Der Fall: Markus K. (Name geändert) ist Anfang 40, als ihm in einem internationalen Konsumgüter-Unternehmen in Deutschland gekündigt wird. Zwei Jahre war er dort als General Manager und Geschäftsführer tätig. An einem Montagmittag kommt der Europachef des Unternehmens in sein Büro und schließt die Tür. Er leitet das Kündigungsgespräch ein mit den Worten: "Markus, ich glaube, wir können nicht mehr zusammen." Die wahren Gründe für die Kündigung bekommt Markus K., dessen Geschäftsergebnisse immer für ihn gesprochen haben, weder zu jenem Zeitpunkt noch später genannt. Dann legt ihm der Europachef das Kündigungsschreiben vor und sagt: "…und wenn du das dann bitte unterschreibst." Markus K. prüft das Dokument und stellt fest, dass es eine falsche Kündigungsfrist enthält.
Im nächsten Moment möchte der Manager von Markus K. wissen, wie denn nun die Kommunikation über seinen Weggang geregelt werden solle. Jetzt wird Markus K. aktiv: Er weigert sich das Kündigungsschreiben mit den falschen Angaben zu unterschreiben und fordert, dass er selbst seine Mitarbeiter und Geschäftspartner über seinen Weggang informieren werde. Sein Chef lässt ihn daraufhin drei Stunden warten und schickt dann die Personalchefin zu K., mit der er einen Kompromiss aushandelt: sofortige Freistellung und Gehaltszahlungen für weitere sieben Monate, die Kommunikation an die Mitarbeiter und wichtigsten Vertriebspartner erfolgt sofort und persönlich.
Nach drei Monaten beginnt K. einen neuen Job. Nach neun Monaten im neuen Job erleidet er jedoch einen Zusammenbruch, kündigt und nimmt eine längere Auszeit.
Was ist bei dieser Kündigung schief gelaufen?
Gabriele Euchner: "Hier ist alles schief gelaufen, was nur hätte schief laufen können. Erstens: die ungenügende Vorbereitung des Europa-Chefs und der Personalabteilung, die eine falsche Kündigungsfrist in das Kündigungsschreiben einsetzte. Zweitens: Die kryptischen, unsachlichen Kündigungsworte des Vorgesetzten 'wir können nicht mehr miteinander' zeugen von fehlendem Fachwissen, wie man sich in solchen Krisensituationen zu verhalten und zu kommunizieren hat und von einer hochgradigen Unsicherheit des Vorgesetzten. Dem Ganzen setzt er die Krone auf, als er hilflos den Gekündigten fragt, 'wie er jetzt die offizielle Kommunikation aufsetzen solle'. Drittens: Der Gekündigte war bereits durch sein sehr hohes Engagement für das Unternehmen physisch an seinen Grenzen angelangt, doch seine Leistung wurde nicht anerkannt. Da kein Kündigungsgrund genannt werden konnte, wird der Spekulation Tür und Tor geöffnet und die Verunsicherung des Gekündigten verstärkt. Zusammengefasst: Die Kombination aus Schlampigkeit in der Vorbereitung, die Ignoranz und Unwissenheit des Europa-Chefs sowie die fehlende Begründung gaben dem Manager den Rest. Alles zusammen löste den Schock und das Trauma aus. Die daraus resultierende Existenzangst und Sorge um die fünfköpfige Familie trieben ihn in die Verdrängung des Traumas und direkt in einen neuen Job, wo er nach neun Monaten endgültig zusammenbricht. Das alles hätte vermieden werden können, wenn man sachgemäß, friedvoll und wohlwollend miteinander gesprochen hätte. Das gleichgültige und respektlose Verhalten des Europa-Chefs löste die dramatischen Auswirkungen aus. Die negative Wirkung auf die zurückgebliebenen Mitarbeiter und das Employer Branding des Unternehmens ist ebenso wenig zu unterschätzen."
Wie hätte die Kündigung besser laufen können?
Euchner: "Erstens: Falsche Daten in einem Kündigungsschreiben dürfen einfach nicht passieren. Zweitens: Der Europa-Chef hätte dem Manager einen Grund nennen müssen, den der Manager hätte zumindest nachvollziehen können. Drittens: Egal, welche Einstellung der Europa-Chef zu dem Manager hatte, er muss sich auch persönlich für den zu Kündigenden interessieren - und zwar weitaus früher als zu einem Kündigungstermin. Nur dann kann die Kommunikation per se respektvoll und wertschätzend sein, da jeder Mensch das Interesse an der eigenen Person und Wohlergehen zu schätzen weiß und als Respektsbezeugung empfindet. Viertens: Es wäre wohl notwendig gewesen, dass der Europa-Chef wegen seines Kommunikationsdefizits keine Kündigung hätte aussprechen dürfen. Die Maßnahme wäre entweder ein passendes Training gewesen oder die Kündigungsaufgabe an fähige Personalchefs zu delegieren."
Was können Management und HR daraus lernen?
Euchner: "Als Manager habe ich erst mal Verantwortung – nicht nur für die Erbringung der Leistung, sondern auch eine Fürsorgepflicht für die Menschen. Eine Kündigung kurz und schmerzlos abzuwickeln wie es vielerorts empfohlen wird, ist zwar kurz und schmerzlos für den Vorgesetzten und das Unternehmen, doch nicht für den Gekündigten. Jeder Vorgesetzte und jeder Personaler bis hin zum Vorstand sollte sich deshalb in diesen Krisensituationen die Frage stellen: 'Wie möchte ich behandelt werden, wenn man mich kündigen will?' Die Antwort auf diese Frage liefert meistens das bessere Verhalten und eine menschlichere Kommunikation als bisher praktiziert."
Hinweise: Im nächsten Teil unserer Serie "Gekündigte Topmanager" lesen Sie, wie ein Direktor nach 20 Jahren im Unternehmen von einem neuen Geschäftsführer vor die Tür gesetzt wird.