„Wir lenken die Aufmerksamkeit stark auf Qualität“
Haufe Online-Redaktion: Allein durch Ideen der Mitarbeiter hat Ihr Unternehmen im vergangenen Jahr an den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm rund 108,6 Millionen Euro gespart. Das waren 23,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Wie kam es zu dieser erfreulichen Entwicklung?
Marcus Schulte: Das Ergebnis hat uns selbst überrascht. Im Vergleich zu 2016 war das ein deutlicher Sprung. Wir haben das Gefühl, dass sich die Qualitätsbrille, die wir uns in den vergangenen Jahren aufgesetzt haben, bewährt. Wir kommen aus Zeiten, in denen wir andere Zielsetzungen im Ideenmanagement hatten. In manchen Jahren hatten wir weitaus mehr Ideen, aber nie gab es so ein Ergebnis wie heute. Die Realisierungsquote im Jahr 2017 lag bei über 50 Prozent. Wir haben es geschafft, die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter stark auf das Thema Qualität zu lenken. Es gilt immer noch: Jede Idee, die eingereicht wird, ist gut, und wird angeschaut. Aber noch besser ist es, wenn die Mitarbeiter selbst schon qualitative Überlegungen anstellen und darüber nachdenken, wo welche Hebel sinnvoll sind.
"Jede Idee, die eingereicht wird, ist gut, und wird angeschaut." #Ideenmanagement bei Audi
Click to tweet
Haufe Online-Redaktion: Früher war das Vorschlagswesen in Unternehmen eine eher angestaubte Angelegenheit. Heute haben Sie bei Audi eine interne Ideen-Agentur. Wie viele Personen sind für die Ideen-Agentur tätig?
Marcus Schulte: Mit mir zusammen sind wir elf Personen. Wir sind für die deutschen Standorte der Audi AG in Ingolstadt und Neckarsulm tätig. Bei Audi fing es vor gut 50 Jahren mit dem Vorschlagswesen an. Im Laufe der Jahre haben wir mehrfach umfirmiert, aber das Grundprinzip gibt es seit 50 Jahren. Allerdings beschäftigen wir uns heute natürlich vielfach mit ganz neuen Themen wie Social Media und mobilen Kommunikationswegen.
Kommunikation, Beratung und Vermittlung in Sachen Ideen
Haufe Online-Redaktion: Wie gestaltet sich heute die Aufgabe der Ideen-Agentur?
Marcus Schulte: Wir haben ein dezentrales Ideenwesen. Die Ideen werden digital eingereicht und vom Vorgesetzten geprüft. Dann erstellt ein Gutachter eine fachliche Einschätzung. Im einfachsten Fall sagt er Ja oder Nein, dann geht die Antwort an den Vorgesetzten. Daraufhin kann die Idee gleich umgesetzt werden und der Einreicher erhält eine Prämie. Das ist der Kernprozess. Rund 90 Prozent der Ideen gehen damit quasi komplett an uns vorbei. Unser Job ist es, das Thema im Unternehmen insgesamt voranzutreiben. Wir informieren über die Vorgehensweise und die Prämienausschüttungen. Wir veranstalten auch Ideen-Workshops, um den Mitarbeitern nahezubringen, wie sie kreativ neue Ideen finden können. Ein Kernpunkt unserer Tätigkeit ist die Beratung. Wir helfen beispielsweise in Konfliktfällen, in denen der eine Ja und der andere Nein sagt. Und wir vermitteln Ansprechpartner. Wir beschäftigen uns auch mit der Frage, wie wir neue Medien einbinden. Zusätzlich sind wir mit dem gesamten VW-Konzern vernetzt und tragen Ideen in Richtung VW. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch.
Haufe Online-Redaktion: Welche Ausbildung haben Sie und Ihre Mitarbeiter? Wie sind Sie in die Organisation eingebunden?
Schulte: Der überwiegende Teil der Mitarbeiter der Ideen-Agentur hat einen technischen Hintergrund, weil die meisten Ideen aus dem Produktionsbereich kommen – allein aufgrund der Größe dieses Bereichs. Aber bei 27.000 Ideen pro Jahr können wir das fachliche Spektrum nicht abdecken. Deshalb pflegen wir enge Schnittstellen im gesamten Unternehmen, auch mit dem Rechtswesen, dem Finanzwesen und dem Einkauf. Ich selber bin Psychologe – auch dieser Blickwinkel ist interessant, denn das Thema hat nicht nur eine technische Seite, sondern ist auch ein Wertschätzungsinstrument. Wir sind Teil des Personalbereichs und an die Audi Consulting angegliedert, die sich mit Transformation und Veränderung im Unternehmen beschäftigt.
"Das Thema hat nicht nur eine technische Seite, sondern ist auch ein Wertschätzungsinstrument" #Ideenmanagement bei Audi
Click to tweet
Haufe Online-Redaktion: Sie hatten bereits erwähnt, dass Sie sich heute auch mit modernen Kommunikationswegen und sozialen Medien beschäftigen. Wie binden Sie diese in das Ideenmanagement ein?
Schulte: Unser Ideenmanagement stützt sich auf eine Betriebsvereinbarung. Diese stellt unser Regelwerk dar und definiert, was eine Idee ist und wann eine Prämie ausgezahlt wird. Deshalb ist die Anbindung sozialer Medien nicht ganz einfach. Wir haben seit einiger Zeit firmeninterne Communities, in denen die Mitarbeiter rege diskutieren. Da werden schnell Ideen gepostet, bei denen wir feststellen: Diese Mitarbeiter haben uns gar nicht auf dem Schirm. Sie denken nicht an eine Prämie, sondern wollen das Unternehmen weiterbringen. Da wir auch die neuen Generationen mitnehmen wollen, suchen wir nach Anknüpfungspunkten. Aber wir können unser Regelwerk nicht über Bord werfen. Der Ansatz „Ich habe eine Idee und will diese mit euch diskutieren“ und die mit Eingangsdatum versehene Idee in unserem System sind ganz anders zu bewerten. Wir hatten bislang noch nicht den Fall, dass mehrere Personen zu einem Thema diskutierten und einer dann dieses Thema als Idee eingereicht hat. Aber das kann passieren. Diese Fallstricke müssen wir berücksichtigen.
