Wie die HR Alliance die schwarz-rote Regierungsarbeit beeinflussen will


HR-Verbände zum Koalitionsvertrag 2014: Stellungnahme HR Alliance

Die HR-Verbände möchten sich mehr in die Politik einmischen. Wie das genau aussehen könnte, hat Thomas Sattelberger, Vorsitzender der HR Alliance, dem Personalmagazin erläutert. Er sieht einige Ansatzpunkte für Personalmanager.

Personalmagazin: Wie bewerten Sie den Koalitionsvertrag im Hinblick auf die zukunftsorientierte Ausgestaltung der Arbeitswelt?

Thomas Sattelberger: Zuallererst muss ich eine Kritik am Personalmagazin loswerden. Sie haben bei Ihrer Sichtung des Koalitionsvertrags wichtige Themen vergessen, die für das HR-Management relevant sind, beispielsweise die berufliche Bildung, psychische Belastung, die Ganztagsschule, Migration. Diese Themen der Politikgestaltung verzahnen sich mit dem System Arbeit, wie wir es verstehen. Bei Betrachtung aller Themen, die der Koalitionsvertrag anspricht, fällt dessen sozialdemokratische Prägung auf. Tradierte, bislang praktizierte Arbeitspolitik wird fortgeschrieben. Zukunftsthemen kommen meist in Überschriften vor, sind nicht ausgearbeitet. Eingriffe in die unternehmerische Freiheit halten sich gerade noch in Grenzen. Die Belastungen für die Arbeitskosten durch milliardenschwere Zusatzausgaben bei der Renten- und Pflegeversicherung sind allerdings beträchtlich. 

personalmagazin: Wo sehen Sie die größten Chancen, die der Vertrag dem Personalmanagement eröffnet?

Sattelberger: Ich sehe im Koalitionsvertrag dort die größten Chancen, wo Androhungen von Ordnungspolitik versteckt sind. HR-Manager können hier kluge Prävention durch strategische Gestaltung der Arbeitswelt betreiben. Beim Thema gesundheitliche Belastung beispielsweise wird eine gesetzliche Regelung angedroht, falls die Unternehmen nicht handeln: Dabei geht es nicht um Kurse für Rückenschulung, sondern um Schaffung gesunder Arbeitsbedingungen. Das zweite große Thema ist die Frauenquote. Unternehmen müssen sich erstens umfassend um genderfaire Talentströme in den unterschiedlichen Lebensphasen und Hierarchieebenen – von jungen Professionals bis zum Vorstandspotenzial – kümmern, und zweitens – nicht trivial - um die Qualität des Reportings. Die Unternehmen müssen der Politik wie der Zivilgesellschaft offenlegen, was sie machen. Die Frauenquote können Personalbereiche nutzen, um ihre Karrieresysteme und die Arbeitszeitkultur zu modernisieren, Diskriminierung zu vermeiden und Vielfalt zu fördern. Das dritte große Thema ist die Reformierung der Systemschwächen der Berufsausbildung. Der Übergang von Schule in die Berufswelt muss durch Stufung der Berufsausbildung und Modellversuche vorgelagerter Berufsausbildung in die Sekundarstufe 1 verbessert werden, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und weniger Menschen ohne Bildungsabschluss auf der Strecke zu lassen.

personalmagazin: Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten, die auf das Personalmanagement der Unternehmen zukommen?

Sattelberger: Die Belastungen halten sich in Grenzen. Allerdings werden die Flexibilitätspuffer der Unternehmen, beispielsweise bei der Leiharbeit und Werkverträgen, immer kleiner. Das ist in Krisenzeiten gefährlich. Es gab schlimme Fälle wie Amazon und Schlecker, doch diese darf der Gesetzgeber nicht zum Nachteil von 95 Prozent der Unternehmen machen, die verantwortungsvoll mit den Instrumenten umgehen. Das zweite Thema, den Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit, sehe ich nicht so kritisch. Die Lebensentwürfe der Mitarbeiter werden immer komplexer, darauf muss zuerst die Personalplanung und dann die Arbeitswelt komplex reagieren. Mit dem Mindestlohn können die Beschäftigungsprobleme gering Qualifizierter nicht gelöst werden. Der Mindestlohn ist für größere Betriebe, die tarifiert sind, kein großes Thema. Aber ohne Ausnahmeregelungen und Öffnungsklauseln wird es Arbeitsplatzverluste in einigen Branchen geben.

personalmagazin: Worauf muss die Regierung bei der Umsetzung in gesetz­liche Regelungen besonderes Augenmerk legen?

Sattelberger: Beim Thema Mindestlohn sollte sich der Gesetzgeber Schritt für Schritt herantasten, um Beschäftigungsverluste zu vermeiden. Wir brauchen Experimente und Differenzierungen, um beispielsweise die Chancen von Langzeitarbeitslosen nicht zu verbauen oder die Berufsausbildung für sogenannte „Bildungsärmere“ nicht zu kannibalisieren. Beim Thema Werkverträge sehe ich das im Prinzip genauso. Natürlich gibt es Branchen wie die Fleischindustrie, wo Menschen ausgenutzt werden. Doch diese Missbrauchsfälle dürfen nicht dazu führen, dass alle anderen dafür bestraft werden. Für die Umsetzung der Gesetze erwarte ich mir, dass die Expertise der Basis, der regionalen Arbeitsagenturen und der Personalfachleute, einbezogen werden.

personalmagazin: Welche Erwartungen haben Sie an die Amtsführung der künftigen Arbeitsministerin?

Sattelberger: Wir erwarten von Frau Nahles eine beidhändige Politik: eine Hand für die traditionelle Arbeitswelt und eine für innovative Arbeitskulturen. Wir brauchen die Weiterentwicklung der Industrie- und Dienstleistungsarbeit mit dem Schutz für prekäre Arbeitsverhältnisse, aber ebenso die Förderung von unternehmerischer Gründung und der oft andersartigen Arbeit in Innovationsbranchen und -unternehmen, die statt einer Schutz- einer Souveränitätslogik folgt. Die zweite Erwartung ist, dass die Stimme der Personalvereinigungen gehört und eingefordert wird. Zum dritten, dass ressortübergreifende Themen wie Diversity oder berufliche Bildung in einer Art Projektorganisation gestaltet werden. Und viertens, mein persönlicher Wunsch, eine Stärkung der Initiative Neue Qualität der Arbeit. Diese Organisation kann die Manifestation einer guten Arbeitspolitik sein, hier kann die Vermeidung von Missständen und die Gestaltung von Neuem vorangetrieben werden. 

Hinweis: Das Personalmagzain hat weitere HR-Verbände um Stellungnahmen gebeten. Die Antworten finden Sie in den nächsten Tagen im Haufe Personal-Portal. Eine Analyse der Verbandsstellungnahmen sowie alle Antworten in der Übersicht finden Sie im Personalmagazin, Ausgabe 03-2014.

Personalmagazin, Ausgabe 03-2014
Schlagworte zum Thema:  HR-Management, Koalitionsvertrag