"Führungskräfte müssen den Willen zur Veränderung vorleben"
Personalmagazin: Mit mehr als 800 Experten für das Internet der Dinge (IoT) arbeitet Bosch Software Innovations in Deutschland, Bulgarien, Singapur, China, Japan und den USA. Stellen Sie die Elite unter den 390 000 Mitarbeitern, die die Bosch Gruppe weltweit beschäftigt?
Rainer Kallenbach: So würde ich das nicht sagen. Wir sind als Tochterunternehmen natürlich fest in der Bosch Gruppe verankert und unterstützen die Geschäftsbereiche partnerschaftlich beim Aufbau von IoT-Technologie und -Kompetenzen. Ebenso wichtig ist für uns die Entwicklung von IoT-Lösungen für Kunden wie Osram, Zumtobel, Renault oder Stromnetz Berlin. Mit unserer Software vernetzen wir heute bereits mehr als fünf Millionen Sensoren, Geräte und Maschinen mit ihren Nutzern und Unternehmensanwendungen.
Personalmagazin: Sie arbeiten also schon mitten in der Zukunft. Welche Aufgaben stellen sich Ihnen und Ihren Mitarbeitern?
Kallenbach: Das Internet der Dinge baut Brücken zwischen Dingen und ihren Nutzern. Das gilt im privaten Bereich wie dem vernetzten Zuhause, aber auch in der Industrie für vernetzte Schweißroboter oder in der Landwirtschaft, wo Sensoren in Spargelfeldern Landwirte bei der Bewirtschaftung unterstützen. Die aus der Vernetzung entstehenden Daten und Cloud-Technologie machen es heute möglich, dass Unternehmen ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln. Physische Dinge können nun um digitale Servicedienstleistungen ergänzt werden. Konkret bedeutet das: Zum Gasboiler kommt das automatisierte Wärmemanagement. Eine App unterstützt den E-Auto-Fahrer dank vernetzter Ladesäulen beim schnellen Finden einer freien Lademöglichkeit.
Personalmagazin: Welche Mitarbeiterqualifikationen brauchen Sie dazu in Ihrem Softwareunternehmen?
Kallenbach: Als Softwareunternehmen bilden Profile rund um den Softwareentwickler den Schwerpunkt. Viele unserer Mitarbeiter arbeiten aber auch als IoT-Consultants, Projektmanager, UX-Designer, Geschäftsmodell-Innovatoren oder Trainer direkt in Kundenprojekten. Sicher ist eine fachliche Qualifikation sehr wichtig, mehr und mehr spielen aber auch persönliche Faktoren eine Rolle. Ich meine damit Offenheit, Mut, Kreativität, eine experimentelle Einstellung und die Bereitschaft neue Dinge anzupacken. Oftmals sind das nicht die klassischen Karriereanwärter, sondern Menschen, die Freude und Motivation daraus ziehen, durchaus auch manchmal unkonventionell, in einem Zukunftsfeld zu arbeiten.
Das brauchen Mitarbeiter: "Offenheit, Mut, Kreativität, eine experimentelle Einstellung" (R. Kallenbach)
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Personalmagazin: No one can do I(o)T alone ist ein griffiger Slogan auf Ihrer Homepage. Aber wie gewinnen Sie Geschäftspartner und Mitarbeiter die Zäune in ihren Wissensgärtchen niederzureißen?
Kallenbach: Das funktioniert am besten über das Erleben, dass Gärtchen schön sein mögen, aber auch starr sind. Denn Projekte sind umso erfolgreicher, je eher alle Perspektiven zusammengebracht werden. Eine schicke Software im Kämmerlein zu entwickeln, die am Markt vorbei geht oder unverständlich ist, erzeugt Frust beim Nutzer. Im Übrigen suchen wir unsere Mitarbeiter so aus, dass sie neben ihrem fachlichen Input Offenheit und Lust an der Kommunikation mitbringen. Da unsere Mitarbeiter an neun Standorten weltweit als verteilte Teams aktiv sind, arbeiten wir stark mit digitalen Kommunikationsmöglichkeiten wie Chat, Social Intranet oder Videotelefonie.
Personalmagazin: In einer Ihrer Umfragen nennen Geschäftspartner und Boschunternehmen mit 27 Prozent die fehlende Mitarbeiterqualifikation als hohe Barriere für die Industrie 4.0. Ingenieure und Informatiker müssen eine gemeinsame Sprache finden. Ein lösbares Problem?
Kallenbach: Ja, Anwendungen für die vernetzte Produktion erfordern ein komplett neues Expertenprofil: Es werden Fachkräfte benötigt, die Prozess- und Fertigungsexpertise mit IT-Know-how verbinden. Hier sind wir gefragt, die Experten an einen Tisch bringen, um diese Zukunftsprojekte umzusetzen. Wer begreift, dass nur die Zusammenarbeit der Disziplinen zum Erfolg führt, der wird sich freiwillig verändern und muss nicht gezwungen werden.
"Wer Projekte wie Erdbeerfelder mit Wärmesensoren vorantreiben will, muss die Führungskultur verändern." (Bosch)
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Personalmagazin: Sie kommen aus der traditionell hierarchischen Bosch-Welt, argumentieren aber wie ein agiler Start-up-Gründer.
Kallenbach: Wer Projekte wie Erdbeerfelder mit Wärmesensoren oder die vernetzte Parkplatzsuche vorantreiben will, muss Arbeitsweise und Führungskultur verändern. Selbstorganisation, kleine Teams und höheres Tempo bei Entscheidungen gehören zur DNA der IoT-Welt. Das macht Bosch aus, dass man auf seinem Karrierepfad Einblicke in beides bekommen kann, Großunternehmen und kleine, agile Einheit.
Personalmagazin: Welche Faktoren sind es, die diese Änderung voranbringen können?
Kallenbach: Wir müssen Vertrauen haben in die Teams und von Fehlern lernen. Wir müssen Mut zeigen und den Teams Entscheidungsbefugnis in ihren Projekten geben. Verantwortlich zusammenarbeiten über Ländergrenzen hinweg erfordert eine offene und transparente Kommunikation. Führungskräfte müssen den Willen zur Veränderung vorleben, Barrieren aus dem Weg räumen und Kontrolle nur da ausüben, wo es erforderlich ist.
Personalmagazin: Klingt gut, aber diese Forderungen sind zumindest Personalmanagern nicht ganz neu.
Kallenbach: Das mag sein, aber wir müssen es jetzt schaffen sie umzusetzen. Denn Menschen sind der Schlüssel zum Erfolg – schon immer, aber in der vernetzten Welt noch mehr.
Rainer Kallenbach ist seit Januar 2014 Vorsitzender Geschäftsführer der Bosch Software Innovations GmbH direkter Zuständigkeit für Produktentwicklung, Business Development, Sales & Marketing sowie HR, Finance & Controlling. Er hielt im März die Keynote auf der Konferenz „Herausforderung Cloud und Crowd – Neue Organisationskonzepte für Dienstleistungen nachhaltig gestalten“ in München.
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