"Die DIN 33430 muss verständlicher werden"
Haufe Online-Redaktion: Warum ist die DIN 33430 so wichtig für die Personalauswahl?
Heinrich Wottawa: Die Einstellung eines neuen Mitarbeiters oder auch eines Auszubildenden ist eine Entscheidung von großer Bedeutung für beide Seiten, in vielen Fällen auch mit erheblichen finanziellen Konsequenzen für das Unternehmen. Bei so wichtigen Investitionen lohnt es sich, auf fundierten Entscheidungsgrundlagen aufzubauen. Diese Situation verschärft sich noch wesentlich durch den zunehmenden Bewerbermangel. Es ist relativ einfach, aus vielen Bewerbern einen gut passenden zu finden. Je weniger Auswahl man aber hat, umso wichtiger ist eine fundierte Eignungsdiagnostik, um Bewerberpotenziale richtig beurteilen zu können - und keine doch gut passenden Bewerber zu übersehen.
Haufe Online-Redaktion: Warum wurde die Norm nun überarbeitet?
Wottawa: Eine regelmäßige Überarbeitung von Normen gehört zu den Grundsätzen des Deutschen Instituts für Normung (DIN). Das gilt auch dann, wenn sie so erfolgreich ist wie die 33430. Nach ihrem Vorbild wurde ja unter Leitung unseres Ausschuss-Vorsitzenden, Professor Hornke, die internationale ISO 10667 entwickelt. Das zeigt schon eine sehr hohe Anerkennung. Aber natürlich hatte die jetzt schon zwölf Jahre alte erste Fassung auch Mängel, die zu beseitigen waren.
Haufe Online-Redaktion: Was wurde konkret verbessert und wie kann dies nun Personaler in der Eignungsdiagnostik besser unterstützen?
Wottawa: Man hat der ersten Fassung zu Recht vorgeworfen, dass sie sehr akademisch sei. Die wirklich nicht optimale Verständlichkeit für Nicht-Experten hat viele gestört. Außerdem gab es natürlich neue technische Entwicklungen, vor allem das Internet-Assessment, das 2002 noch lange nicht den Stellenwert hatte wie heute. Ich hoffe, dass mit der neuen Fassung viele Personaler auch ohne Spezialwissen gerne arbeiten. Wenn Sie dabei die Kerngedanken der Norm realisieren, haben sie eine gute Chance, ihre Personalentscheidungen mit einer noch höheren Erfolgsquote zu treffen.
Haufe Online-Redaktion: Worin bestehen diese Kerngedanken?
Wottawa: Die Norm sieht vor, dass man in der berufsbezogenen Eignungsdiagnostik von einer soliden Anforderungsanalyse ausgeht, dann für das Erfassen der relevanten Personenmerkmale empirisch fundierte Instrumente wie zum Beispiel gut strukturierte Interviews oder Testverfahren einsetzt, und die so erhaltenen Ergebnisse nach klaren, evidenzbasierten Regeln auswertet. Eigentlich sollte ein solches Vorgehen ja selbstverständlich sein, die deutliche Mehrheit von Personalentscheidungen erfolgt aber noch immer ohne diese elementaren Grundsätze zu beachten.
Haufe Online-Redaktion: Personaler sind auch dazu aufgerufen, den neuen DIN-Entwurf online zu kommentieren. Was erhoffen Sie sich davon?
Wottawa: Der Nutzen einer solchen Beteiligung liegt vor allem in einer noch stärkeren Berücksichtigung der Bedarfe der Personalarbeit in Unternehmen und Verwaltungen: Wo ist der Text noch immer zu wenig verständlich? Welche Hinweise oder Regelungen fehlen, die man zur Unterstützung der eigenen Arbeit gerne hätte? Was an den Forderungen der Norm ist zwar an sich sinnvoll, aus Sicht der Personaler aber in der Praxis nicht umsetzbar? Dazu nur ein Beispiel: Die Norm verlangt, dass zum Beispiel Führungskräfte, die im Interview oder Assessment außerfachliche Kompetenzen oder Potenziale beurteilen, dazu in ausreichendem Maß geschult sind. Diese Forderung ist an sich trivial, weil das Gegenteil „Es sollen Menschen über die Eigenschaften von Bewerbern urteilen, die nicht die dazu erforderliche Kompetenz haben“ nicht rational vertreten werden kann. Ich weiß aber aus langjähriger Erfahrung, dass in vielen Unternehmen solche Schulungen völlig fehlen oder durch kurze Einweisungen in den organisatorischen Ablauf ersetzt werden. Es stellt sich also die Frage: Hilft hier die Norm, hin und wieder doch bessere Schulungen zu erreichen, oder schreckt diese "extreme" Forderung eher ab?
Haufe Online-Redaktion: Welche Passagen erachten Sie in der neuen Formulierung für verbesserungswürdig?
Wottawa: Verbesserungswürdig ist aus meiner Sicht der gesamte Text. Es haben sich hier viele Fachleute große Mühe gegeben, sodass er schon einer Kenntnisnahme würdig sein sollte. Wirklich optimal ist er aber sicher nicht, was strukturelle Gründe hat. Wenn eine DIN-Norm zum Beispiel für ein technisches Produkt erstellt wird, müssen nur gelernte Techniker diese Norm verstehen, kein Laie interessiert sich für die oft nur für Experten verständlichen Formulierungen. In der Personalarbeit haben wir aber das Problem, das viele dort Tätige keine fundierte Ausbildung in Eignungsdiagnostik haben. Die Professionalisierung der Personalarbeit hat in der letzten Zeit durch entsprechend spezialisierte Studiengänge zwar deutlich zugenommen, aber in vielen Unternehmen noch lange nicht das Niveau erreicht, wie wir es etwa ganz selbstverständlich bei Ingenieuren haben. Gerade für die nicht speziell in Eignungsdiagnostik ausgebildeten Personaler, die zum Beispiel für die Gestaltung des Recruiting-Prozess im Detail verantwortlich sind, kann die Norm wertvolle Hilfen bieten. Das klappt aber natürlich nur, wenn der Personaler den Text verstehen kann und nicht schon durch die Formulierungen und Begriffsbildungen abgeschreckt wird. Wir haben daher bei der 33430 ein ganz spezielles Formulierungsproblem, und ich bin sicher, dass der Ausschuss für jeden Vorschlag auf Verbesserung dankbar ist.
Prof. Dr. Heinrich Wottawa ist Geschäftsführer der Eligo GmbH und als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Psychologie Mitglied im zuständigen DIN-Normenausschuss Dienstleistungen.
Das Interview führte Kristina Enderle da Silva, Redaktion Personal.
Die DIN 33430 können alle Interessierten hier online abrufen und kommentieren: www.entwuerfe.din.de.
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