Führungspraxis schwankt zwischen Vertrauen und Kontrolle
Die Erhebung setzt sich aus einer Onlineumfrage sowie aus explorativen Interviews unter rund 750 Entscheidern und Entscheiderinnen zusammen. Im Mittelpunkt der Studie stehen die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona auf die Unternehmen, die Veränderungen der Arbeitskonzepte in Richtung hybride Arbeit sowie die daraus abgeleiteten Herausforderungen in der Führungspraxis.
Der hybride Arbeitsalltag hat sich etabliert
Auf Basis einer positiven wirtschaftlichen Stimmung setzt die Mehrheit der befragten Unternehmen (84 Prozent) auf Digitalisierungsinitiativen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Konkret konzentrieren sich zwei Drittel der Befragten weiter auf die Automatisierung ihrer Prozesse. Das gilt vor allem für die Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zunehmend standortunabhängig arbeiten. 62 Prozent wollen langfristig auf Geschäftsreisen verzichten und stattdessen der Durchführung von Videokonferenzen eine stärkere Priorität einräumen. Der Großteil der Unternehmen (94 Prozent) hat sich für die hybride Arbeitswoche auch bereits fixe Homeoffice-Regelungen überlegt, wobei die Hälfte der Befragten zu einer 50:50 Regelung, also 2 Tage im Remote-Modus und 3 Tage Office, tendiert.
Führungskräfte setzen auf persönlichen Kontakt
Mit Blick auf die Führungspraxis scheinen die befragten Entscheider in ihrem Führungsalltag nach wie vor mit einer hohen Komplexität konfrontiert zu sein. Waren sie zu Beginn der Pandemie noch damit beschäftigt, die technische Erreichbarkeit der Beschäftigten "auf Distanz" sicherzustellen sowie entsprechende Schutzmaßnahmen zu organisieren, hat sich ihr Arbeitsalltag in seiner Dynamik und Unvorhersehbarkeit nicht wirklich verändert. Sie realisieren zunehmend, dass das Management von Beschäftigten im Homeoffice einen tragfähigen Unterbau neuer Führungspraktiken mit sich bringt - sei es um ständigen Kontakt zu halten, Mitarbeitende zu motivieren oder auch neue Kandidatinnen und Kandidaten zu integrieren. Letzteres stellt eine besonders große Herausforderung für die Vorgesetzten dar.
Folgende Aspekte sind den Führungskräften im Umgang mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Verlauf der letzten Monate so wichtig geworden, dass sie ihren Führungsstil künftig daraufhin anpassen möchten:
Für ganze 85 Prozent ist der persönliche Kontakt bei der Arbeit im Homeoffice-Modus immanent wichtig, 83 Prozent wollen noch mehr Wert auf Teamspirit legen und 69 Prozent haben erkannt, dass ihre Anweisungen in der Vergangenheit nicht immer klar und eindeutig waren, weshalb sie diesen Punkt nun verstärkt beherzigen wollen. Interessanterweise stellten 76 Prozent der Befragten erst durch das hybride Arbeiten fest, wie eigenständig doch die Mitarbeitenden an Zielen und Ergebnissen arbeiten, ganz ohne ständige Nachfragen und Kontrollen "von oben". Im Vergleich zur Hays-Studie 2020 "Die neue Normalität" kann man aber deutlich erkennen, dass die befragten Führungskräfte mit 46 Prozent deutlich offener mit Änderungsvorschlägen und guten Ideen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgehen, als noch im Vorjahr. Damals lag dieser Wert noch bei 39 Prozent.
Das wollen die Führungskräfte künftig verändern:
- 46 Prozent wollen ihre Mitarbeitenden verstärkt motivieren.
- 39 Prozent stellen fest, ihr Führungsstil sei deutlich flexibler geworden.
- 36 Prozent wollen ihren Mitarbeitenden mehr eigenständige Entscheidungen zugestehen.
- 35 Prozent wollen von ihren Mitarbeitenden mehr Selbständigkeit abverlangen.
- 35 Prozent wollen noch individueller auf die Mitarbeitenden eingehen.
Drei Führungsmuster, die sich auf Basis der Ergebnisse herauskristallisieren:
Mit 52 Prozent führt der Führungstyp "Performance Management" das Feld an. Diese Vorgesetzten fokussieren sich auf eine enge Begrenzung bei erhöhter Motivation und Kontrolle der Mitarbeitenden. Er scheint der Leistungsfähig- und -willigkeit seiner Mitarbeitenden noch nicht vollends zu vertrauen, verlangt aber dennoch viel Flexibilität von ihnen, beispielsweise bei der gegenseitigen Vertretung.
Die zweite, mit 30 Prozent deutlich kleine Gruppe setzt auf "Employee Empowerment". Diesem Typus geht es offensichtlich um ein verträgliches Zusammenspiel aus Nachhaltigkeit, Effizienz und Kreativität. Sie verstehen die Digitalisierung als Chance, die Arbeitszeit der Beschäftigten über digitale Tools so effizient wie möglich zu nutzen, um ihnen andererseits die Freiräume zu geben, die sie benötigen, um innovative Konzepte in die Tat umsetzen zu können.
Ein dritter Führungstyp möchte am liebsten so wenig wie möglich an seiner Führung verändern (18 Prozent). Er kann der Pandemie als veränderndes Moment nichts abgewinnen und setzt daher eher auf traditionelle Arbeitsmodelle. Er ist kein Freund von Homeoffice-Konzepten und gewährt daher auch seinen Mitarbeitenden wenig Freiräume für mehr Eigenverantwortung.
Hohe Erwartungen an Selbstorganisation und Eigenmotivation
Was die Erwartungen an ihre Beschäftigten angeht, zeigt sich ein eher heterogenes Bild. Entsprechend der genannten Führungstypen erwarten die Führungskräfte eine selbstständige Strukturierung ihrer Arbeit (38 Prozent). 37 Prozent von ihnen wünscht sich eine hohe Eigenmotivation und ebenfalls 37 Prozent erwarten, dass sich die Mitarbeitenden gegenseitig gut vertreten können.
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse stellt sich die Frage, wie nachhaltig die unterschiedlichen Führungspraktiken sind und wie die Mitarbeitenden selbst damit zurechtkommen werden. Mit den Erwartungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihre Führungskräfte werden sich die Studienverfasser in einem weiteren Teil der Studie beschäftigen.
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