Ob Provinz oder Hauptstadt – Wie Sie Fachkräfte an ihren Standort locken
Haufe Online Redaktion: Wie viel Einfluss haben der Standort und das Image des Standorts auf Fachkräfte?
Michael Eger: Der Standort hat durchaus Einfluss auf die Attraktivität des Arbeitgebers. In fast allen meinen Projekten ist das ein Thema – oft unabhängig von der Lage des Standorts: In Ostwestfalen wird die Lage als Problem gesehen, in München dann die Immobilienpreise. Allerdings hängt die Wahrnehmung deutlich von der Zielgruppe ab – ein 25-jähriger Hochschulabsolvent beurteilt Standorte komplett anders als ein 40-jähriger mit Familie. Das Image der Stadt und ein Status als Metropole sind für Berufseinsteiger in der Regel ein wichtiges Kriterium.
Haufe Online Redaktion: Gilt das für bestimmte Branchen mehr als für andere?
Eger: Vor allem bei sehr dynamischen Branchen und Bereichen, in denen häufige Arbeitgeberwechsel zur Karriere gehören, ist die Konzentration von Arbeitgebern an einem Standort nicht ungewöhnlich. Das zieht auch Fachkräfte an – und das Talentreservoir verbessert dann natürlich die Rahmenbedingungen für die Branche weiter. Für den Digital- und Kreativbereich ist Berlin ein gutes Beispiel; ich kenne sogar Unternehmen, die bewusst Entwicklungsstandorte in Berlin oder Design-Standorte in Mailand gegründet haben, um nahe an der Zielgruppe zu sein.
Haufe Online Redaktion: Inwiefern raten Sie Unternehmen, ihren Standort im Employer Branding einzubeziehen und wie lässt sich dies sinnvoll umsetzen?
Eger: Ich halte eine aktive Auseinandersetzung mit den Standorten in jedem Fall für sinnvoll. In Employer-Branding-Projekten erfährt man oft viel über die Vor- und Nachteile von Städten. Nehmen Sie eine Stadt wie Frankfurt: Die Stadt hat kein besonders gutes Image, viele Arbeitnehmer ziehen eher widerwillig ins Rhein-Main-Gebiet, weil sie andere Argumente überzeugt haben. Wenn Sie aber mit Menschen sprechen, die dort arbeiten, hören Sie viel Gutes zur Region, zum kulturellen Angebot, zur Gastronomie. Wenn Personaler diese Dinge vorab aufnehmen und zum Beispiel in ihre Karrierewebsite integrieren, Angebote verlinken und Frankfurt frühzeitig erlebbar machen, dann ist das Teil ihrer Argumentation. Auch Vorstellungsgespräche kann man nutzen, um Städte erlebbar zu machen und Vorurteile abzubauen.
Im ländlichen Bereich ist die Bedeutung einzelner Unternehmen für die Region oft sehr groß. Da kann es durchaus sinnvoll sein, wenn Städtemarketing und Personalmarketing gemeinsam agieren. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an – eine Verlinkung der Tourismus- oder Veranstaltungsseiten oder Kooperation bei Veranstaltungen – auch hier geht es ums Erlebbarmachen des Standorts. Da kann man mit Kreativität und guten Kontakten durchaus etwas auf die Beine stellen.
Haufe Online Redaktion: Nutzt es wirklich, auch zum Beispiel die Abgeschiedenheit in einer ländlichen Umgebung anzupreisen, um Fachkräfte zu gewinnen?
Eger: Ich habe mich mal mit dem Personalleiter eines mittelständischen Unternehmens aus dem Südschwarzwald unterhalten. Das Unternehmen gab sich richtig Mühe, hat bei wichtigen Vorstellungsgesprächen immer auch die Ehepartner mit eingeladen, sie durch den Ort geführt und durch den Schwarzwald gefahren. Als Neueinstellungen dann häufig doch am Veto der Familie scheiterten, wurde die Taktik geändert und bei den Touren Freiburg, Basel und das Elsass angesteuert, was wesentlich besser funktionierte. Will heißen: man muss ein Gefühl entwickeln, was der Zielgruppe – und gegebenenfalls der Familie – wichtig ist und darauf reagieren. Die Argumente können dann von der geografischen Einordnung (wie weit ist die nächste Großstadt, wie ist die Verkehrslogistik) über die schlichte Nennung von Immobilien- oder Kitapreisen bis hin zur Infrastruktur reichen. Wichtig ist dabei: Es geht nicht um Tourismus – die Fachwerkhäuser mögen nett anzusehen sein, aber das bringt die wenigsten dazu, umzuziehen. Es kann sein, dass es trotzdem aus der Provinz heraus bei einigen Zielgruppen schwierig ist. Ich glaube aber, dass das nur bei wenigen Zielgruppen ein wirkliches Thema ist – und dann ist Provinz oft ein weites Feld: Wer nach New York möchte, der will nicht nach Burghausen, Minden oder Oberkochen. Aber will der dann nach Köln?
Haufe Online Redaktion: Welches Unternehmen hat ein sehr gutes Standortmarketing betrieben und lässt sich als Best Practice anführen?
Eger: Mir fällt zum Beispiel die OWL Powerbrands Initiative ein. Da haben sich bereits vor ein paar Jahren einige Unternehmen wie Schüco, Phoenix Contact, Itelligence aus der Region Ostwestfalen zusammengetan, um den Standort aus der Arbeitgeberperspektive durch Kommunikation und Events zu vermarkten. Die Website hat richtig gute Ansätze: Da wird sich nicht entschuldigt, sondern es wird – wie eingangs von mir gefordert – aktiv auf alles Mögliche eingegangen, was für Bewerber wichtig sein könnte; vom Mietspiegel über das gastronomische Angebot bis hin zu Ämtern und Vereinen. Leider war die Website zuletzt nicht mehr ganz aktuell.
Konsequent finde ich auch das Beispiel von Carl Zeiss: Da hat man im Rahmen eines Employer-Branding-Projekts verstanden, dass die eher restriktive Internet-Policy nicht hilfreich war, wenn es darum ging, zum Beispiel hochqualifizierte Wissenschaftler aus dem Ausland für den Standort in Oberkochen zu rekrutieren. Wer aus den USA oder Indien auf die schwäbische Alb kommt, der möchte mit seinem Netzwerk auch übers Internet Kontakt halten können. Zeiss hat das dann direkt geändert und gleichzeitig noch eine sehr ermutigende „Social Media Guideline“ formuliert, in der Kommunikation ausdrücklich befürwortet wird. Das mag nur ein kleines Beispiel sein, aber die Erkenntnis, dass der Standort nur ein Faktor ist, mit dem man leben muss, dass man aber auf vielen anderen Ebenen seine Attraktivität auch mit Bezug zu Stadt und Land verbessern kann, ist für mich wichtiger als jede Standortkampagne.
Michael Eger ist Partner beim HR-Beratungsunternehmen Promerit AG in Frankfurt.
Das Interview führte Kristina Enderle da Silva, Redaktion Personal.
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