Internationale Personalarbeit: Verunsicherung durch Brexit

Rund 2.500 deutsche Unternehmen sind in Großbritannien aktiv  – über 100.000 Briten leben und arbeiten in Deutschland. Was wird der Brexit verändern? Dr. Axel Boysen, Spezialist für Auslandsentsendungen, erklärt, auf was sich international arbeitende Unternehmen einstellen müssen.

Haufe Online-Redaktion: Welche Rolle spieltedie Entsendung von Mitarbeitern nach Großbritannien bisher für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt?

Dr. Axel Boysen: Großbritannien ist ein zentraler Absatzmarkt für deutsche Waren und Dienstleistungen. Rund 2.500 deutsche Unternehmen sind vor Ort aktiv und beschäftigen rund 400.000 Mitarbeiter – ein Großteil davon sind naturgemäß britische Staatsangehörige. Allerdings lässt sich auf Basis dessen ein Rückschluss ableiten, welch hohen Stellenwert auch die Entsendung deutscher Arbeitnehmer nach Großbritannien hat. Denken Sie nur an Fertigungsstätten, die große Konzerne wie Siemens oder BMW, aber auch deutsche Mittelständler in Großbritannien unterhalten In diesem Zusammenhang spielt die Mitarbeiterentsendung eine gewichtige Rolle, wenn es um den Transfer von Know-how-Trägern, die längerfristige Besetzung wichtiger Schlüsselpositionen oder viele kurzeitige Entsendungen in Form von Dienstreisen geht.

Haufe Online-Redaktion: Was wird sich diesbezüglich durch den Brexit ändern?

Boysen: Lassen Sie mich zunächst festhalten, dass der britische und der kontinentaleuropäische Wirtschafts- und Arbeitsmarkt eng miteinander verwoben sind – die Universität Oxford hat festgestellt, dass etwa 2,2 Mio. Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten in Großbritannien arbeiten. Das sind rund 6,6 Prozent aller britischen Beschäftigten. Außerdem arbeiten etwa zwei  Millionen Briten in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Das beweist, wie belebend für die jeweiligen Arbeitsmärkte sich die in der EU gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgewirkt hat. Tritt der Brexit ein, wird diese Arbeitnehmerfreizügigkeit voraussichtlich wechselseitig beendet werden.

Das beweist, wie belebend für die jeweiligen Arbeitsmärkte sich die in der EU gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgewirkt hat. Tritt der Brexit ein, wird diese Arbeitnehmerfreizügigkeit voraussichtlich wechselseitig beendet werden.

Haufe Online-Redaktion: Was bedeutet das für nach Großbritannien entsendende Unternehmen?  

Boysen: Damit würde eine enorme Erleichterung entfallen und die Aufenthaltsregelungen für Drittstaatsangehörige Anwendung finden. Diese beinhalten erhebliche Hürden, was die erforderliche berufliche Qualifikation und das Mindesteinkommen des betroffenen Arbeitnehmers angeht. Die Gefahr besteht im Einzelfall darin, dass etwa ein deutscher Mitarbeiter, der in Großbritannien beschäftigt ist, nach dem britischen EU-Austritt diese Anforderungen nicht erfüllt. Das träfe dann vornehmlich Beschäftigte in Branchen oder Berufsgruppen mit geringerem Qualifikations- oder Entgeltniveau.

Haufe Online-Redaktion: Können Unternehmen jetzt schon etwas tun?   

Boysen: Der Brexit ist im politischen Kontext zu sehen. Ob, wann und wie die Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU vorankommen werden und zu welchem Zeitpunkt der Brexit wirksam wird, ist völlig unklar. Ebenso wenig lässt sich derzeit prognostizieren, ob künftig bilaterale Abkommen zwischen Großbritannien und den EU-Staaten die Freizügigkeit gewährleisten oder zumindest Erleichterungen für die Einreise und den Aufenthalt regeln werden. Die Verunsicherung bei den betroffenen Expatriates und Unternehmen ist jedenfalls deutlich spürbar. Meine Londoner Partner und ich bemerken stetig wachsende Anfragen zu diesem Thema, beispielsweise von Briten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen oder von Unternehmen, die Rat suchen und rechtzeitig vorbereitet sein wollen.

Ebenso wenig lässt sich derzeit prognostizieren, ob künftig bilaterale Abkommen zwischen Großbritannien und den EU-Staaten die Freizügigkeit gewährleisten oder zumindest Erleichterungen für die Einreise und den Aufenthalt regeln werden.

Haufe Online-Redaktion: Wie verhalten sich die Mandanten, die bei Ihnen Rat suchen: Wollen Sie ihr Engagement in Großbritannien ändern oder  nach anderen Standorten suchen? Oder werden sie sich schlichtweg den neuen rechtlichen Gegebenheiten anpassen?

Boysen: Ich rechne nicht damit, dass die immigrationsrechtlichen Folgen des Brexit allein zu Standortverlagerungen oder einem geänderten Investitionsverhalten führen werden. Britische und deutsche Unternehmen werden sich aber den neuen rechtlichen Gegebenheiten anpassen müssen und das auch tun.

Haufe Online-Redaktion:  Was also raten Sie Unternehmen, die regelmäßig Mitarbieter nach Großbritannien entsenden?

Boysen:  Insbesondere für Unternehmen, die in Großbritannien verhältnismäßig viele Mitarbeiter aus der EU ohne britischen Pass haben, stellt sich die Frage, ob diese Mitarbeiter unter Geltung der allgemeinen Aufenthaltsgesetze die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel erfüllen. Wenn dies nicht der Fall ist, kann dies zu einem ernsthaften Problem werden, wenn diese Mitarbeiter Großbritannien verlassen müssen. Das gleiche Problem stellt sich für Unternehmen, die britische Staatsbürger in Deutschland beschäftigen. Wie empfehlen unseren Mandanten deshalb, sich rechtzeitig einen Überblick über die Nationalität und den Aufenthaltsstatus ihrer Mitarbeiter zu verschaffen, um mit uns individuelle Lösungen zu erarbeiten.

 

Das Interview führte Katharina Schmitt, Haufe Online Redaktion

Dr. Axel Boysen ist Partner bei Fragomen Global LLP

 


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