Wie Manager mit Dilemmata sinnstiftend umgehen können
Haufe Online Redaktion: Sie haben ein neues Paradigma der Führung vorgestellt. Was steckt dahinter?
Fons Trompenaars: Seit der großen Finanzkrise, die auch Deutschland sehr getroffen hat, fragen sich Manager und deren Berater, ob die Krise nicht auch damit zusammenhängt, wie man bislang gedacht und Entscheidungen getroffen hat. Viele suchen nach neuen Denkmustern. Und so ein neues Denkmuster, ein neues Leadership-Paradigma, will ich heute vorstellen. Es geht darum, wie man Dilemma-Situationen im Business lösen sollte. Wenn man ein Dilemma lösen will, dann muss man in der Lage sein, etwas zu kombinieren. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären. Ein schlechter Manager wird sagen, die Frage, ob unser Konzern zentral oder dezentral organisiert sein soll, muss durch eine eindeutige Entscheidung geklärt werden. Ein guter Unternehmensführer wird sagen, wir müssen zur gleichen Zeit zentralisiert und dezentralisiert sein. Die Frage lautet also: "Was können wir in den Filialen tun, um die Zentrale effektiver zu machen? Und was sollten wir in der Zentrale tun, um mehr Effektivität auf der lokalen Ebene zu bekommen?" Die alte Generation der Manager ist dazu erzogen worden, die Welt bipolar zu betrachten und eine klare Wahl zu treffen. Meine Frage ist nun, wie können wir künftig Gegensätze so kombinieren, dass wir auf ein höheres Niveau der Problemlösung kommen? Wenn man dieses Prinzip verstanden hat, dann stellt man als Führungskraft ganz andere Fragen.
Haufe Online Redaktion: Warum wird die Kompetenz, Dilemmata zu versöhnen und Gegensätze zu integrieren, erst jetzt wertgeschätzt?
Trompenaars: Weil seit 1900 die Managementtheorien, immer davon gelebt haben, dass sie eine Übertreibung zur Mode erklärten. Zuerst gab es nichts als die Suche nach Effektivität und die effiziente Gestaltung von Produktionsabläufen mittels Fließbänder. Dann ging es plötzlich um die Motivation der Mitarbeiter, und der Siegeszug der humanistischen Psychologie setzte ein. Doch auch dieser Ansatz wurde übertrieben und so ist es kein Wunder, dass etwas ganz anderes wichtig wurde: Der Kunde war plötzlich das Einzige, worum sich ein Unternehmen kümmern musste. Als die Kundenorientierung genug durchgekaut war, klopfte die nächste Übertreibung in Form des Shareholder-Value-Ansatzes an die Tür. Plötzlich zählte nur die bedingungslose Profitsteigerung zugunsten der Aktionäre. Die nächste große Übertreibung, die sich nach meiner Meinung abzeichnet, heißt Corporate Social Responsibility. Die Entwicklung der Managementmoden war das Ergebnis eines bipolaren Denkens. Als der Shareholder-Value-Ansatz angesagt war, gab es nur ihn und der Rest musste gegen alle Bedenken vernachlässigt werden. Und natürlich kommt jetzt eine andere Polarität, die sich auch einbildet, sie wäre das Einzige, was zählt. So ein Denken bringt nie etwas Dauerhaftes und Werthaltiges hervor.
Ich habe nichts gegen eine Firma, die sich um Corporate Social Responsibility kümmert. Der Punkt ist, dass man nicht nur CSR braucht, sondern auch die Shareholder und die Kunden und die motivierten Mitarbeiter und eine effiziente Produktion. Wir rannten bislang immer von Mode zu Mode und ignorierten alle anderen Aspekte des Wirtschaftens. Das wird nicht mehr länger funktionieren. Die Unternehmensberatungen, die immer nur auf die nächste Modewelle aufspringen, werden in Zukunft keine Existenzberechtigung mehr haben. Die Unternehmen erkennen gerade, dass sie an den Widersprüchen und an den Spannungen zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen arbeiten sollten. Wenn man künftig nicht alle Interessengruppen mit ins Boot holt, stirbt man.
Das Interview führt Martin Pichler, Chefredakteur wirtschaft + weiterbildung.
Dr. Fons Trompenaars berät sowohl internationale Konzerne als auch deutsche Mittelständler zum Thema "Interkulturelles Management".
Hinweis: Das vollständige Interview lesen Sie in der Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung", Ausgabe 7-8/2012.
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