Wird das Ideenmanagement mobil?
Haufe Online-Redaktion: Können Mitarbeiter ihre Ideen auch per Whatsapp oder andere Kanäle einsenden?
Schulte: Auch das mobile Einreichen von Ideen steht auf unserer Liste. Eine Idee per Kurznachricht einzureichen, ist zwar schön, passt aber nicht ganz in unser Qualitätskonzept. Hier besteht die Gefahr, dass etwas ganz schnell eingereicht wird, das nicht die erforderliche Qualität hat, um es weiterbearbeiten zu können. Grundsätzlich stehen wir der mobilen Kommunikation aber positiv gegenüber, denn Ideen entstehen nicht nur zwischen 6.30 Uhr und 17.30 Uhr, sondern kommen oft am Sonntag oder abends. Dann wäre es schön, das einfach zusammenschreiben und versenden zu können. Natürlich kann ich auch abends um 22 Uhr etwas auf einen Zettel schreiben und das morgens meinem Vorgesetzten vortragen. Aber uns geht es auch darum, die Attraktivität des Ideenmanagements weiter zu entwickeln.
Haufe Online-Redaktion: Welche spannenden Ideen haben Sie in jüngster Zeit begleitet?
Schulte: Wir vergeben jährlich einen Award, mit dem wir signalisieren: Macht Vorschläge, nennt uns gute Ideen! Mit diesem Award zeichnen wir drei Ideen aus, die besonders kreativ sind oder die Arbeit stark erleichtert haben. Ein Beispiel kommt aus dem Azubi-Bereich: Zwei Auszubildende zum Kfz-Mechatroniker hatten die Idee, die Köpfe von Drehmomentschlüsseln grün und rot zu markieren. Das Farbsystem erleichtert das Montieren der Köpfe, verhindert einen falschen Einsatz des Werkzeugs und spart damit Zeit. Eine andere Idee hatten zwei Mitarbeiter aus der Motorenentwicklung: Ihnen war aufgefallen, dass die Belüftungsanlagen in ihrer Werkhalle Tag und Nacht liefen. Sie schlugen vor, die Drehzahl der Ventilatoren zu reduzieren, wenn keine Kollegen vor Ort sind. Dank dieser Idee spart Audi nun rund 100.000 Euro pro Jahr ein.
Wie eine Idee 200 Arbeitsstunden einsparen kann
Haufe Online-Redaktion: Und was war Ihr persönlicher Favorit?
Schulte: Ich persönlich finde das dritte Gewinnerkonzept sehr clever. Dabei geht es um die Methodik beim Vermessen von Autotüren in der Qualitätssicherung. Drei Mitarbeiter haben die Messinstrumente so verändert, dass sich dadurch die Zeit zum Einstellen der Instrumente halbiert hat – von 34 auf nur noch 18 Minuten pro Tür. Bei der Anzahl an Türen, die pro Jahr gemessen werden, werden rund 200 Arbeitsstunden eingespart – allein durch eine einzige Idee.
Haufe Online-Redaktion: Kommt es auch vor, dass Sie Mitarbeiter und Vorgesetzte ansprechen und dazu anregen, sich Verbesserungen für den eigenen Bereich zu überlegen?
Schulte: Das gehört auch zu unserem Job. Denn natürlich gibt es Bereiche, die sich für das Programm stark engagieren, während andere hier noch mehr Unterstützung benötigen. In diesen Fällen gehen wir in die Beratung, um die Prozesse zu beschleunigen und um Komplexität zu reduzieren. Auf der anderen Seite passiert es auch, dass wir von Führungskräften angesprochen und eingeladen werden, etwa wenn sie kreative Prozesse anstoßen wollen und uns als Moderatoren anfragen.
Das Interview führte Daniela Furkel.
Marcus Schulte leitet seit Mitte 2017 das Ideenmanagement der Audi AG. Zuvor war er unter anderem in der Personalentwicklung und der überfachlichen Qualifizierung tätig.
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber beachten müssen
1.993
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
1.713
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
1.500
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
1.276
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
1.249
-
Krankschreibung per Telefon nun dauerhaft möglich
1.129
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
1.031
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
709
-
Das sind die 25 größten Anbieter für HR-Software
514
-
Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten
390
-
Ignoranz und Arroganz im Jobinterview
23.12.2024
-
Tipp der Woche: Mehr Inklusion durch KI
19.12.2024
-
Gleichstellung in Europa verbessert sich nur langsam
16.12.2024
-
Fünf Tipps für effektive Recruiting-Kampagnen zum Jahresstart
13.12.2024
-
Eine neue Krankenkasse als Zeichen der Fürsorge
11.12.2024
-
Wie Personalarbeit wirtschaftlichen Erfolg beeinflusst
10.12.2024
-
1.000 neue Fachkräfte für den Glasfaserausbau
09.12.2024
-
KI für eine inklusive Arbeitswelt
06.12.2024
-
Weihnachtsgeld: Wer bekommt wie viel?
05.12.2024
-
Mit Corporate Volunteering Ehrenamt ins Unternehmen bringen
05.12.2024