Jahresrückblick 2022 Die Tops und Flops des HR-Jahres

Was wird aus HR-Perspektive aus dem Jahr 2022 in Erinnerung bleiben? Der Fachkräftemangel, der Kulturwandel in den Unternehmen durch hybride Arbeitsmodelle und Sustainability waren Dauerthemen. Das geänderte Nachweisgesetz und das BAG-Urteil zur Zeiterfassung haben HR das Leben nicht leichter gemacht. Was waren die Tops und was die Flops des Jahres?


Top: Die Messen sind zurück

Im Frühjahr zeigten sich Aussteller, Besucherinnen und Besucher der HR-Fachmessen sehr zurückhaltend: Auf den ersten Events 2022 fanden sich große Lücken zwischen den Ständen und vor den Podien blieben viele Stühle frei. Die Angst vor einer Infektion war noch groß und nicht alle Unternehmen erlaubten Dienstreisen. Dennoch: Die meisten Aussteller waren zufrieden, auch die angereisten Gäste. Mit steigenden Temperaturen stieg die Nachfrage: Das zeigte sich bei der erstmals veranstalteten Copetri Convention, die großteils im Freien stattfand. 2.500 Personen kamen zum Event, das als Mischung aus Messe, Kongress und Festival erfolgreich debütierte. Die ZP Europe in Köln schließlich zählte 16.000 Besucherinnen und Besucher. Das waren zwar erheblich weniger als 2019 (20.700 Personen), aber das Signal war deutlich: Die HR-Szene braucht persönliche Treffen. Informieren kann man sich online, aber der Austausch funktioniert doch nur Face-to-Face.

Flop: Homeoffice-Pflicht

Hubertus Heil wollte auf Nummer sicher gehen. Die ab Oktober geltende neue Corona-Arbeitsschutzverordnung sollte höchste Sicherheit ermöglichen und sah in ihrem ersten Entwurf die Wiedereinführung der Homeoffice-Pflicht vor. Doch die Proteste von Arbeitgeberseite waren heftig und innerhalb der Ampelkoalition war eine Homeoffice-Pflicht nicht konsensfähig. Angesichts der massiven Kritik von allen Seiten musste das BMAS die Arbeitsschutzverordnung ohne Homeoffice-Pflicht erlassen. Eine Niederlage für den Minister.

Frau Homeoffice schläft

Top: Umgang mit Corona gelernt

Zu Beginn der Pandemie blicken wir von Europa voller Bewunderung nach China, mit welchem Tempo und mit welcher Konsequenz dort die Ausbreitung des Virus bekämpft wurde. Im Laufe dieses Jahres zeigte sich, dass unsere offene Gesellschaft viel erfolgreicher den Umgang mit Corona gelernt hat. In den meisten Betrieben ist Normalität eingekehrt, der Virologe Christian Drosten spricht vom Ende der Pandemie.

Flop: Cyberangriffe nehmen zu

Die Ransomware-Gruppe "Lockbit 3.0" hat im Sommer sensible Daten des Dax-Konzerns Continental geklaut und auf dem Schwarzmarkt zum Kauf angeboten. Dieser spektakuläre Fall ist kein Einzelfall, vielmehr haben laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Jahr 2022 die Cyberangriffe weiter zugenommen. Bei Unternehmen und Institutionen werden Daten gestohlen oder die IT-Systeme lahmgelegt. 2022 musste erstmals der Katastrophenfall ausgerufen werden, weil existenziell notwendige Dienstleistungen nicht mehr verfügbar waren. Die Sicherheitsvorkehrungen in Unternehmen sind unzureichend. Wir kümmern uns zu sehr um Datenschutz, zu wenig um Datensicherheit. (Lesen Sie dazu auch: Was HR zur IT-Sicherheit beitragen kann und Digitalisierungsindex Mittelstand)

Top: Ukraine-Flüchtlinge

Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und der bis heute andauernde Krieg zwang Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer zur Flucht. Neben weltweiter Betroffenheit löste er eine große Solidarität aus - auch in der deutschen Wirtschaft. Viele Unternehmen engagierten sich für Geflüchtete, ob mit Hilfslieferungen, Unterkünften, Kinderbetreuung oder Jobs. Inzwischen haben mehr als 50.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland eine reguläre Arbeit gefunden, rund 96.000 Menschen besuchen Integrationskurse. Die Hilfsbereitschaft vieler Unternehmen ist ein positives Beispiel dafür, wie Organisationen soziale Verantwortung übernehmen. Dass viele der Geflüchteten hoch qualifiziert und als Arbeitskräfte begehrt sind, zeigt uns, dass Solidarität auch Nutzen stiftet. (Lesen Sie dazu auch das Interview "Manche Vorstellungsgespräche wurden vom Luftalarm unterbrochen").

Ukraine Flagge

Flop: Schlechte Personalplanung

Wir alle haben noch Bilder aus dem Sommer vor Augen, als sich an den Flughäfen die Gepäckstücke stapelten und Passagiere ihre Flieger verpassten, weil sie nicht rechtzeitig durch den Sicherheitscheck kamen. Nicht nur bei den Flughafenbetreibern kamen große Defizite in der Personalplanung zutage, sondern auch in anderen Branchen. Vorausschauendes Recruiting mit Blick auf die zu erwartenden Kunden- oder Verkaufszahlen ließen viele Unternehmen vermissen. (Lesen Sie dazu auch: Wohin sind die Fachkräfte verschwunden? und Mittelstandskompass 2022 - wo die meisten Fachkräfte fehlen).

