mitarbeiterberatung per Telefon oder Face-to-Face?
Haufe Online-Redaktion: Kann ein Telefongespräch, auch wenn es von Fachleuten geführt wird, tatsächlich alle Probleme von Mitarbeitern lösen?
Fiedler: Das Angebot einer telefonischen Beratung ist sehr niedrigschwellig und für viele Ratsuchende ein erster Schritt zur Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen. Telefonische Beratungshotlines haben den großen Vorteil, dass sie auch außerhalb der Arbeitszeit, im Optimalfall rund um die Uhr und unbemerkt von Kollegen und Arbeitgeber erreichbar sind. Das erleichtert dem Mitarbeiter die Kontaktaufnahme, wenn das Problem gerade akut ist.
Doch die Telefonberatung muss nicht abschließend sein. Einige Probleme sind bereits telefonisch lösbar, wenn das aber nicht der Fall sein sollte, ist auch ein persönliches Treffen möglich.
Haufe Online-Redaktion: Mit wem findet das dann statt?
Fiedler: Das wird in der telefonischen Beratung geklärt. Beispielsweise kann ein Facharzt oder ein Schuldnerberater hinzugezogen werden. Manchmal raten wir zu einer Psychotherapie und sind dann bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten behilflich. Sofern Face-to-Face-Gespräche angeboten werden, sollten diese in einer vertrauten Umgebung, in einem nicht zu exponierten Raum, besser noch in den Räumen des Dienstleisters stattfinden. Dies muss vorab genau geklärt werden. Abzusprechen ist ebenfalls, ob es eine feste Sprechstunde geben soll. Damit erreicht man auch diejenigen, für die es schwierig ist, sich terminlich festzulegen.
Einige Probleme sind telefonisch lösbar. Andernfalls wird aber auch überlegt, ob beispielsweise ein Facharzt oder ein Schuldnerberater hinzugezogen werden soll. Wir sind auch bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten behilflich
EAP als Sorgentelefon für Führungskräfte und Mitarbeiter
Haufe Online-Redaktion: Sie beraten auch selbst Mitarbeiter- und Führungskräfte in psychosozialen Belangen. Wie ist Ihre Erfahrung: Wird dieses Angebot eher von Führungskräften oder von Arbeitnehmern genutzt?
Fiedler: Das Angebot wird von beiden gleichermaßen genutzt. Allerdings stelle ich fest, dass Führungskräfte vermehrt die Beratung wahrnehmen, ebenso wie individuelle Coachings. Aus fachlicher Sicht finde ich das begrüßenswert, da sie wichtige Multiplikatoren im Unternehmen und in der Regel „nah“ an ihren Mitarbeitern sind. So können Probleme frühzeitig erkannt und bearbeitet werden.
Claudia Fiedler ist Spartenleiterin Gesundheitsmanagement bei der BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik am Standort München.
Das Interview führt Katharina Schmitt, Redaktion Personalmagazin
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