Top: Hybrides Arbeiten

Völlig selbstverständlich zwischen Büro und Homeoffice zu wechseln, ist gelebte Normalität. Den Urlaub im Ausland noch mit einer Workationphase zu verlängern, ist keine Seltenheit mehr. Desksharing-Modelle machen den Ausbau von Büroflächen unnötig. Wir haben bei der Büroarbeit in kurzer Zeit einen Kulturwandel geschaffen, den niemand mehr missen möchte. (Lesen Sie dazu: Personalmagazin 04/2022 mit dem Schwerpunkt "Hybrides Arbeiten").

Flop: Nationale Weiterbildungsstrategie

Die Bundesregierung hat die "Nationale Weiterbildungsstrategie" weiterentwickelt, mit der Politik und Wirtschaft das lebenslange Lernen fördern wollen. Angesichts des Strukturwandels ist das ein lobenswertes Ziel. Doch der eingeschlagene Weg ist nicht erfolgversprechend: Es werden Rechtsansprüche auf Qualifizierung und Förderprogramme geschaffen, die wenig genutzt werden. Die Regierung will jetzt auch noch die Qualität der Weiterbildung über Zertifizierung sichern. Die Aktivitäten gehen an den Bedürfnissen der Betriebe vorbei. Statt auf die Kräfte des Markts zu vertrauen, setzt die Regierung auf zentrale Steuerung und Kontrolle.

Top: Mehr Lehrstellen

Noch nie seit der Wiedervereinigung waren die Chancen auf eine Ausbildungsstelle so gut. Die Betriebe haben 546.000 Lehrstellen gemeldet – 23.100 mehr als im Vorjahreszeitraum. Aber sie müssen ihre Berufe auch dem Nachwuchs nahebringen. Denn die Zahl der Interessenten sinkt weiter. Rechnerisch gab es mehr gemeldete Ausbildungsstellen als Bewerbende. Toll, dass die Unternehmen zahlreiche Initiativen gestartet haben, um die Ausbildung attraktiver zu machen.

Auszubildende Automobil

Flop: Energiepreispauschale

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Am Ziel, die von hohen Energiepreisen gebeutelten Bürgerinnen und Bürger mit einer staatlichen Einmalzahlung zu entlasten, gibt es nicht viel zu kritisieren. Doch der Teufel steckt im Detail. Statt Gutverdienende, die den Zuschuss nicht benötigen, über eine Einkommensgrenze direkt auszunehmen, machte man die Pauschale steuerpflichtig. Der Staat schüttet 14 Milliarden Euro aus und bekommt direkt 3,5 Milliarden Euro über die Steuerpflicht wieder zurück. Welch ein Unsinn. Die geschätzten Bürokratiekosten bei den Ländern und den Arbeitgebern betragen rund 800 Millionen Euro. Ein enormer Aufwand für letztlich eine nur geringe Wirkung.

Top: Inflationsprämie

Die ersten Tarifabschlüsse im Herbst 2022 zeigen den praktischen Nutzen der Inflationsprämie. Die Arbeitgeberseite bekam die Möglichkeit, eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung von 3.000 Euro mit den Gewerkschaften zu vereinbaren. Das bietet für die Tarifabschlüsse finanziellen Handlungsspielraum, dessen Nutzung nicht dazu führt, dass die Tariflöhne dauerhaft steigen. Mit dem Anreiz der Einmalzahlung sollte die Lohn-Preis-Spirale gedämpft werden, ohne in die Tarifautonomie einzugreifen. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bietet die Prämie den Vorteil, dass die 3.000 Euro bei ihnen ungeschmälert im Geldbeutel landen. Ein Erfolg für die Ampel.

Top: Initiative #WOL4HR

Vernetzungs- und Social-Media-Kompetenzen sind heute Erfolgsfaktoren im Job – auch in HR. Im Januar 2022 haben Sabine und Alexander Kluge von "Kluge und Konsorten" deshalb mit Thomas Resch, Leiter der Fachgruppe New Work im Bundesverband der Personalmanager, ein zwölfwöchiges Lernprogramm für HR konzipiert: Mithilfe der Social-Learning-Methode "Working Out Loud" (WOL) konnten HRFachleute ihren Netzwerkmuskel trainieren. Bei den virtuellen Community-Treffen waren prominente Gäste als Impulsgeber dabei. 450 Teilnehmende durchliefen die Lernreise. Das war nicht nur einen "New Work Award" wert, sondern gab der Initiative auch den nötigen Rückenwind für eine Fortsetzung: Am 19. Januar 2023 geht WOL4HR erneut an den Start. (Lesen Sie dazu auch das Interview "Unsere Wirkmacht ist es, eine HR-Community zu bieten" mit Inga Dransfeld-Haase).


Dieser Rückblick ist in Personalmagazin 1/2023 erschienen. Lesen Sie die gesamte Ausgabe auch in der Personalmagazin-App.


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Schlagworte zum Thema:  HR-Management, Arbeitsrecht